von Inka Grabowsky, 10.05.2014
Konzil und Kritik in Kreuzlingen
Inka Grabowsky
Man kann sich dieser Tage am Bodensee dem Thema „Konziljubiläum“ kaum entziehen. Nun ist auch das Kreuzlinger Seemuseum auf den Zug aufgesprungen und bietet eine kleine Ausstellung mit Informationstafeln an. „Wir wollen einfach auf die Ereignisse nebenan aufmerksam machen und Synergien nutzen“, sagt Museumsleiter Walo Abegglen. Wer im Seemuseum Halt mache – vielleicht um noch einen Blick auf die viel gelobte Fische-Ausstellung zu werfen, könne schnell und unkompliziert Basisinformationen für den Einstieg in die Konzilsthematik mitnehmen.
Arrogante Humanisten
Mehr als kleine Appetithäppchen bot Hansjörg Brem bei seinem Eröffnungsvortrag. Der Kantonsarchäologe beschäftigt sich schon seit langem insbesondere mit den Humanisten am Konzil. Diese mittelalterlichen Universalgelehrten, die sich auf die Ideale der Antike beriefen, kamen im Gefolge der Kirchenfürsten nach Konstanz. Sie hatten neben ihren professionellen Aufgaben genug Musse, sich untereinander auszutauschen, Sprachen zu lernen und Berichte für die Heimat zu verfassen. „Die Geschichte von ‚Plautus im Nonnenkloster’ von Conrad Ferdinand Meyer, die ich noch in der Schule lesen musste, versetzt uns ganz gut in die Zeit“, so Brem. In der Novelle schildert der alternde Poggio Bracciolini seinen Freunden in Florenz, wie er während des Konzils dem Frauenkloster in Münsterlingen eine Abschrift der Komödien von Plautus abgeluchst hat. „Bemerkenswert ist die Arroganz der italienischen Humanisten, die Meyer korrekt aus den überlieferten Berichten herausgelesen hat.“ Poggio, der als Sekretär des abgesetzten Papstes Johannes XXIII. anreiste, beschreibt in seinen Briefen die Sitten diesseits der Alpen und zeigt sich schockiert über die Zügellosigkeit hierzulande. „Die Geschichten über die Prostituierten am Konzil, die in Balzacs ‚Schöner Imperia’ gipfeln, gehen auf solche Schilderungen zurück.“
Richental als Reporter
Für den Historiker sind die Berichte der Humanisten unendlich wertvoll. Sie zeigen mit dem Blick von aussen, wie der Alltag im späten Mittelalter ausgesehen hat. Den Blick von Innen liefert die Richental-Chronik. „Schon während das Konzil ablief, war den Konstanzern bewusst, dass sie es durch den Kongress auf die Weltbühne geschafft hatten“, sagt Hansjörg Brem. „Der eigene Chronist sollte diesen Ruhm verbreiten.“ Der Plan ging auf. Die Richental-Chronik wurde oft kopiert, viele Menschen wollten lesen und auf Bildern betrachten, wie die zum Teil exotischen Kleriker sich präsentierten und welche unerhörten Begebenheiten sich zugetragen hatten. „Die Verbrennung eines prominenten Ketzers wie Jan Hus war auch im späten Mittelalter keine alltägliche Sache.“ Nach der Erfindung des Buchdrucks Ende des 15. Jahrhunderts gehörte die Chronik zu den ersten gedruckten Büchern. So hat sie ihren Teil zur Reformation beigetragen.
Nicht nur Öpfelringli und PlaymobilDie aktuellen Anstrengungen zum Jubiläum sieht Kantonsarchäologe Hansjörg Brem durchaus kritisch. „Wir müssen aufpassen, dass die Veranstaltungen von ‚Konzil Thurgau’ mehr werden als Tourismusförderung und Agromarketing.“ Auch wenn der Thurgau schon vor 600 Jahren der Lieferant von Milch und Honig für die Konstanzer gewesen sei, dürfe man heute nicht nur an den Mehrverkauf von Öpfelringli denken. Auch einen Seitenhieb auf die Kollegen jenseits der Grenze kann er sich nicht verkneifen. Die Playmobil-Ausstellung in Archäologischen Landesmuseum in Konstanz sei zweifelsohne liebevoll gemacht und ein absoluter Publikumsmagnet. „Aber ob die Tschechen es angemessen finden, ihre Ikone Jan Hus als Plastikmännchen dargestellt zu finden, ob ein gläubiger Katholik einen Playmobil-Papst sehen möchte, das sei dahingestellt.“ Brem selbst hat sich wissenschaftlich dem Thema genähert und an der Buchreihe „Der Thurgau im späten Mittelalter“ mitgearbeitet. Die Vernissage des ersten Bands findet am 23. Mai in Tägerwilen statt. (inka) |
Die kleine Ausstellung im Seemuseum Kreuzlingen ist zu den normalen Öffnungszeiten Mittwochs, Samstags und Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr zu sehen.
Von Inka Grabowsky
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