Seite vorlesen

Zwischen Heimat und Welt

Zwischen Heimat und Welt
Neu gestaltet: Alex Meszmer (links) und Reno Müller haben Vitrinen für ihr Transitorisches Museum in Pfyn neu bestückt. Zu sehen sind sie in der neuen Ausstellung "Wie wir leben" | © Michael Lünstroth

Ran ans Leben, ran an die Menschen. Das ist das Motto des Transitorischen Museums in Pfyn. Was das bedeutet kann man bei der aktuellen Sommerausstellung erleben

Von Michael Lünstroth

Wer das Transitorische Museum in Pfyn sucht, der muss ein bisschen findig sein. Das Museum ist mehr Idee denn geografischer Ort, es entsteht immer wieder neu in den Köpfen der Macher und den Gedanken der Besucher. 2006 haben die beiden Künstler Alex Meszmer und Reto Müller das Konzept kreiert. Der Begriff „transitorisch“ gefiel ihnen, weil er klar machen sollte, dass es sich bei dem Museum nur um etwas Vorübergehendes handelt. Dass es das Museum 11 Jahre nach Gründung immer noch geben würde, hatten sie ursprünglich eigentlich nicht geplant. Ziel war es damals einen Ort zu schaffen, der Wissen vermittelt und Geschichte(n) lebendig werden lässt. Und auch an die Historie von Pfyn anknüpft. „Das Transitorische Museum lebt und hinterfragt Geschichte parallel zu seiner eigenen Entstehung und involviert die Menschen in einen Geschichtsprozess“, beschreibt Alex Meszmer den Zweck des Museums.

Dazu haben sie vor allem eines gemacht - mit den Menschen in Pfyn gesprochen und ihre Geschichten in Video-Interviews dokumentiert. Das ist das Herz von zeitgarten.ch, der Plattform mit der Meszmer und Müller auch das Museum betreiben. Zu diesen Interviews gesellen sich immer wieder unterschiedlichen Formen: Gesprächsreihen, zeitgenössische Kunst, Ausstellungen archäologischer Funde aus der Region. Denn auch das war ein Grund für die Einrichtung des Museums - seit dem das Dorfmuseum Ende der 1980er Jahre geschlossen wurde, fehlte ein Ort, um die Funde aus den archäologischen Grabungen zu zeigen. Und dabei hat ja gerade da Pfyn einiges zu bieten: 1944 wurde die Pfahlbausiedlung Pfyn Breitenloo von internierten polnischen Soldaten unter der Leitung von Karl Keller-Tarnuzzer grossflächig ausgegraben. Sämtliche Exponate waren nach der Schliessung des Dorfmuseums ins Museum für Archäologie nach Frauenfeld gewandert. Inzwischen kooperieren beide Museen miteinander.

Die Archäologie als Vorbild für die Künstler

Und so kombiniert auch die neue Sommerausstellung „Wie wir leben“ (zu sehen vom 11. bis 13. August, 14 bis 19 Uhr) archäologische Funde mit der Geschichte des Dorfes und dem Leben der Menschen vor Ort. „In der Form orientiert sich die Ausstellung am alten Pfyner Museum im Schulhaus und integriert Teile aus der digitalen Sammlung“, erklärt Alex Meszmer. Die Sammlung in der Trotte (dort sind auch die Überreste der alten römischen Stadtmauer zu sehen) war auch schon in die Jahre gekommen und wurde nun neu gestaltet von Meszmer und Müller. Alles steht jetzt unter der Frage: Wie hat man in und um Pfyn zu verschiedenen Zeiten gelebt? 

Zu sehen gibt es dazu unter anderem Fotos und Funde aus dem Pfyner Alltag kombiniert mit zum Beispiel Überresten eines Hirsches aus der Steinzeit, verschiedenen Beilen, Werkzeugen und Pfeilspitzen. In zwei Rollvitrinen wird Geschichte auch anfassbar - einzelne archäologische Funde kann man selbst in die Hand nehmen, anfühlen und so ein ein bisschen spüren, wie das Leben vor Jahrhunderten und Jahrtausenden gewesen sein könnte.

art-tv.ch hat 2011 einen Beitrag über das Museum gedreht

Die Nähe zur Archäologie suchen die beiden Künstler nicht zufällig. „Für uns ist die Archäologie mit ihren Bemühungen um die Rekonstruktion des Alltags auch ganz normaler Leute ein Vorbild“, sagt Meszmer. Damit fühlen sie sich auch wohler als mit all den verschwurbelten und akademischen Höhenflügen zeitgenössischer Kunst. „Ich sehe jedenfalls keinen Reiz in dieser Elitisierung der Kunst“, sagt Meszmer, der auch im Zentralvorstand des Künstlerverbandes Visarte sitzt. Meszmer und Müller verfolgen einen gänzlich anderen Ansatz, sie wollen die Kunst und das Leben zusammenbringen und dabei auch immer die Frage stellen, wie ein Objekt Bedeutung bekommt und wer ihm diese Bedeutung zuschreibt.

Ist das Transitorische Museum also nicht eigentlich nur ein Heimatmuseum? Alex Meszmer muss lachen, als er das hört. „Das haben am Anfang auch viele gesagt und wir fanden das nicht angemessen. Aber inzwischen gefällt uns die Beschreibung eigentlich ganz gut.“

 

Termine: Die Ausstellung "Wie wir leben" ist noch vom 11. bis 13. August 2017, jeweils zwischen 14 und 19 Uhr, zu sehen oder nach Vereinbarung per Mail info@zeitgarten.ch 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Wissen

Kommt vor in diesen Interessen

  • Vorschau
  • Geschichte

Werbung

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

„Der Thurgau ist ein hartes Pflaster!“

Wie ist es im Kanton für junge Musiker:innen? Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen!

Eine verschleierte Königin

Einblicke ins Leben der Künstlerin Eva Wipf: Hier geht's zu unserer Besprechung der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau.

Was bedeutet es heute Künstler:in zu sein?

In unserer Serie «Mein Leben als Künstler:in» geben dir acht Thurgauer Kulturschaffende vielfältige Einblicke!

«Kultur trifft Politik» N°I

Weg, von der klassischen Podiumsdiskussion, hin zum Austausch und zur Begegnung. Bei der ersten Ausgabe am Mittwoch, 27. November geht es um das Thema "Räume".

15 Jahre Kulturkompass

Jubiläumsstimmen und Informationen rund um unseren Geburtstag.

#Kultursplitter im Oktober/November

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

Kulturplatz-Einträge

Kulturorte

Transitorisches Museum zu Pfyn

8505 Pfyn

Ähnliche Beiträge

Wissen

Wie der Alltag museumsreif wurde

Seit zehn Jahren wird Geschichte im Thurgau neu geschrieben: Ein Webarchiv bündelt Erinnerungen von Menschen, die hier leben. Zum Jubiläum gibt es einen Thementag.   mehr

Wissen

Die Entdeckung des Raums

Mit seiner neuen Ausstellung „Volldampf & Würfelglück“ zeigt das Kreuzlinger Seemuseum einmal mehr wie experimentierfreudig es in der Vermittlung von Wissen ist. Spass ist dabei ein zentrales Element. mehr

Wissen

Gab es die Päpstin wirklich?

Facetten des Mittelalters (4): Nicht alles, was in alten Chroniken steht, stimmt. Aber manchmal macht man dort ganz erstaunliche Entdeckungen. mehr