von Inka Grabowsky, 28.02.2017
Die freche kleine Schwester
Die Stadt Kreuzlingen hat nach fünfjähriger Vorbereitung ihren ersten Kulturbericht vorgelegt. Er soll Grundlage sein für ein Kulturkonzept, das spätestens Anfang 2018 fertig sein soll.
Von Inka Grabowsky
„Wer wissen will, wie es in Zukunft weitergehen soll, braucht zunächst einen Zustandsbericht", sagt Kurt Schmid, der im Auftrag der Stadt eben diesen Bericht (der komplette Bericht steht am Ende des Textes zum Donwload zur Verfügung) geschrieben hat. Schmid war Dozent an der PHTG, hatte unter anderem die Kulturstiftung lanciert und als Vorstandsmitglied der Thurgauischen Kunstgesellschaft den Kunstraum initiiert – er ist also im Bereich der lokalen Kulturszene einigermassen sattelfest. Für seine Aufgabe bezog er sich auf Ergebnisse von vier Arbeitsgruppen zu den Themen Museen, Kulturzentrum, Kulturangebote und Kommunikation, die Kreuzlinger Kulturschaffende und Kulturanbieter 2012 zusammengetragen hatten.
„Ich habe mehr als einen reinen Forderungskatalog aufgeführt", sagt er. „Es galt, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, welcher Handlungsbedarf aus der Standortbestimmung erwächst." Hin zum urbanen Klima „Kreuzlingen hat sich in den vergangenen elf Jahren seit dem Freizügigkeitsabkommen stark entwickelt", meint der Autor. Durch rund 5000 Zuzügler und den Bauboom könne man nicht länger von einer Gartenstadt sprechen, die aus Einfamilienhäusern im Grünen bestehe, sondern müsse von einer Wohnstadt ausgehen, in der Menschen mit urbanen Ansprüchen lebten.
Die Kulturförderung soll neu aufgestellt werden
„Früher reichte die typisch ländliche Kulturförderung: Ehrenamtlich arbeitende Kulturschaffende stellen ein Gesuch, die Stadt gewährt ihnen von Fall zu Fall Zuschüsse. Städtische Kulturförderung bedeutet: die Stadt pflegt die Kultur ebenso wie sie Strassen oder Grünanlagen pflegt – als Teil der Infrastruktur." Kreuzlingen hätte derzeit kein spezielles kulturelles Profil. Es sei viel los, aber das Angebot sei zersplittert. „Wenn man ein Kulturzentrum schüfe, könnte man mehreren Herausforderungen gleichzeitig begegnen. Die Stadt könnte ihr kulturelles Profil stärken und ausserdem die vielen Angebote besser zur Geltung bringen."
Die grosse Nachbarstadt Konstanz hatte ihre Kulturanalyse unter Berücksichtigung von Kreuzlingen vor exakt einem Jahr vorgestellt. „Darin wird uns bescheinigt, dass wir die Kultur noch nicht als weichen Standortfaktor wahrnehmen", zitiert Kurt Schmid. Kreuzlingen sollte seiner Meinung nach in die Kultur investieren, um die Einwohner zu integrieren und um die Identifikation mit der Stadt zu fördern. Die Zuzügler hätten durch ihre Steuerzahlungen massgeblich zur wirtschaftlichen Entwicklung Kreuzlingens beigetragen, meint Schmid. „Nachhaltig ist die Entwicklung aber nur, wenn sich die Bewohner wohlfühlen und bleiben."
Der ursprüngliche Zeitplan geriet ins Stocken
Da das Erstellen des Berichts aufgrund einer zwischenzeitlichen „Atempause" länger als erwartet gedauert hat, sind inzwischen einige Punkte schon erledigt. Die Professionalisierung der Museen ist beschlossen und zum Teil umgesetzt. „Auch im Bereich Kommunikation sind wir weiter", sagt die Stadträtin für Gesellschaft Dorena Raggenbass. „Allerdings muss man hier immer dranbleiben." Ziel ist es, dass Interessenten aus der Region – also auch aus Konstanz – sich zentral über Ereignisse in der Stadt informieren können. Ein Label „Kultur in Kreuzlingen", mit dem Slogan „Die freche kleine Schwester" soll die Sichtbarkeit auch in der Nachbarstadt mit ihren 80.000 Einwohnern erhöhen. „Schon jetzt kommt ein Viertel bis die Hälfte der Zuschauer über die Grenze zu uns", sagt Margret Maier-Ammann als Vertreterin des Kulturdachverbands. „Aber das ist natürlich ausbaufähig."
Derzeit werden parallel auf Basis des Kulturberichts zwei Konzepte erarbeitet. Zum einen geht es um die Frage, wie die Stadt Kultur fördern kann und sollte. Zum anderen steht ein Nutzungs- und Betriebskonzept für ein Kulturzentrum auf dem Schiesser-Areal zur Diskussion.
Befürchtungen, durch das Zentrum würde die Vielfältigkeit der Kulturszene leiden, hat Dorena Raggenbass nicht. „Es würde ja keinesfalls alles hier stattfinden. Es gäbe lediglich neue Räume für bestehende Institutionen wie beispielsweise das Z88 oder das Theater an der Grenze." Deshalb hielten sich auch die Mehrausgaben für die Steuerzahler im Rahmen. Eine Umlagerung und Erhöhung der Kulturausgaben sei im Finanzplan der Stadt schon ausgewiesen. „Wir wollen nichts Neues finanzieren, sondern Bestehendes konzentrieren." Bevor das Volk über ein von der Stadt getragenes Kulturzentrum befindet, sei aber noch einiges an Image- und Lobby-Arbeit nötigt.
Weiterlesen: "So wird das nichts": Einen Kommentar zum Kulturbericht können Sie hier lesen
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