von Kathrin Zellweger (1948-2019), 16.03.2014
20 Jahre Cinema Luna

Zehn Leute und eine Idee, ausgeheckt zu später Stunde in einer Beiz. Das war 1994 die Geburtsstunde des Cinema Luna in Frauenfeld und gleichzeitig der Anfang einer Erfolgsgeschichte. Immer mit dabei war Christof Stillhard – fast immer als Programmverantwortlicher.
Kathrin Zellweger
Auch 2013 schwang das Cinema Luna mit seinem Besucherzuwachs wieder oben aus, während die Schweizer Kinos das letzte Jahr als das schlechteste seit langem bezeichneten. „Eigentlich überrascht mich unser Erfolg nicht. Wir haben immer gewusst, was wir wollten, und sind unserem Konzept treu geblieben: Wir zeigen Autorenfilme und Schweizer Filme, aber keine amerikanischen Blockbusters. Es freut mich, dass wir immer noch wachsen und jetzt am neuen Ort dafür auch genügend Platz haben“, sagt Christof Stillhard, der seit 17 Jahren für die Programmation in Cinema Luna verantwortlich ist.
In der strukturlosen Anfangszeit Ende der Achtzigerjahre, aber mit anarchischem Elan und naiver Kühnheit organisierte eine bunte Gruppe von Filmbegeisterten Filmnächte, Openair-Kinos und das Rollende Kino. 1991 gründeten sie den Verein Frauenfelder Filmfreundinnen und –freunde FFF. Mehr rhetorisch fragten sich die Mitglieder: Weshalb betreiben wir nicht gleich ein Kino, wenn wir doch erfolgreich Kinonächte organisieren können? Rund zehn Personen, darunter auch Stillhard, machten sich auf die Suche nach einen geeignetem Lokal. Hätte sie jemand ermahnt, um Himmelswillen zuerst einen Businessplan zu erstellen, sie hätten kaum gewusst, wovon die Rede ist.
Steiler Weg nach oben
1994 entstand das Cinema Luna mit seinem ersten Zuhause: in einem alten Coiffeursalon an der Bahnhofstrasse, mit unbequemen Sitzen in zu engen Reihen. Alles passend zu jener Gründerstimmung, zu der man sich entweder magisch hinzugezogen fühlte oder von der man sich skeptisch, weil zu links und zu politisch, abwandte. Pro Jahr wurden etwa 90 Filme gezeigt. Es gehörte zum Geist und Selbstverständnis des Unterfangens, dass alles ehrenamtlich erledigt wurde und dementsprechend manchmal charmante, manchmal ärgerliche Fehler passierten. „Wir probierten aus, fielen auf die Nase, standen auf und machten weiter“, erzählt Stillhard, der schon im ersten Vorstand sass und auch heute noch dazugehört.
Fast so steil wie die Treppe zum damaligen Vorführraum hinunterführte, ging es mit dem jungen Studiokino aufwärts. Zehn Mal hintereinander, bis der Preis nach 2006 nicht mehr vergeben wurde, wurde das Cinema Luna für die beste Kino-Programmation der Schweiz, Sparte Landkino, ausgezeichnet. Eine Ehre, die auch und vor allem Christof Stillhard geschuldet ist. Seine Auswahl wurde auch letztes Jahr wieder belohnt: 17‘000 Besucher sahen sich im Cinema Luna 180 Filme an.
Grenzen der Belastbarkeit
Die unorthodoxen Anfangsjahre sind Geschichte. Das „Luna“ ist nicht nur volljährig geworden, sondern auch erwachsen. Stillhard ist froh, dass die Vorstandsarbeit, die bis vor zwei Jahren hauptsächlich auf dem Geschäftsführer Kaspar Widmer und ihm ruhte, heute breiter abgestützt ist. „Der Umbau beziehungsweise Neubau an der Lindenstrasse 11 hat von uns einen Einsatz gefordert, den ich nicht mehr leisten wollte und könnte. Wir kamen in vielerlei Hinsicht an unsere Grenze.“ In den 2011 bezogenen neuen Räumen ist von der Technik bis zu den Kinositzen alles perfekt, professionell und verlässlich. Der Charme des Vorläufigen und Unbekümmerten, welcher im alten „Luna“ bei jeder Vorstellung dazugehöre, ist verschwunden. Bloss hinter der Theke läuft nicht immer alles wie am Schnürchen, weil es – wie erfreulich! – immer noch Vorstandsmitglieder und andere Helfende sind, die aus Liebe zu diesem Studiokino ehrenamtlich ihren Dienst versehen. Bloss die Operateure, die Geschäftsführerin und der Programmverantwortliche werden für ihre Arbeit bezahlt.
Publikum ist anspruchsloser geworden
Trotz seiner Erfolgsgeschichte muss das Cinema Luna an die Zukunft denken. Erst recht, nachdem sich der Verein am neuen Ort im wahrsten Sinn bis zum Letzten verausgabt hat. Das Stammpublikum, das ebenfalls um 20 Jahre älter geworden ist, muss ergänzt werden mit jungen Leuten, welche die beiden Säle füllen helfen. „In den Neunzigerjahren bot uns das Kino ein Fenster, um neugierig und experimentfreudig auf die Welt zu schauen. Heute, mit Fernsehen und Internet, liegt der Reiz des Kinos im Gemeinschaftserlebnis, weniger in der Vorfreude auf ein cineastisches Wagnis.“ Erstaunlich ist, dass das Urteil des Publikums über die Jahre nicht etwa radikaler und kompromissloser geworden ist, sondern anspruchsloser. „Ich beobachte auch an mir, dass ich thematisch breiter und qualitativ grosszügiger geworden bin“, gibt der 50-Jährige zu. Das könne man als qualitative Anspruchslosigkeit beklagen; auf der anderen Seite aber entstünden heute dank billiger Videokameras Filme, die sonst nie gedreht worden wären und die sich trotz technischer Mängel anzuschauen lohnten. „Für einen guten Film ist das Drehbuch, der Plot, das Entscheidende. Die beste Regie und die talentiertesten Schauspieler machen aus einem schlechten Drehbuch keinen guten Film. Am liebsten sind mir glaubhafte Lebensgeschichten. Wenn sie von Jane Campion, Isabelle Coixet oder Woody Allen erzählt werden, dann sind das filmische Glanzlichter.“
Erfolge, die glücklich machen
Einer der Gründe, dass Christof Stillhard sich eine fast altmodische Treue zu seinem Cinema Luna bewahrt hat, liegt darin, dass seine filmischen Vorlieben immer im Einklang mit dem Konzept standen. „Ans Aufhören habe ich immer mal wieder gedacht, obwohl ich mir gar nicht vorstellen kann, wie das konkret wäre. Vielleicht habe ich die Latte zu hoch gesetzt.“ Von welcher Latte redet er: von jener für seine Nachfolge oder von seinem Anspruch an das, was er selbst mit dem Cinema Luna noch erreichen will? „Die Luna-Erfolge sind teilweise auch meine persönlichen Erfolge, denen ich viele glückliche Momente verdanke.“
***
Feier zum 20. Geburtstag, vom 24. bis 26. Oktober 2014: Freitag und Samstag wird der Stummfilm Nosferatu (W.F. Murnau) gezeigt, live untermalt von der Frauenfelder Band Franky Four Fingers; am Sonntag wird eine Serie von Vorpremieren geboten.
Zur Person
Christof Stillhard, 50, ist seit 1997 Programmverantwortlicher im Cinema Luna und letztes noch im Vorstand verbliebenes Gründungsmitglied. Nebst seinem 20-Prozent-Pensum im Cinema Luna arbeitet er als Kulturbeauftragter der Stadt Frauenfeld. Seine cineastische Begeisterung lebte er schon zur Kantonsschulzeit im Jugendfilmkreis aus. Das notwendige Wissen eignete er sich während 15 Jahren als freischaffender Produktionsleiter von Kinofilmen an. Später war er als Herstellungsleiter beim Schweizer Fernsehen für Spielfilme und Serien zuständig. – Stillhard ist in der Jury für Förderbeiträge, welche die Kulturkommission des Kantons Thurgau vergibt (). Auch in der Zürcher Filmstiftung amtet er als Jurymitglied, Sparte Fiktion. – Er lebt mit seiner Frau und den zwei Kindern in Frauenfeld.

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