von Inka Grabowsky, 11.11.2021
Kunst im Dialog
Im Museum Kunst + Wissen in Diessenhofen treten Werke des Malers Gian Gianotti und des Holzbildhauers Adrian Bütikofer miteinander in Beziehung – und ausserdem erlauben sie eine neue Perspektive auf ausgewählte Gemälde von Carl Roesch. (Lesedauer: ca. 3 Minuten)
„Man schaut über den eigenen Tellerrand und sieht plötzlich mehr“, sagt die Leiterin des Museum Kunst und Wissen, Lucia Angela Cavegn. Deshalb hat sie Gian Gianotti und Adrian Bütikofer eingeladen, gemeinsam die Räume des Museums am Rhein zu bespielen. „Es gibt eine Spannung zwischen Skulptur und Bild“, freut sie sich nun. „Die Kraft und die Energie von Gian Gianottis Bildern finden sich in den Skulpturen von Adrian Bütikofer wieder.“
Während Gianotti sich oft mit Naturphänomenen auseinandersetzt und Regen, Schneegestöber oder Windböen mit intensiven Farben auf die Leinwand bringt, zeigt Bütikofer vor allem grosse Arbeiten, bei denen er aus einem gewachsenen dicken Baumstamm mittels Motorsäge und Schleifpapier filigrane und zarte Gebilde freilegt.
Anfassen ist ausdrücklich erlaubt
Meist wird das Holz anschliessend abgebrannt, um die Strukturen der Maserung noch hervorzuheben. Überdimensionale Handschmeichler entstehen so. „Man darf sie durchaus anfassen“, ermutigt der Zürcher.
Das Museum hat drei Stockwerke. Neben der Eingangsebene steht Gianotti und Bütikofer auch das zweite Untergeschoss für ihre „In Duos“-Präsentation zur Verfügung. Dort finden die grossformatigen Gemälde „Luberon 1 und 2“ aus dem Jahr 2012 genug Platz. Gianotti thematisiert einmal die Sonne durch ihr Licht auf ein Kornfeld und einmal das Wasser durch einen Sumpf.
Gemälde treffen auf Grossplastiken
„Mir geht es um eine Reduktion des Ausdrucks, es ist noch keine Abstraktion“, sagt er. Die findet sich dann im gerade Entstandenen „Nr 21-01-2“. Bütikofer stellt den Gemälden seine grossen Plastiken „Turn around 1 und 2“ gegenüber. Auch sie sind aus dem Jahr 2012. Stabil und voller Spannkraft drehen sie sich um sich selbst und werfen ihre Schatten an die Wand. „Wir lassen uns gegenseitig genug Raum“, findet Gian Gianotti.
Unterschiedliche Herangehensweisen bei „In Tres“
Im ersten Untergeschoss kommt zu Bütikofer und Gianotti als dritter Akteur Carl Roesch dazu. Er hatte Anfang des 20. Jahrhunderts in den heutigen Räumen des Museums Kunst + Wissen sein erstes Atelier, weshalb ihm hier eine Dauerausstellung gewidmet ist.
Im zentralen Bereich der Ausstellung „In Tres“ standen der Bildhauer und der Maler vor der Aufgabe, unter anderem zum Roesch-Bild „Spaziergänger an Rhein mit Baum“ aus dem Jahr 1964 eine Antwort zu finden. Während Adrian Bütikofer mit einer Stele die Baumstruktur aufnimmt, hat Gian Gianotti das Thema Spaziergang in zwei eigens gemalten Werken mit dem Titel „Zum SchattenGrün“ wiederaufgenommen. „Ich kann nachvollziehen, was Roesch gemeint hat“, sagt er.
Der Baum als Schutzraum und Schattenspender
Roeschs Baum wird bei Gianotti zum grünen Naturraum. „Für mich ist ein Baum nicht ein Gerüst, sondern ein Ziel, ein Schutzraum, ein Schattenspender. Es war ein Wagnis für mich, einen Baum zu malen. Ich habe mich verführen lassen, für diese Bildversionen konkreter zu werden.“
Im zweiten Saal hat Gastkuratorin Tildy Hanhart aus den Bildern von Roesch diejenigen herausgesucht, die zu Gianottis Gemälden passen. Mal liess sie sich von der Farbstellung, mal von der Struktur leiten. „Gians Farbraum trifft hier auf Roeschs Landschaftsraum“, sagt Lucia Angela Cavegn. „Es gab intensive Diskussionen, bis wir die richtigen Kombinationen gefunden hatten.“
Gegenüber im dritten Saal zeigt Adrian Bütikofer, was er aus den vielfältigen Darstellungen von Begegnungen bei Roesch herauszieht. Inspiriert hatte ihn zunächst „Zwei Frauen mit Kopftüchern und Schürzen“. „Ich wollte die Energie festhalten, die bei dem Treffen frei wird“, kommentiert der Bildhauer seine „Begegnung“, die er für die Ausstellung aus dem Holz fräste. Tildy Hanhart ergänzt das durch weitere Roesch-Bilder von menschlicher Interaktion.
Inspiration durch Konzentration
Die beiden Künstler kannten sich vor ihrer Diessenhofener Kooperation nicht. Auch Carl Roesch sei für ihn bisher nicht wichtig gewesen, so Adrian Bütikofer. „Ich wusste gerade mal, dass es ihn gibt. Nun fand ich es spannend nachzuvollziehen, wie er sich von der figürlichen zur abstrakten Darstellung entwickelt hat.“
Gian Gianotti setzt sich seit zwei, drei Jahren mit Roeschs Werk auseinander. „Es gibt Dinge, die mich faszinieren. Man sieht bei ihm das Schaffen im Werk – erkennt die Grundierungen oder kann sich von der Farbstruktur etwas erzählen lassen.“ Prinzipiell sei er dankbar für die Anregung gewesen. „Wir Künstler geben uns selbst ja sonst jeweils ein Thema, suchen einen Inhalt, bestimmen die Form.“
Bütikofer stimmt zu: „Es kann einen einschränken, wenn man zu einem anderen Künstler arbeitet, wie ich es bei der ‚Begegnung‘ getan habe. Aber wenn man gerade den Kopf frei dafür hat, ist es interessant. Plötzlich erkannte ich, dass einige von Roeschs Werken im Einklang zu meinen Arbeiten stehen.“ Diese Erkenntnis kann man noch bis zum 19. Dezember im Museum Kunst + Wissen teilen.
Das Rahmenprogramm der Ausstellung
21. November 2021, 11 Uhr: Gastkuratorin Tildy Hanhart moderiert ein Gespräch der Künstler
Adrian Bütikofer ist am 5. Dezember anwesend, Gian Gianotti am 12. Dezember.
8. Dezember 2021, 19 Uhr, Lesung: „Der erste Schnee“ von Erna Heller mit Martin Harzenmoser
Finissage 19. Dezember, 16 Uhr.
Das Museum Kunst + Wissen ist Fr/Sa/So jeweils 14 – 17 Uhr geöffnet, Eintritt frei.
Von Inka Grabowsky
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