26.11.2018
Soundtrack einer Generation

L. A. Salami besingt seine Generation so leichtfüssig wie tiefsinnig – und wird stets mit Bob Dylan verglichen. Am 27.November spielt er im Kultuladen Konstanz. Ein Gastbeitrag von Lukas Lampart.
Was wie ein hippes Pseudonym für einen Künstler klingt, ist keines: L. A. Salami heisst mit vollem Namen Lookman Adekunle (nigerianisch: Die Krone kehrt in das Haus zurück) Salami, hat nigerianische Wurzeln und ist in Südlondon aufgewachsen. Und er macht Musik, die nachhallt. Irgendwo zwischen Modern Blues und Singer-Songwriter, zwischen Babyshambles und Bob Dylan.
Eben ist sein zweites Album, «City of Bootmakers», erschienen. Der 28-Jährige hat einen wortgewandten Soundtrack einer Generation geschrieben, für die Prekariat kein Fremdwort ist und (politische) Krisen zum Alltag gehören. In «Generation L(ost)» besingt er eine desillusionierte Generation, die unbeirrt weitermacht, als wäre nichts geschehen. «I’m thoughtless, but I’ve got a lot on my mind.» Dazu sorgen Schlagzeug und Rhythmusgitarre für Tempo. Verloren, aber tanzen. Verzweifelt, aber feiern. Das klingt sarkastisch und unvereinbar, ist aber so leichtfüssig wie tiefsinnig. Es trifft das Gefühl einer Generation kurz vor 30 wohl ziemlich präzis.
Übertünchte Widersprüche
Ähnlich wirkt «England Is Unwell». L. A. Salami singt von Migration, von der Hoffnung auf Neuanfang. Es ist ein fröhlicher Song, der zum Schunkeln einlädt. Wären da nur nicht die Zeilen, die von Ungleichheit, von Frustration, von Feindseligkeiten und Enttäuschungen erzählen: «They are so frustrated ’cause England means honour and generosity. But they’re a walking contradiction ’cause they’re full of so much hostility.»
L. A. Salami singt mit einer ansteckenden Leichtigkeit, die die Widersprüchlichkeit übertüncht. Das irritiert. Darf man dazu freudig tanzen? Darf man mit dem Hintergrundgesang fröhlich mitsummen?
In «Terrorism! (The ISIS Crisis)», dem wohl politischsten Song, verarbeitet der junge Musiker Eindrücke des islamistischen Terrors. Er seziert die Instrumentalisierung des Terrors durch westliche Politiker («And ‹I’ll kick out all terrorists› sounds great in a political debate»), sinniert über Bomben als Antwort auf Anschläge, über die Beseitigung von Diktatoren, über das Hinwegsehen und Hinsehen.
Mit nur einer gebetsartig wiederholten Phrase («The ISIS Crisis») im Refrain treibt der Song vorwärts und lässt einen am Ende mit so vielen Fragen wie Antworten zurück. Das ist irrsinnig, irrsinnig gut. Mit «City of Bootmakers» ist ihm ein eindrückliches zweites Album gelungen, zumal er erst mit 21 Jahren zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand hielt.
Loslassen und ankommen
L. A. Salami ist ein Geschichtenerzähler und gleichsam ein Analytiker. Er kritisiert eine Generation, deren Teil er ist. Ein moderner Bob Dylan, wie man immer wieder liest. Aber wendig und energiegeladen. Denn die Songs von L. A. Salami sind tanzbar, sie fesseln. Das hebt ihn von Bob Dylan ab, der seine Zuhörer auffordert, seine Songs zu entdecken. L. A. Salami verlangt mehr: zuhören und tanzen. Euphorie und Besinnung. Loslassen und ankommen.
Ende Oktober spielte L. A. Salami im Papiersaal in Zürich. Es war sein erstes Schweizer Konzert als «main act». Mit seiner markigen Mähne spielte er ohne Firlefanz und verzichtete auf unnötige Technik. Im kleineren Rahmen lieferte er ein intimes, aber sehr intensives Konzert ab. Auch die Band fühlte sich im Papiersaal wie zu Hause: Warum Schuhe anziehen, wenn man auch in Socken oder barfuss spielen kann?
Der Band gelang es, das Publikum in Bewegung zu bringen, und gleichsam zu bändigen. Die Wechsel zwischen markigen und leisen Songs funktionierten gut. Doch die Momente, in denen der 28-jährige Musiker solo mit seiner Gitarre und seiner Mundharmonika ansetzte, waren die eindrücklichsten. Der letzte Song, «My Thoughts, They Too Will Tire», wirkte schon fast sakral.
L. A. Salami: «The City of Bootmakers». London, Sunday Best Recordings (2018). Das Konzert im Konstanzer Kulturladen beginnt um 21 Uhr (Einlass: 20.30 Uhr). Tickets kosten 19 Euro an der Abendkasse.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung (BaZ).
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