von Rolf Müller, 05.07.2014
„Schwarzes Gold“ optimal auf Kurs

Der Uraufführung des Freilichtspiels um Öl, Heimat und Liebe am 25. Juli in der Diessenhofer Badi St. Katharinental steht nichts im Weg. Regisseurin Caduff ist gelassen. Auch, weil der Vorverkauf gut angelaufen ist.
Rolf Müller
Die zweistöckige Bühne direkt am Rhein mit dem symbolträchtigen Bohrkran erhält derzeit den letzten Schliff. Die 36 Darstellenden probten seit Februar mehr als 70 Mal. Der Text sitzt. Auch die rund 40 Helferinnen und Helfer aus den Bereichen Technik, Maske und Catering wissen, was zu tun ist. Verantwortlich dafür ist die Regisseurin, Drehbuchautorin, Produktions- und künstlerische Leiterin: Gabriele Caduff.
Frau Caduff, gegen 100 Personen, die meisten Darstellenden sind Laien, innert sechs Monaten zur Bühnenreife zu bringen… Das ist wie ein Sack Flöhe hüten?
Ein bisschen. Unsere Darstellerinnen und Darsteller hatten und haben eine anspruchsvolle Aufgabe; sie mussten teilweise sehr viel Text lernen, oft zur Probe kommen und diszipliniert sein. Das haben sie sehr gut gemacht. Wegen der vielen Beteiligten ist das Schlimmste an meinem Job aber etwas ganz anderes: man muss immer schreien, damit man gehört wird (lacht). Es ist ein Schrei-Job.
Das Thema von „Schwarzes Gold“ mit Öl und Macht, Geld, Gier und Korruption mutet ein wenig an wie ein Mix aus der TV-Serie „Dallas“ und Dürrenmatts Besuch der alten Dame...
… so, finden Sie? Interessant. Auf jeden Fall geht es um aktuelle Themen wie das Fracking, einer umstrittenen Methode, mit der im imaginären Städtchen Rheinhofen Öl gefördert werden soll. Und darum, was sprudelnde Quellen und damit Geld in einer Gemeinschaft bewirken können.
Business first: Rahel Fischer als Nathalie Killing, CEO einer grossen Ölfirma.
Im realen Diessenhofen und weit darüber hinaus jedenfalls begeisterte die Idee der Wiederauferstehung von Festspielen im Städtchen eine breite Masse. Wie das?
Mit meinem Lebenspartner Rolf Riedweg, dem technischen Leiter von ‚Schwarzes Gold‘, wirte ich im Restaurant Löwen in Diessenhofen. Gäste erzählten uns immer wieder von den Festspielen, die hier zwischen 1900 und 1930 mit grossem Erfolg stattfanden. So entstand 2012 die Idee für ein Stück…
… was sich ja auch anbot, weil Sie mit „Wie einst Oliver Twist“ 2010 in Stein am Rhein und 2011 in Schaffhausen ein Theaterstück mit Laiendarstellern erfolgreich auf die Bühne brachten.
So klar war das nicht von Anfang an. Aber tatsächlich zündete die Idee, die sich aus den Diskussionen ergab, genug, dass sich verschiedene Personen dafür interessierten und eine Vereinsgründung nach sich zog. Am Jahrmarkt im November 2012 hatten wir einen Infostand und warben um Mitglieder. Unterdessen zählt der Verein schon weit über 100 Personen. Der Verein delegierte die Produktion an ein Organisationskomitee, unser Produktionsteam, welches sechs Personen umfasst.
Wann wurde die Realisierung konkret?
Als die Finanzierung mehr oder weniger gesichert war, im September 2013. Zu dieser Zeit hatte ich auch das Drehbuch fertiggeschrieben. Dann folgte das Casting für die Schauspieler. Im Februar 2014 starteten die Proben, die Musik wurde geschrieben, weitere Sponsoren gesucht… viele Dinge.
Grosse Gefühle im Wirbel der Ereignisse: Andrea Viaricci als Hannah Berger und Claus Gerstmann als Peter Anderson.
Wie kamen Sie auf Öl und Fracking?
2012 las ich eine Biographie von Marc Rich, dem umstrittenen Rohstoffhändler, der oft unter Umgehung von Sanktionen an kaufkräftige Länder geliefert hatte. Gleichzeitig wurde das Fracking zur Gasgewinnung im Bodensee ein Thema. Ich recherchierte, und so verdichteten sich die Themen zum Drehbuch von ‚Schwarzes Gold‘, das ich dann innert zwei Monaten geschrieben habe.
Wie bringen Sie zeitlich alles unter einen Hut? Den "Löwen" gibt es ja auch noch.
Unsere Kulturstube haben wir seit Mai für die Zeit des Engagements am Festspiel geschlossen. Und alles andere muss einfach gehen. – Ich liebe es! Ideen haben, diese mit anderen Menschen umsetzen, organisieren, am Schluss ein Schauspiel mit Musik aufführen – herrlich!
Das Budget
„Schwarzes Gold“ verfügt über ein Budget von 400‘000 Franken. Seitens Kulturförderung beteiligen sich unter anderem der Lotteriefonds des Kantons Thurgau, die Stadt- und die Bürgergemeinde Diessenhofen, der Kulturpool Region Diessenhofen, die Migros sowie die Internationale Bodensee Konferenz. Wichtigster Sponsor ist die Thurgauer Kantonalbank, gefolgt von Rütimann Hoch- und Tiefbau sowie der Brauerei Schützengarten. Daneben engagiert sich eine Vielzahl von lokalen und regionalen Betrieben sowie diverse Gönner. (rom)
Entscheidend für den Erfolg sind die Zahlen. Wie läuft der Vorverkauf?
Gut.
Das heisst?
Etwa 3‘200 Karten haben wir bisher abgesetzt. Das ist gut. Bei 21 geplanten Vorstellungen mit 500 überdachten Zuschauerplätzen wären bei optimalen Verhältnissen aber über 10‘000 verkaufte Karten möglich. Wir lassen uns überraschen, hoffen aber, nein, sind überzeugt davon, dass wir immer bestes Wetter haben werden.
Wie viele verkaufte Karten braucht es für eine schwarze Null?
Mindestens 4‘000. Alles darüber hinaus hilft, die Vision der Rheinspiele weiter zu verfolgen und künftig alle drei Jahre in Diessenhofen ein Freilichtspiel aufzuführen.
Und warum tun Sie persönlich das alles?
Ja warum? Solche Projekte sind persönliche Herausforderungen, an denen man wächst. Ich setze mit jedem Theater auch ein Stück weit meine Existenz aufs Spiel. Aber das macht nichts. Das ist schon gut.
Die Macher
Gabriele Caduff hat eine Ausbildung als Tanz- und Gymnastiklehrerin absolviert und in selbständiger Tätigkeit mehrere choreographische Projekte für Firmen, Schulen und Vereine inszeniert. Sie hat grosse Konzerte und Shows produziert. Unter anderem mit Andreas Vollenweider, Stephan Eicher, Peter Räber, Pablo de Lucia. Zehn Jahre lang war sie in verschiedenen Sendegefässen und Funktionen für das Schweizer Fernsehen SRF tätig. Sie schrieb das Drehbuch für die Theaterstücke „Schwarzfahrer zur Venus“ und „Wie einst Oliver Twist“.
Der technische Leiter Rolf Riedweg betreibt seit 1987 das „Nightsound-Studio“ in Ramsen. Neben vielen anderen CDs entstanden in diesem Studio die ersten drei CDs von Gölä. Während acht Jahren war er Tonmeister im Schauspielhaus Zürich und in dieser Funktion an allen grossen Theatern in Europa tätig. In den letzten 20 Jahren hat er als Tonmeister zwölf grosse Freilichtspiele betreut. (rom)
Gabriele Caduff und Rolf Riedweg vor der Bühne des Festspiels. Bild: Rolf Müller
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Vorbericht in der Thurgauer Zeitung: "Darsteller schwimmen zur Probe"
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