von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 31.01.2024
Das Ende einer Ära
Schluss nach 26 Jahren: Die Thurgauerin Sibylle Lichtentsteiger gibt die Leitung des Stapferhaus Lenzburg Anfang 2025 ab. (Lesedauer: ca. 1 Minute)
Sibylle Lichtensteiger hat gemeinsam mit ihrem Team das Stapferhaus in Lenzburg zu einem der besten europäischen Museen gemacht, das Haus galt vielen in der Branche als Vorbild in Sachen moderner Ausstellungsgestaltung. Nun verlässt die 54-Jährige, aus Aadorf stammende Kuratorin, das Stapferhaus. «Ich werde einen Traumjob aufgeben, ein wunderbares, überaus kompetentes Team und ein grandioses Haus verlassen – und doch ist es irgendwann Zeit, um weiterzuziehen», wird Sibylle Lichtensteiger in einer Medienmitteilung des Stapferhauses zitiert.
Sibylle Lichtensteiger hat das Stapferhaus in Lenzburg zu einem der besten Museen Europas gemacht. Wie hat sie das geschafft? Ein Interview über moderne Museumsarbeit und konsequente Besucher:innen-Orientierung.
Frau Lichtensteiger, wie würden Sie das Stapferhaus beschreiben?
Das Stapferhaus ist ein Raum an dem man sich physisch begegnen kann, aber auch ein Ort an dem man Sachen ausprobieren kann und neue Denkweisen erleben kann. Wir wollen in unseren Ausstellungen verschiedene Positionen aufeinander treffen lassen. Was die Besucher:innen dann damit machen, überlassen wir ihnen.
Was macht das Stapferhaus anders als andere Museen?
Wir stellen Wertefragen unseres Zusammenlebens und wollen dabei aber in keine Polarisierung gehen. Uns geht es auch darum, dafür zu werben, Unterschiede auszuhalten in einer demokratischen Gesellschaft und das im respektvollen Miteinander. Das Stapferhaus ist auch ein Ort des Empowerments. Unsere Besucher:innen sollen die Ausstellungen nicht frustriert verlassen, sondern das Gefühl haben, dass sie selbst etwas zur Lösung eines Problems beitragen können.
Wie finden Sie die Themen für Ihre Ausstellungen?
Bei der Themenfindung unserer Ausstellungen sind wir sehr frei, das läuft, je nach Thema, auch verschieden ab. Wir überlegen gemeinsam, was relevant sein könnte und am Ende entscheidet das Inhaltsteam über die Richtung. Allen Ausstellungen gemein ist, dass wir immer einen direkten Bezug zu den persönlichen Leben unserer Besucher:innen herstellen wollen. Die Menschen müssen das Gefühl bekommen, dass das Thema jetzt auch für sie relevant und wichtig ist – wenn es das nicht bereits ist.
Wenn Sie eine neue Ausstellung vorbereiten, welche Frage stellen Sie sich da am Anfang?
Eine der wichtigsten Fragen für uns bei der Konzeptionierung neuer Ausstellungen lautet: Was können wir zum gesellschaftlichen Diskurs beitragen, das nicht schon in anderen Ausstellungen gesagt wurde?
Gibt es so etwas wie eine klare Haltung mit der Sie an Themen gehen?
Ich glaube, was sich als Haltung durch all unsere Ausstellungen zieht, ist der Gedanke, dass alles meistens komplizierter ist, als es auf den ersten Blick scheint, es aber trotzdem lohnt sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen.
Das gesamte Interview (geführt im November 2022) mit Sibylle Lichtensteiger kannst du hier weiter lesen.
Gleichzeitig betont die Leiterin des Stapferhauses in Lenzburg darin, dass die Zeit für ihren Abschied erst Anfang 2025 reif sein wird: «Noch bin ich mit so viel Herzblut wie immer im Stapferhaus tätig und freue mich auf alles, was wir noch gemeinsam vorhaben».
Neue Pläne habe sie noch nicht, heisst es
Derzeit gilt Sibylle Lichtensteigers Engagement der laufenden Ausstellung «Natur. Und wir?» (zur Ausstellungsbesprechung) und dem aktuellen Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm. Hinter den Kulissen kuratiert sie zusammen mit Sonja Enz und dem Team die Ausstellung «Hauptsache gesund», die Anfang November 2024 eröffnet wird. Konkrete Pläne für ihre berufliche Zukunft ab 2025 habe Lichtensteiger, die seit 26 Jahren Ausstellungsmacherin im Stapferhaus ist und die Institution seit 22 Jahren leitet, laut Medienmitteilung derzeit noch nicht.
«Der Stiftungsrat und das Team bedauern Sibylle Lichtensteigers Entscheid ausserordentlich, sind ihr aber äusserst dankbar für ihre langjährige, ausgezeichnete und von grossem Erfolg begleitete Tätigkeit: Das Stapferhaus steht sehr solide da und hat als Haus, das sich Gegenwartsfragen und dem gesellschaftlichen Dialog verpflichtet fühlt, eine spannende Zukunft vor sich», wird Katja Gentinetta, die Präsidentin des Stiftungsrates, in der Medienmitteilung zitiert. Dem Stiftungsrat bleibe nun ausreichend Zeit, die Übergabe des Stapferhauses an eine neue Leitung gut vorzubereiten. Eine Findungskommission soll bei der Suche helfen.
SRF-Beitrag zur aktuellen Natur-Ausstellung im Stapferhaus
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