von Kathrin Zellweger (1948-2019), 13.02.2013
Dantes Spuren im Thurgau

Die Società Dante Alighieri Turgovia feiert ihr 25-Jahrjubiläum. Dass dem so ist, ist Marco Molteni zu verdanken. Sein Beruf brachte ihn in den Achtzigerjahren in den Thurgau. Im Rucksack hatte er die Idee, auch hier eine Gesellschaft zu gründen, die der italienischen Sprache und Kultur verpflichtet ist.
Kathrin Zellweger
Italienisch ist die dritte Landessprache. Die Schweiz rühmt sich, eine Willensnation zu sein, die ihre sprachlichen Minoritäten überproportional berücksichtigt. Wozu also die Società Dante Alighieri, eine Gesellschaft, die sich aufs Panier schreibt: Pflege und Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur? „So fragen nur Bünzli, die nur fördern wollen, was sich unmittelbar rechnerisch belegen lässt und sich somit lohnt. Es geht nicht darum, eine Minorität zu hätscheln. Wir sind weder ein Tessiner noch ein Italiener Verein. Es geht darum zu sehen, dass von Italien aus während Jahrhunderten Leben und Kultur in Europa, ja in der ganzen Welt, beeinflusst und bestimmt wurden. Dieser Bedeutung nachzugehen und diesem Erbe Sorge zu tragen, lohnt sich", erklärt Marco Molteni, seit vier Jahren Präsident. Für den 55-Jährigen ist die Sprachenfrage nicht nur im Zusammenhang mit seinem Verein von grosser Bedeutung. „Die Pflege der Mehrsprachigkeit als Pfeiler unseres Landes wird politisch unterschätzt. Das kann gefährlich sein."
Liebe zur Sprache und Kultur
Im Thurgau waren es vor 25 Jahren mehrheitlich eingewanderte Italiener, welche sich durch die Società Dante Alighieri Turgovia angesprochen fühlten und in ihr vielleicht eine Ersatzheimat fanden. Der gemeinsame Nenner der heutigen Mitglieder ist weniger patriotisch gefärbt, obwohl es immer noch um die Liebe zu Italien und zum italienischen Sprachraum geht. Längst geht es nicht mehr wie in den Gründerjahren Ende des 19. Jahrhunderts um die Lektüre der Bücher des florentinischen Renaissance-Autors und Vaters der italienischen Sprache; da wären die 120 Thurgauer Mitglieder wohl kaum zufrieden. Die Angebote reichen heute vom Besuch italienischer Filme bis zum Sprachkurs, von der Exkursion ins Tessin bis zum italienischen Kochkurs, von der Lesung eines Tessiner Autors über Vorträge bis zum Rezital von Liedern aus dem italienischen Barock.
Die Società Dante Alighieri Turgovia, die ihre Mitglieder schlicht „La Dante" nennen, ist im schweizerischen Vergleich jung. 1894 machte Genf mit einer Società den Anfang, bloss fünf Jahre nach der Erstgründung in Rom. In Italien war das damals ein exklusiver Club von Bildungsbürgern. Heute kommen die Mitglieder zwar immer noch aus bildungsnahen Schichten, „aber wir sind weder elitär, noch exklusiv", betont Marco Molteni. Die gemeinsame Sprache ist hauptsächlich das Italienisch.
Ausstellung in Planung
So weltumspannend „La Dante" ist, von Europa über Australien bis Amerika, so frei sind die einzelnen Sektionen, ihre Schwerpunkte zu setzen. „Mich interessiert Italien im Thurgau und der Thurgau in Italien, wobei ich immer vom ganzen italienischen Sprachraum spreche." Im Thurgau, angestossen durch Molteni, werden anhand historischer Themen im Grossen wie im Kleinen gezeigt, dass die Verbindungen zwischen der Schweiz und Italien mannigfaltig und überraschend sind. 2012 nahm sich „La Dante" zusammen mit dem Historischen Verein des Kantons Thurgau der Mädchenheime an, die Anfang des 20. Jahrhunderts für junge Arbeiterinnen aus Italien und dem Tessin gegründet wurden. „Ich möchte vermehrt mit anderen Interessengruppen zusammenarbeiten, um den Grundgedanken und das Anliegen von ‚La Dante‘ aufzunehmen." In Planung ist, zusammen mit der Kantonsbibliothek, eine Ausstellung über jene Thurgauer, die in Italien erfolgreich waren (z.B. Ulrico Hoepli aus Tuttwil als Verleger in Mailand. Geplant sind auch Veranstaltungen über andere Thurgauer in Italien (z.B. Oscar Mörikofer und seine Familie, die Bankiers in Neapel waren).
Dass der italienische Staat die Società Dante Alighieri finanziell nicht unterstützt, aber dennoch von jedem Comitato verlangt, dass es seine Jahresrechnung nach Rom an den Hauptsitz schickt, ist mehr als ein Widerspruch. Zum Vergleich: Die Goethe-Institute, das British Council und der Verband Alliance Française bekommen alle staatliche Zuschüsse. Wenn das Dante wüsste!
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Marco Molteni, 1957 geboren und aufgewachsen in Brissago TI, ist Italienisch- und Philosophielehrer an der Kantonsschule Frauenfeld; an der Fachmittelschule Frauenfeld erteilt er Interkulturelle Ethik. Seit 2009 ist er Präsident der Società Dante Alighieri Turgovia, ein Amt, das er in den 90er-Jahren schon mal innehatte. Marco Molteni lebt in Frauenfeld.

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