von Sascha Erni, 27.06.2015
Krimiland Thurgau (3/3)

Im letzten Teil seiner Analyse zum "Krimiland Thurgau" beschäftigt sich Autor Daniel Badraun mit den Autorinnen und Autoren: Wer sind sie und warum schreiben sie - denn reich wird ja niemand davon.
Text: Daniel Badraun
Bilder: Sascha Erni
Die Berufsbezeichnung „Thurgauer Krimiautor“ gibt es nicht. Wer hier schreibt, muss seinen Lebensunterhalt mit einem ordentlichen Beruf verdienen. Unter den hiesigen Autoren gibt es mehrere Lehrer, ehemalige Polizisten, eine Musikerin, einen Biologen, eine Hausfrau, eine Fachfrau Betreuung, einen Schauspieler und einen Alt-Staatsanwalt. Reich wird man mit dem Krimischreiben also kaum. Warum als tut man sich das an?
Hans Peter Niederhäuser sagt es kurz und prägnant: „Schreiben ist ein Teil meines Lebens. Kriminalgeschichten waren für mich Fingerübungen, während ich an meinem Roman 'Der Novemberschreiber' arbeitete. Motiviert wurde ich damals durch den Krimiwettbewerb im Rahmen der Frauenfelder Krimitage.“
Zora Debrunner schreibt, „weil es mir grossen Spass macht, Protagonisten zu erfinden und spannende Stories zu schreiben. Ich liebe Krimis! Wenn ich an einem Krimi schreibe, dann muss ich mir Gedanken machen, ob die Geschichte aufgeht. Wenn sie das nicht tut, wird die Geschichte lahm. In einem Krimi hat alles Platz: Sex, Crime, Thrill!“
Die Geschichten der in Schweden lebenden Eva Maria Hux haben oft einen musikalischen oder künstlerischen Hintergrund. „Die Faszination für das Rätsel in all seinen Formen und die Herausforderung an mein logisches Denken beim Aufbau eines Krimis motivieren mich. Ich lese und schaue sehr gerne Krimis.“
Joel Dominique Sante hat grosse Freude daran, Geschichten zu erfinden. „Wenn man am Ende ein fixfertiges Buch vor sich liegen hat, darf man auch ein wenig stolz darauf sein. Aufgrund meines ehemaligen Berufs als Polizeibeamter (Verkehrspolizei, Aussendienst, Spurensicherung, Notrufzentrale), drängte sich das Schreiben von Krimis geradezu auf.“
Dreiteilige Serie Krimiland Thurgau
Daniel Badraun, selber Autor, beschreibt in einer dreiteiligen Serie, wie der Kanton Thurgau in der Kriminalliteratur Niederschlag findet und welche Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus dem Thurgau aktiv sind. Teil eins hier, Teil zwei hier lesen. (rom)
Als Lehrer beurteilte Jürg Bleiker viele Bücher, ohne selber eines geschrieben zu haben. Bei seinen eigenen Werken hat er vom ersten Plot bis zum fertigen Buch sehr viel gelernt, dieses Wissen hätte ihm auch als Lehrer genützt. „Ohne einen schönen Mord geht fast nichts – und dessen Hintergründe aufzudecken ist recht spannend. Ein Krimi möchte auch Spass machen und ein Puzzle bieten, dessen Lösung überraschen soll.“
Severin Schwendener hat selber immer Krimis gelesen und schreibt gerne spannende Geschichten. „Ausserdem kann ich das am besten.“
Bietet der friedliche Thurgau genügend Humus?
„Krimiautoren müssen heute die Milieus, in denen sie ihre Fälle ansiedeln, genau studieren. Die realistischen Romanciers unserer Tage sind die Krimiautoren“, sagte die deutsche Romanautorin Gila Lustiger in einem Interview. Nachdem Tötungsdelikte im Kanton eher selten sind, darf man sich fragen, ob der friedliche Thurgau das geeignete Milieu für Krimis ist. „Ein klares Ja“, kommt von Sanela Egli, die zur Zeit an ihrem dritten Weinfelder Krimi schreibt und hofft, dass ihr Manuskript bald schon von einem grösseren Verlag ins Programm genommen wird.
Eschikofen, 2013.
Frauenfeld, 2011.
Eher skeptisch ist Severin Schwendener. „Es gibt hier zu wenig Leute, zu wenig Kulturschaffende. So kann sich kaum eine Krimiszene entwickeln. Rassismus und Filz sind zwei Themen, die hier aktuell sein könnten. Mein Thurgauer Krimi würde am See spielen, dem schönsten Ort im Kanton, gleichzeitig die Grenze zu Deutschland, ein rechtsfreier Raum, mit den Sümpfen im Tägermoos, dem emporsteigenden Nebel und den zahlreichen Schlössern.“ Hans Peter Niederhäuser fehlt das urbane Ambiente. Und: „Die Krimis finden bereits hier statt, man braucht sie nicht zu schreiben.“
Hier kommt das Böse freundlich daher
Zora Debrunner dazu: „Tatort Thurgau? Verträumte Apfelplantagen. Das Böse kommt freundlich daher. Weil der Thurgau der Kanton der kleinen Wege ist, traut man sich nicht wirklich, was Kriminelles zu schreiben... Hier kennt jeder jeden.“ „Vielleicht stürzt man sich auf die friedlichen Mafiagestalten von Wängi, Gachnang und Frauenfeld? Auf die immer menschenleeren, aber nie bankrott machenden Pizzabeizen, die sicher nur Geldwäschezentren sind?“, meint Jürg Bleiker auf die Frage nach dem geeigneten Milieu scherzhaft.
Kreuzlingen, 2011.
Zeit für Krimis aus der Region
Nach Ansicht von Matthias Moor ist die liebliche Landschaft ein formidabler Kontrast zu grausamen Verbrechen. Man könnte eine Geschichte bei den Fischern mit ihrem jahrtausendealten Handwerk anlegen. „Es wird langsam Zeit für Krimis aus der Region.“
Beim Begriff Krimiland Thurgau denkt Eva Maria Hux zuerst an die Frauenfelder Krimitage. „Vielleicht hat der Thurgau ja eher ein verschlafenes, harmloses Image, es gibt keine Metropole im Stil von Zürich, wo sich Verbrechen leichter ansiedeln lassen. Aber es gibt auch im Thurgau interessante Inputs für Krimis.“ Welche, das will die Autorin nicht verraten, scheinbar ist hier etwas Neues am Entstehen.
Der Autor
Daniel Badraun, 1960 in Samedan im Engadin geboren, lebt seit 26 Jahren in Schlattingen bei Diessenhofen. Er arbeitet als Lehrer und Autor. Im Auftrag des Amtes für Volksschule schreibt er Texte für das Leseförderprojekt www.geschichtendock.ch. Krimis: Rheinfall, Limmat Verlag 2009, Hundsvieh, Gmeiner Verlag 2013, Muschelgaul, Gmeiner Verlag 2015, Schwarzeis, Emons Verlag, 2015. Ausserdem: Willkommen im Engadin, ein Reise-Lesebuch, Gmeiner Verlag 2013, Gelegenheit macht Diebe, ein Krimispiel, Gmeiner Verlag 2015. Die neueren Krimis von Badraun spielen alle im Engadin.
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Bisher erschienen:
Krimiland Thurgau, Teil zwei - thurgaukultur.ch vom 25.06.2015
Krimiland Thurgau, Teil eins - thurgaukultur.ch vom 23.06.2015

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