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von Brigitta Hochuli, 13.04.2011

Buchpreiskampf

Buchpreiskampf

Brigitta Hochuli

Bücher haben ihren Preis. Zahlt man 40 Franken für ein paar Erzählungen des Thurgauers Peter Stamm und ärgert man sich beim Lesen über ein paar Sätze darin, dann ist das viel Geld. Zahlt man etwa gleich viel für vier Bände voller Erzählungen von Friedrich Glauser, hört dazu das im Thurgau beheimatete Glauser Quintett und ist gepackt von dieser wirklich guten Literatur, dann hat man gern bezahlt. Der Buchpreis ist also relativ.

Zufällig exponieren sich mit Marianne Sax und Brenda Mäder zwei Thurgauerinnen an vorderster Front für die Zukunft des nicht relativen Buchpreises in nackten Zahlen. Ich hoffe, dass darob das Lesen keinen Schaden nimmt. Ansonsten gäb‘s ja noch Bibliotheken, zumal das Lesen zum Beispiel bei ex libris wiederum ein relatives Vergnügen ist. Dort werden nämlich Referendums-Unterschriften gesammelt.

Ein Interview mit dem Frauenfelder Branchenkenner Alex Aepli ergänzt das Thema aus Verlegersicht.

12 KOMMENTARE

Alex Bänninger | 14.04.2011, 18.51 Uhr
Weil ich der Meinung bin, die Buchpreisbindung habe nicht einmal die Bedeutung eines Strohhalms, sondern sei gerade noch eine Metapher für die Selbsttäuschung einer Branche, wünsche ich Brenda Mäder allen Erfolg.


Gerda Imesch | 17.04.2011, 17.17 Uhr
Dass Brenda Mäder als Absolventin der HSG mit Masterstudium Banking und Finanzen gegen die Buchpreisbindung ist, wundert mich nicht, ist doch die Deregulierung um jeden Preis das Credo in diesen Kreisen. Wohin das führen kann, hat uns ja die Wirtschafts- und Bankenkrise 2008 deutlich gezeigt.
Ich bin auf jeden Fall froh, wenn es noch kleinere Buchhandlungen gibt, die nebst dem üblichen Mainstream auch noch anspruchsvollere Bücher anbieten und auf die Wünsche der Kunden eingehen. Wo kommen wir hin, wenn nur noch Bestseller verkauft werden? Als Bibliothekarin schätze ich eine Buchhandlung, bei der man auch mal Bücher zur Ansicht bestellen und dann entscheiden kann, ob man es kaufen möchte. Das liegt bei Grossfirmen, wo alles am unteren Limit der Marge vertrieben wird, nicht drin.
Für Billigbücher gibt es ja andere Quellen: Jetzt werden ja auch billigste E-Books verkauft, die von Autoren, die kein Verlag verlegen wollte, selbst über Amazon etc. vertrieben werden. Dazu müssen Sie bei Amazon nur ein Konto eröffnen und können ihre “Werke” dort verkaufen. Was gibt es da Wunderbares? Vampirromane bis zum Abwinken, da auf dieser Welle seit den Twilight-Romanen jeder und jede reitet, die sich schnellen Erfolg verspricht, oder Thriller usw. Ist es das, was wir dringend brauchen? Ich nicht!
Daneben gibt es für Leseratten ja auch noch, wie Brigitta Hochuli richtig feststellt, die Bibliotheken. Bei der ganzen Diskussion um Kulturschaffende und Kulturanbieter etc. wird oft vergessen, dass Bibliotheken wichtige Kulturzentren sind. Man kann dort nicht nur Bücher, Filme, Hörbücher, CD-ROMs etc. ausleihen, sie sind auch Veranstalter von verschiedensten kulturellen Anlässen für alle Altersstufen. Das geht von Lesungen für Erwachsene und Kinder über Bilderbuchkinos, Diskussionsabende bis zu Kunstausstellungen und vielem mehr. Gerade in kleineren Gemeinden ist die Bibliothek oft die einzige Kulturveranstalterin und trägt massgeblich zum sozialen und kulturellen Leben im Dorf bei. Unschätzbar ist der Beitrag der Bibliotheken zur Leseförderung, weckt doch die Vielfalt des Bibliotheksangebots bei vielen Kindern die Lust am Lesen.
Doch wie fast überall, wo es um Kultur geht, sind auch hier die finanziellen Mittel zum Teil sehr dürftig. In einigen Gemeinden müssen die Bibliothekarinnen zu einem Hungerlohn arbeiten, weil die Dorfbehörden nicht einsehen, dass hier eine verantwortungsvolle Arbeit und ein wichtiger kultureller Beitrag geleistet wird. Schade!


Stefan Keller | 18.04.2011, 00.22 Uhr
Brenda Mäder argumentiert meines Erachtens rein ideologisch. Sie hat ein theoretisches Konzept vom “Markt” im Kopf und will es durchsetzen, ob es für diesen Markt und seinen Charakter nun stimmt oder nicht. Die Frage ist, ob sie sich selber oft in Buchhandlungen aufhält. Als Buchkäufer mit manchmal etwas absonderlichen Interessen und als gelegentlicher Autor von manchmal etwas absonderlichen Büchern bin ich an einer Buchpreisbindung interessiert: Ich will viele unabhängige, gut oder auch absonderlich sortierte Buchläden im Land. Die rein umsatzorientierten Buchkaufhäuser mit ihrem stromlinienförmigen Angebot werden es überleben.


Inka Grabowsky | 18.04.2011, 11.09 Uhr
Interessant ist doch die Frage, ob es das Ideal von der kleinen, persönlichen Buchhandlung mit der speziellen Sortierung noch gibt. Wann hätte es jemals eine Buchhändlerin (es sind ja doch meist Frauen) gewagt, mir ein Buch zu empfehlen? Vielleicht gar ein Buch, das nicht auf den Beststeller-Listen stand? Das könnte bös’ ins Auge gehen. Theoretisch wäre meine Bibliothekarin in der Lage, das zu tun. Sie kennt die Arten Bücher, die ich lese und könnte – betriebe sie data-base-mining – Rückschlüsse vom Lesen auf mein Leben ziehen. Aber würde sie mir je so nahe treten? Und würde ich es ihr danken? Nein, da bleibe ich bei “Kunden, die diesen Artikel bestellt haben, interessierten sich auch für folgendes Angebot”. Hübsch unpersönlich. Selbstverständlich organisieren Online-Buchhändler keine Lesungen, sorgen nicht für kulturelles Leben im Dorf. Sie schaffen stattdessen die Plattform für Diskussionen im Netz. Jeder darf rezensieren. Das ist doch auch was.
Und dann gibt es ja noch ein richtig fieses Argument gegen die Buchpreisbindung. Die angefressenen Buchhändler mit Sendungsbewusstsein, die gerne besser von ihren Büchern leben können möchten, haben zwar mein vollstes Verständnis. Aber sie leben ihren Buchtraum ja freiwillig. Wie alle Kulturschaffenden (Journalisten mal eingeschlossen) arbeiten sie wohl nicht nur wegen des Geldes. Sonst hätten sie mutmasslich einen anderen Job gewählt. Wer wagt, Spass an der Arbeit zu haben, muss eben dafür wenigstens finanziell leiden.


manu | 18.04.2011, 21.26 Uhr
Spannend finde ich, was Frau Mäder unter dem Punkt ‘Privat’ auf ihrem Webauftritt aufführt: “Neben politischen Aktivitäten verbringe ich meine Freizeit gerne mit Lesen (Presse sowie Literatur) …” http://brenda.ch/uber-brenda-mader/
Lesen macht sich immer gut, in diesem Falle aber bleibt für mich ein schaler Nachgeschmack zurück.


Brenda Mäder | 19.04.2011, 11.02 Uhr
Vielen Dank für die Kommentare
Einige Gedanken:
- Dem Hobby “Lesen” nachzugehen und sich zeitgleich gegen die Buchpreisbindung zu engagieren, geht für mich tatsächlich auf. Ich kenne Autoren, für die geht es auch auf, Bücher zu schreiben und gegen die Preisbindung zu tun. Und die waren nichtmal an der HSG )
- Mir schwebt kein theoretisches Marktkonstrukt vor. Der Buchhandel ist schliesslich ein realer Markt und dessen Realität ist heute und zunehmend der Onlinemarkt. Dort wird diese Preisbindung nicht funktionieren und im Gegenteil gerade für (innovative) Schweizer Buchhändler verheerende Auswirkungen haben. Mit einem Klick haben Konsumenten, die auf den Preis schauen, im Ausland bestellt und nicht in der Schweiz. Schweizer Onlinehändler, die sich ihrerseits gegen die Buchpreisbindung einsetzen, bestätigen dies.
- Ein Argument sehe ich gar nicht: Weshalb ist es schlecht, wenn ich als Autor selbst im Internet mein Buch verkaufen möchte, sei es über Amazon oder anderswie? Wer Bücher für ein e-book-Publikum schreibt und schreiben möchte, sollte dies auf jeden Fall tun! Das kann gerade für jene Autoren eine Chance sein, die auf der oft langwierigen Verlagssuche noch nicht erfolgreich waren.
- Der Gedanke mit den Bibliotheken ist sehr interessant. Es gibt auch andere Plattformen, früher die Secondhand-Buchläden, heute auch online-Plattformen, in denen Bücher, oft neuwertig, günstig eingekauft werden
Freundliche Grüsse
Brenda Mäder


Ekkehard Faude | 19.04.2011, 21.49 Uhr
Wessen Geschäft Brenda Mäder letztlich betreibt, ist dem “Brückenbauer” dieser Woche anzusehen: dort macht sich die Migros mit ihrer Aldisierungsschiene Exlibris riesenstark für diese denkschwache Kampagne, die jenseits von Mainstream nur zu Buchverteuerung führen kann. Deregulierung bei bedrucktem Papier, während in der Lebensmittelabteilung die staatlich hoch subventionierten Landwirtschaftsartikel verkauft werden.
Als Image-Kampagne einer startenden Freisinnigen hat das freilich jetzt schon funktioniert. In Zeiten, da aufgewecktere Jugendorganisationen in europäischen Ländern sich um die fällige Abschaltung von AKWs kümmern, hat sie sich mit der ohnehin schwächelnden Buchbranche einen wohlfeilen Gegner gewählt. Heute noch nach Deregulierung zu rufen, ist die Runderneuerung eines uralten Filzhuts. Da wird auf Papierrosen in einer kleinen Bude geschossen; weil die eigene politische Fantasie nicht zum konstruktiver Neuerung auf wichtigeren Plätzen reicht.
Aber machen wir uns nichts vor. Die Zukunft der Buchwelt wird von dieser marginalen Aufregung nicht beeinflusst. Die wird sich über die Weiterentwicklung digitaler Geräte entscheiden. Wir erleben einen Umbruch, den alle aktiv mitbetreiben, die täglich lustvoll in den social media weiterlesen und schreiben. Erinnern wir uns? Schreiben fand fast tausend Jahre von Hand auf Tierhäuten und Pergament statt. Danach war Schrift mehr als 500 Jahre maschinell auf Papier gedruckt. Nun lösen sich die Buchstaben langsam in Richtung einer neuen Materialisation. Sie gehen langsam und dann schneller auf diese superleichten Dinger, von denen aus man zugleich Musik hören, Freunden schreiben kann, Filmchen kriegt und überflüssige Nachrichten aus fernen Ländern in Echtzeit ansteuern kann. Solang der Strom reicht.
Wer die Aufrüstung der Verlage beobachtet, die über E-Papers und E-Books ihren Stoff direkt an die Leser verkaufen wollen; und wer die Chancen sieht für Autoren, die bald ohne Verlage und dann auch ohne Buchhandlungen ihren Stoff verbreiten können (nicht aber: ohne mächtige Plattformen wie Amazon, Google oder wie globalen Geldmaschinen in 5 Jahren heissen werden) – der sollte doch mit festen Ladenpreisen die noch existierenden Buchhandlungen stützen und sie nicht durch eine so urkomische Kampagne noch rascher in Bedrängnis bringen.


Daniel Badraun | 19.04.2011, 21.51 Uhr
Das Stichwort ‘Markt’ erscheint immer dann, wenn Politikerinnen und Politiker im Sinne einer anonymen Klientel versuchen, gut funktionierende Systeme zu zerschlagen. Diese politisch überaktiven Menschen fordern dann regelmässig gleich lange Spiesse für alle, wie zum Beispiel bei der Deregulierung der Post. Wo aber sind im Buchhandel die gleichen Chancen, wenn eine Kette wie Weltbild durch ihre Marktmacht die Preise von einer gewissen Anzahl Titeln massiv drücken kann, weil sie mehr einkauft als die unabhängige Buchhandlung um die Ecke? Von der grossen Kette erwartet niemand ein breiteres Sortiment, wohl aber von der immer wieder zitierten Tante-Emma-Buchhandlung, in der man sich (hoffentlich) persönlich betreut fühlt. Diese Buchhandlungen sind auch wichtig für kleine Verlage und neue Autorinnen und Autoren, die sonst den Weg nicht so schnell in den Buchhandel finden könnten.
Das fatale am Buchmarkt ist im Gegensatz zu den Bäckereien, dass diese durch individuell hochstehende Produkte die Massenware der Supermärkte in den Schatten stellen können.
Beim Buchhandel haben alle das gleiche Buch in der Hand, da dieses Buch überall gleich ist, soll es auch gleich viel kosten müssen. Dass man die Qualität zwischen den Buchdeckeln irgendwie bewertet und in einen gerechten Preis umwandeln könnte, daran glaubt wohl niemand. Fair ist daher sicher ein Preis entsprechend dem Umfang und der Ausstattung, ein breites schönes Buch macht sich ja schliesslich auch gut im Büchergestell im Wohnzimmer, das darf also auch seinen Preis haben.


kaspar enz | 19.04.2011, 23.20 Uhr
Wer am meisten Bücher verkauft, profitiert am meisten von künstlich verteuerten Büchern. also Orell Füssli und ein paar grosse Verlage. Warum ich denen Geld in den Rachen schieben soll ist mir nicht klar. Also auch nicht, warum Preise irgendwo festgelegt werden soll – denn wer legt die fest? dieselben verlage.


Dirk Husemann | 19.04.2011, 23.28 Uhr
ich liebe bücher-lesen seit ich lesen kann — meine lesesucht trieb meine eltern fast zur verzweifelung, zeitweilig liehen wir bücher in drei bibliotheken gleichzeitig aus. in buchläden konnte ich mich verlieren. konnte. heute gehe ich immer noch gerne in buchläden, aber verlieren kann ich mich nicht mehr: das angebot ist in den kleinen buchhandlungen überschaubar (sofern sich die buchhandlung nicht mutig spezialisiert hat, was selten ist) und leider in der regel recht massenpublikum-orientiert. für mich neue und interessante bücher sind in buchhandlungen inzwischen seltene glückgriffe.
dann, wohin mit all den büchern? meine CD sammlung und meine plattensammlung existiert zwar noch, ist aber inzwischen zum gebrauch digitalisiert und ansonsten im keller als “backup” eingelagert — bei den büchern wird ähnliches passieren, denn ich bin am inhalt interessiert und weniger am haptischen; im urlaub möchte ich lesen, dafür aber nicht übergepäck bezahlen. beratung im buchladen ist selten, neue autoren finde ich in der regel via internet (amazon, buecher.de, twitter). früher gab es plattenläden, dann noch die CD abteilungen im drogeriemarkt — das letzte mal dass ich eine CD gekauft habe ist lange her und war zudem im internet bestellt: ein independent-label, welches ich nur via internet gefunden habe und inzwischen als MP3-album kaufe. die “tante emma”-buchhandlung wird nur dann überleben, wenn sie nicht mit den amazons, den buecher.de und den orell-füsslis dieser welt gleichziehen will sondern sich spezialisiert — und dann auch e-books anbietet, denn mitschleppen will ich bücher je länger je weniger.


roger vontobel | 19.04.2011, 23.42 Uhr
Herr Enz, Verlage sind nicht Buchhandlungen und umgekehrt. Verlage legen einen Preis fest, so wie alle Hersteller eines Produktes einen empfohlenen Verkaufspreis festlegen. Der Sony Fernseher kostet in Deutschland ja auch nicht gleichviel wie hier in der Schweiz. Gewisse Produkte sind umgerechnet teurer, andere günstiger. Aber auf Büchern ist der Europreis mitaufgedruckt. Das überfordert viele!


Brigitta Hochuli | 26.04.2011, 11.55 Uhr
Alex Bänninger nimmt in der “Leuchtspur” der Thurgauer Zeitung Bezug auf die von thurgaukultur.ch angeregte Diskussion zur Buchpreisbindung. “Zwei Thurgauerinnen schreiben je ein Kapitel Buchgeschichte”, formuliert er und schlägt hoffnungsfroh ein “Thurgauer Buchförderungskonzept” vor. Das finde ich eine exzellente Idee. Und da ich unzählige Thurgauer Leserinnen und Leser kenne, bin ich zuversichtlich, dass es nicht beim Konzept bleiben wird…

 

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