von Brigitta Hochuli, 02.10.2013
Kunstmuseum, Cluster, Kulturzentrum
Brigitta Hochuli
In ihren gedruckten Ausgaben vom 27. und 28. September stellt die „Thurgauer Zeitung“ via Interview mit Toni Schönenberger erneut den Standort des Kunstmuseums Thurgau und einen Kunst- und Kulturcluster Kreuzlingen/Konstanz zur Disposition. Der CEO des UBS-Ausbildungszentrums Wolfsberg und Präsident der 2003 gegründeten Stiftung Think Tank Thurgau (TTT) fordert - sekundiert von Stadtammann Andreas Netzle - zu „stoppen, was in Ittingen passiert“. Die dafür vorgesehenen Lotteriefondsgelder seien - urban - an der Grenze zu Konstanz zu investieren.
Dazu ein paar Fakten von heute aus rückwärts aufgerollt:
In Kreuzlingen wurde im Frühling 2012 das dreimonatige Projekt „Kultur im Shop“ im ehemaligen Fabrikladen des Wäscheproduzenten Schiesser durchgeführt; es hat erfolgreich das lokale und grenzüberschreitende Bedürfnis nach einem Kulturzentrum sowie Synergien mit dem im Areal bereits ansässigen Kunstraum der Thurgauischen Kunstgesellschaft aufgezeigt. „Kultur im Shop“ entstand aus einer Arbeitsgruppe rund um die Kreuzlinger Stadträtin Dorena Raggenbass.
Das Schiesser-Areal wurde 2008 von der Stadt zum Zweck der kulturellen Stadtentwicklung erworben, der Kauf der Liegenschaft über 2.1 Millionen Franken wurde im Rahmen des städtischen Landkreditkontos abgewickelt. Unter anderen haben die lokalen Kulturanbieter Theater an der Grenze und Z88 mittelfristig Platzbedarf. Z88 müsste allenfalls einem Hallenbad weichen.
Konzept für Kulturzentrum Kreuzlingen zuhanden der Exekutive in Arbeit
Die Arbeitsgruppe der Stadträtin hat sich zwischenzeitlich erweitert und ein Kreuzlinger Kulturprofil ausgearbeitet, eine Projektgruppe erstellt zurzeit ein Nutzungskonzept für das Schiesser-Areal. Es beinhaltet momentan Programm und Räume des Kunstraums, Künstlerwohnungen, Ateliers, Proberäume, ein Theater mit rund 200 Plätzen, einen Konzertsaal, eine transdisziplinäre Plattform und eine Kulturbeiz mit kleinem Garten.
Stadträtin Dorena Raggenbass bestätigt auf Anfrage von thurgaukultur.ch, dass „die Arbeitsgruppe Nutzung, Betrieb, bauliche Sanierungsmassnahmen, Trägerschaftsmodell und Finanzierungsmöglichkeiten zusammenstellt“. Dabei handle es sich aber noch nicht um eine Botschaft an die Legislative (Gemeinderat), sondern „erst um Fakten und Angaben zur aktiven Trägerschaft für einen Kulturbericht zuhanden des Stadtrates“ (Exekutive).
Für dieses Projekt hat der ehemalige kantonale Kulturamtchef René Munz grosses Wohlwollen bekundet und namhafte finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt. Bedingung wären allerdings Antrag und Engagement der Standortgemeinde.
Kulturzentrum und Cluster nicht dasselbe
Nichts mit dem Kulturzentrum im Schiesser-Areal hat der Vorschlag „Kunst- und Kulturcluster Kreuzlingen/Konstanz“ des TTT zu tun. Und wenn Stadtammann Andreas Netzle in der TZ seine Bedenken äussert, nach Realisierung des Erweiterungsbaus des Kunstmuseums Thurgau flössen keine Gelder mehr nach Kreuzlingen, dann meint er ausschliesslich den Cluster, der in Form eines Neubaus unter anderem auch für die derzeit in Ittingen ausgestellte zeitgenössische Kunst zum Beispiel auf dem Gleisdreieck angedacht worden ist. Für den TTT als Denkanstösserin ist die Idee Cluster offiziell allerdings längst abgehakt. Unter dem aus heutiger Sicht verwirrenden Titel „Kulturzentrum Kreuzlingen“ figuriert sie auf dessen Webseite unter den „abgeschlossenen Projekten“.
Auch ein Versuch der Kulturstiftung des Kantons Thurgau, sich des Themas Kunst- und Kulturcluster anzunehmen, zeitigte in einer Novemberdebatte auf dem Wolfsberg im Jahr 2011 keine konkrete Absicht zur Verwirklichung. Die Kulturstiftung hat nach Auswertung ihrer Debattenserie andere Prioritäten wie etwa die Ende Oktober anstehende werkschau//tg gesetzt. An der Debatte war auch Stadtammann Netzle dabei. Auch er sprach von anderen Prioritäten wie etwa dem Bau einer neuen Kreuzlinger Schwimmhalle. „Ein Kulturhaus gehört nicht dazu“, sagte er. Ausserdem vermisse er den spürbaren Willen und Druck der Kulturseite.
Standortabklärung Kunstmuseum
Hervorgegangen ist der Clustervorschlag ursprünglich aus einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), die 2007 im Auftrag des TTT „Strategien der Organisation von Kulturförderung im Kanton Thurgau“ entwickelt hatte. Darin wurde auch die Standortfrage Kunstmuseum erörtert. Im selben Jahr bildete sich auf kantonaler Ebene eine „Groupe de Réflexion“, der auch TTT-Präsident Schönenberger angehörte. Viel nach aussen drang von ihrer Arbeit nicht. Auf Grund von Expertisen kristallisierte sich für die von niemandem bestrittene Erweiterung des Kunstmuseums aber der Standort in Ittingen heraus.
In einem Bericht der Steuergruppe Kunstmuseum vom Dezember 2010 werden die Ergebnisse einer Analyse von Heller Enterprises wie folgt zusammengefasst: „Die Einbettung des Kunstmuseums Thurgau in den Gesamtkomplex der Kartause Ittingen bietet entscheidende und innerhalb der Schweizer Museumslandschaft einzigartige Standortvorteile.“ Diese Argumentation wird von den Thurgauer Regierungsräten Monika Knill und Jakob Stark auch heute noch verwendet und bildet die Grundlage der demnächst in einer zweiten Botschaft ans Kantonsparlament gelangenden Bauvorlage für den Erweiterungsbau des Kunstmuseums.
Dass diese zweite Vorlage mit kritischen Fragen aus dem Grossen Rat konfrontiert ist, hat aktuell aber nichts mit der Standortwahl zu tun, die im übrigen nie öffentlich diskutiert worden ist. Vielmehr geht es dabei um juristische Vorbehalte. Mehr zum weiteren Vorgehen in Sachen Kunstmuseum wird am 7. Oktober an einer Pressekonferenz bekanntgegeben.
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