von Brigitte Elsner-Heller, 15.01.2018
Theater Konstanz: Immer gut für Utopien
Was für ein Projekt: 2020 soll ein Theaterschiff die Menschen am Bodensee verbinden. Ob es wirklich kommt, steht noch in den Sternen. Erste Vorgespräche seien aber positiv gelaufen, heisst es.
Von Brigitte Elsner-Heller
Es war Thomas Morus, der 1516 eine Musterstadt beschrieb, ihr den Namen „Utopia“ gab und damit den Begriff Utopie in die Welt brachte, der bis heute – nicht nur in der Kultur – Früchte trägt. Der erste war er freilich nicht, der eine modellhafte Erzählung schuf, um ein Allgemeinwesen in seinen verschiedenen Aspekten zu beschreiben. Mit dem griechischen Philosophen Platon etwa wurde bereits der Mythos von „Atlantis“ geboren, des mächtigen Inselstaats, der dem Atlantik seinen Namen gab und der um 9.600 v.Chr. innerhalb eines Tages und einer Nacht in den Meeresfluten versunken sein soll.
Atlantis liegt im Bodensee
Das Theater Konstanz bringt nun mit einigem Witz eine neue „These“ auf: Atlantis liegt im Bodensee. Hintergrund ist der Plan, im Frühsommer 2020 mindestens ein Theaterschiff auf den Bodensee zu schicken und damit die Anrainerstaaten Deutschland, Schweiz und Österreich mal wieder „theatral“ in ein Boot zu holen. Augenblicklich befindet man sich nach Angaben des Theaters mit Kultureinrichtungen der Anrainerstaaten zum Teil schon in Vorgesprächen und hat auch erste positive Signale erhalten. Das Theater Konstanz rechnet mit Kosten in Höhe von 300 000 bis 700 000 Euro, wobei Intendant Christoph Nix mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg in Verhandlung steht. Zur Realisierung des Projekts bringt er sogar eigene Rücklagen des Theaters ins Spiel, die aus Gewinnen der Münsterfestspiele 2016 und 2017 erwirtschaftet wurden. Dass der frühe Pressetermin, bei dem es mehr um Pläne und Ideen als um harte Fakten geht, dem Projekt Rückenwind verschaffen soll, darf wohl vorausgesetzt werden. Der Ansatz, auch in der Sparte Theater wieder gemeinsame Projekt anzustossen, ist aber natürlich zu begrüssen.
Der Konstanzer Theaterintendant Christoph Nix. Bild: Brigitte Elsner-Heller
Frühestens im Mai 2020 soll mindestens ein großes Theaterschiff auslaufen – schon hier werden die Verhandlungen mit den Bodensee Schiffsbetrieben keine einfache Sache werden, da mit dem Sommer auch die Hochsaison der Schifffahrt auf dem Bodensee kommt. Und da es am besten gleich eine Flotille sein sollte, die auf dem Bodensee Präsenz zeigt, werden auch private Schiffseigner und Segelvereine angesprochen.
Historische Stoffe und aktuelle Texte
Gespielt werden sollen alte und neue Stoffe. Hermann der Lahme von der Reichenau oder Jan Hus könnten so auf Homers Odyssee treffen, und im Jungen Theater dürften dann auch Piraten mit von der Partie sein. Es ist vorgesehen, ein Autorenteam zu bilden, um Stücke oder auch Textfragmente auf ihre Eignung hin abzuklopfen und daraus neue Mikrogeschichten zu stricken. Aufgeführt werden sie dann entweder als Kammerspiel auf dem Schiff selbst oder das Schiff dient im jeweiligen Hafen, wo es anlandet, als Bühne. Als erster Ort wird Friedrichshafen angelaufen, Lindau, Bregenz und Bodman sollen folgen, je nach Resonanz auch weitere Orte am See. „Botschafter“ sollen rund um den See für das Projekt aktiv werben, Schulen oder Theaterclubs eingebunden werden. Für Christoph Nix ist es auch vorstellbar, dass sich freie Theatergruppen etwa aus dem Thurgau beteiligen.
Auf der Suche nach Atlantis: das Theater Konstanz will die Inselwelt in den Bodensee holen. Ob das klappt? Bild: Athanasius Kircher [Public domain], via Wikimedia Commons
Ob sich Atlantis im Bodensee wird finden lassen? Christoph Marthaler hat an den Münchner Kammerspielen mit „Tiefer Schweb“ bereits einen fiktiven Theaterort an der tiefsten Stelle des Bodensees eingerichtet – ein wildes Stück um kulturelle und menschliche Abgeschiedenheit, das man auch am Konstanzer Theater noch einmal in Augenschein nehmen will. Was beim umtriebigen Konstanzer Intendanten Christoph Nix immer wieder durchschlägt, ist seine politische Haltung. „Theater ist politisch, auch wenn es nicht politisch ist“, erklärt er und weist auf die Gemeinsamkeiten der am Bodensee gelegenen Regionen hin: Es handle sich um Bereiche, die am Rande ihrer eigenen Welt lägen. „Es geht um die Entwicklung utopischer Entwürfe, wie mitten in Europa drei verschiedene Anrainerstaaten überhaupt ein Lebensmodell entwickeln können, aus dem heraus es sich lohnt, europäisch-schweizerisch zu sein“, heisst es weiter zum angedachten Projekt.
Atlantis als schwimmende Insel?
Wie dem auch sei: Die Erinnerung an das Triangel-Festival, das Rainer Mennicken (Intendant am Theater Konstanz 1993-2001) einst für das Junge Theater ins Leben rief, lässt Herzen immer noch höher schlagen. Und auch der Autorenwettbewerb, den die Theater Konstanz und St. Gallen ausgerichtet haben, war ein positiver Ansatz. Warum also nicht jetzt schon die Werbetrommel rühren für dieses neue „utopische“ Projekt „Atlantis liegt am Bodensee“?
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