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Arbeiten an der Armutsgrenze

Arbeiten an der Armutsgrenze
Es ist Zeit zu protestieren: Die neuesten Zahlen zu den Einkommen von Künstlerinnen und Künstlern sind ein Skandal, findet Michael Lünstroth, Redaktionsleiter bei thurgaukultur.ch | © Thurgaukultur

Die Gesellschaft hat die Leistung, die Künstler erbringen, immer noch nicht erkannt. Das zeigen neue Zahlen zum Durchschnittseinkommen von Kulturschaffenden. Zeit, dass sich daran etwas ändert.

Von Michael Lünstroth

Wir müssen an dieser Stelle nochmal über ein leidiges Thema sprechen - das liebe Geld. Anlass dazu sind neue Zahlen dazu, wie viel Geld Künstler und Künstlerinnen mit ihrer Arbeit wirklich verdienen. Die Statistik stammt von der Künstlersozialkasse aus Deutschland und macht deutlich, dass da irgendwas nicht richtig läuft. Ein paar Beispiele. So liegt das durchschnittliche Einkommen spartenübergreifend bei 12.372 Euro. Im Jahr. Wie in allen anderen Berufen geht es den Frauen (11.401 Euro im Jahr) auch in der Kunst schlechter als den Männern (13.275 Euro im Jahr).

Schaut man sich die einzelnen Sparten genauer an, ergibt sich ein regelrechtes Armuts-Ranking: Besonders hart trifft es demnach Schauspieler, Tänzer und alle anderen, die sich im Bereich der Darstellenden Künste bewegen: Sie bringen es im Schnitt auf 9980 Euro im Jahr. Auf den weiteren Plätzen folgen Musikerinnen und Musiker (11.395 Euro im Jahr), bildende Künstlerinnen und Künstler (13.923 Euro im Jahr) und schliesslich all jene, die im weitesten Sinne mit dem Wort arbeiten: Schriftsteller, Autoren, Journalisten (ja, auch die sind Teil der Künstlersozialkasse in Deutschland; 16.723 Euro im Jahr).

Diese Zahlen sind ein Skandal

Auch wenn es sich in der Schweiz vielleicht noch etwas anders verhält, aber der Trend ist auch bei uns derselbe. Und der ist, gelinde gesagt, ein Skandal. Auch im 21. Jahrhundert ist der Wert den Künstlerinnen und Künstler für die Gesellschaft erbringen, nicht anerkannt. Und man fragt sich, warum das eigentlich so ist. In Zeiten wie diesen mit auseinanderdriftenden Sphären in der Gesellschaft, sind Kulturschaffende wahrscheinlich so wichtig wie nie. 

Ein Problem der öffentlichen Wahrnehmung ist, dass immer wieder der Fokus in der medialen Berichterstattung auf dem Riesenhaften liegt. Kunst-Superstars, die mit ihren Werken Millionenbeträge erzielen oder Auktionen bei denen ein Werk von dem man nicht mal sicher weiss, ob es wirklich von Leonardo da Vinci stammt, für 450 Millionen Dollar unter den Hammer kommt, bestimmen die Schlagzeilen. Tatsächlich ist es so wie Rahel Müller, bildende Künstlerin aus dem Thurgau, neulich erklärt hat: „„Die sich deutlich zeigende Schere zwischen den Hypestars, die teuer vermarktet werden und in den Medien und überall sichtbar platziert werden und den vielen, vielen anderen, die zwar genauso gute Arbeit leisten, aber nicht in diese Wahrnehmungsbreite gelangen, geht immer weiter auseinander.“ 

Wer etwas ändern will, fange bei sich selbst an

Es wird Zeit, dass sich daran was ändert. Zum Teil liegt das auch an uns. Dem Publikum. Statt sich immer nur von Mega-Events beeindrucken und verführen zu lassen, wäre es ein Anfang auch mal die Vernissage, die Aufführung, das Konzert eines nicht so bekannten Künstlers zu besuchen. Im Ort, in der Region, im Kanton und darüber hinaus. Sie werden überrascht sein, wie gut diese Arbeiten oft sind. Am Ende gewinnen alle: Das Publikum neue Ansichten und die Künstlerinnen und Künstler zumindest ein Gefühl davon, dass ihre Arbeit nicht vergebens ist und sie sehr wohl Menschen interessiert. Vielleicht wäre das auch der Anfang einer Welt von der der Frauenfelder Schauspieler und Regisseur Giuseppe Spina träumt: „Eine Gesellschaft, in der die Kultur und Kulturschaffenden einen hohen Stellenwert geniessen und in der es den Leuten wert ist, Geld für den Konsum von Kultur auszugeben.“  

Es liegt auch an uns. Packen wir es an!

 

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