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Shakespeare geht baden

Shakespeare geht baden
Shakespearesche Wasserspiele: Mit "Liebe macht nass" wird die Bodenseetherme Konstanz erstmals zur Theaterbühne. Und zu was für einer. | © Fridolin Weiner/Theater HTWG

Starkstrom trifft Thermalwasser. Sensible Instrumente treffen tropisches Klima. Eine Badelandschaft ist die Bühne, wenn das Studententheater der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG) gemeinsam mit der Südwestdeutschen Philharmonie „Romeo & Julia" ab Mittwoch in ungewöhnlichem Ambiente inszeniert. Ist das alles nur eine aufmerksamkeitsheischende Masche oder kann dabei wirklich Kunst entstehen? Eine Spurensuche

Von Michael Lünstroth

Es ist nicht so, dass hier normalerweise kein Theater gespielt würde. Vielmehr ist es doch so, dass hier eigentlich jeden Tag Theater gespielt wird. Badetempel wie die Bodenseetherme Konstanz sind klassische Aufführungsorte des Alltagstheaters. Oder glaubt tatsächlich jemand, dass sich die meisten Badegäste vorher nicht sehr genau überlegten, welche Kleidung sie in diesem intimen Ort tragen? Und dass sie nicht genau darauf achteten, wie sie sich selbst und auch die anderen auf diesem rutschigen Terrain bewegen? Eben.

Und trotzdem ist das, was ab dem 11. Januar an diesem Ort passieren wird, in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Mal kurz zusammengefasst: Ein Studententheater inszeniert mit einem Profiorchester einen Klassiker der Theatergeschichte in einer Therme. Ja, genau, Sie haben richtig gelesen - in einer Therme. Publikum wie Ensemble müssen zur Aufführung in Badekleidung erscheinen. Und: Hier kommen Dinge in Berührung, die genau das eigentlich nicht sollten, wenn man bei einigermassen klarem Verstand ist. Starkstrom und Wasser zum Beispiel. Oder sensible Musikinstrumente und feucht-warmes Klima. Verantwortlich für dieses Abenteuer sind vor allem zwei Männer.

Haut an Haut: Bei "Liebe macht nass" gibt es keine Berührungsängste. Bild: Fridolin Weiner/Theater HTWG

Felix Strasser, Theaterpädagoge und Leiter des Hochschultheaters der HTWG, und Beat Fehlmann, Intendant der Südwestdeutschen Philharmonie. Und eigentlich müsste man noch Robert Grammelspacher dazu nehmen. Der Geschäftsführer der Konstanzer Bädergesellschaft, zu der die Bodenseetherme gehört, hatte den Orchesterchef Fehlmann gefragt, ob man nicht zum zehnjährigen Bestehen der Therme gemeinsam etwas Besonderes machen wolle. Dass es nun so besonders werden würde, hatte Grammelspacher bei seiner Anfrage sicher nicht erwartet.

Aber bleiben wir bei den eigentlichen Protagonisten: Beat Fehlmann und Felix Strasser. Sie kennen sich gut, mögen sich und arbeiten sehr gerne zusammen. Zuletzt bespielten sie gemeinsam eine Konstanzer Grossraumdiskothek mit dem „Sommernachtstraum". Schon damals dachten viele durchaus respektvoll: „Die trauen sich was!" Mit der Inszenierung in der Therme wird das nun noch einmal getoppt. Die Vorbereitungen dazu laufen seit mehr als einem Jahr. Der Aufwand für die dreimalige Aufführung ist gewaltig. Logistisch, technisch und menschlich bringt es viele Beteiligten an ihre Grenzen.

Trifft man Felix Strasser in diesen Tagen, dann könnte man auch den Eindruck bekommen, dass er sich selber fragt, wie er sich auf dieses Mammutprojekt einlassen konnte. „Es ist mit Abstand das aufwändigste Projekt, was wir hier je gemacht haben", sagt Strasser. Facebook-Nutzer können das seit Tagen auch regelmässig mit verfolgen. Das Hochschultheater postet intensiv zu den Vorbereitungen. Zuletzt war dort von Proben bis um 3.15 Uhr in der Nacht zu lesen. Am Ende soll ja nicht nur die Location in Erinnerung bleiben, sondern auch die Inszenierung. Ausserdem ginge es auch kaum anders - die Therme ist regulär bis 22 Uhr geöffnet. Erst danach kann das Ensemble mit der Arbeit beginnen. Mit der Entscheidung für den Shakespeare-Stoff „Romeo & Julia" ist das Thema gesetzt. Aber Regisseur und Projektleiter Felix Strasser wäre nicht Felix Strasser, wenn er nun einfach den Klassiker in neuer Umgebung umsetzen würde.

Zwei Familien streiten um Liebe, Ehre und ein Konzerthaus

Gemeinsam mit Fridolin Weiner hat er eine neue Textfassung erarbeitet. Mit neuem Titel: „LIEBE MACHT NASS". Absichtlich in Versalien geschrieben, um der Doppeldeutigkeit willen. „Im Kern ist es schon die alte Geschichte von Shakespeare. Wir wollten aber auch eine Konstanzer Geschichte erzählen", erklärt Felix Strasser. Und so wurden aus den Capulets und Montagues, hier nun die Moosbrugger und die Amanns und der Konflikt zwischen ihnen dreht sich nicht in erster Linie um Liebe, Ehre, Moral und Mut, sondern um den Bau eines Konzerthauses. In Konstanz. Dazu muss man wissen: Konstanz versucht seit Jahrzehnten ein solches Haus zu bauen - und ist immer wieder daran gescheitert. Zuletzt 2010. Die Mehrheit der Bürger lehnte den Bau eines Konzerthauses auf Klein Venedig ab. „Die Meinungen damals gingen extrem auseinander. Das ganze Thema hat die Stadt geteilt. Seither gab es kein anderes Thema, das die Menschen hier so beschäftigt hätte", findet Felix Strasser. Deshalb lag es für ihn auf der Hand, sich genau diesen Mikrokosmos noch mal näher anzuschauen.

Und so werben nun beispielsweise die Amanns mit dem trumpesken Slogan "Make Konstanz great again" für den Konzerthausbau. Die Besucher des Abends werden sich zunächst übrigens auf einer Benefizveranstaltung der Amanns für den Bau dieses Konzerthauses wiederfinden. Das Stück soll längst begonnen haben, bevor das Stück beginnt. Wobei - im Grunde läuft das Stück längst. Auf Facebook bekriegen sich die beiden Familien bereits jetzt mit ihren Kampagnen. Und auch das ist ja Teil der Inszenierung. Wie gut schon alleine dieser Teil geworden ist, merkt man erst richtig, wenn man sich noch mal die echte Kampagne der damaligen Konzerthaus-Befürworter vor Augen führt.

Make Konstanz great again: So werben die Amanns für ihr Konzerthaus.

Echt komisch: Wie die Studenten die Konzerthaus-Kampagne parodieren

Während es Felix Strasser vermutlich leicht fiel, seine Studenten von dem Projekt zu begeistern, musste Philharmonie-Intendant Beat Fehlmann wohl mehr Überzeugungsarbeit bei seinen Musikern leisten. „Ich habe dem Orchester über den Inhalt und die Vorbereitungen bezüglich der klimatischen Verhältnisse berichtet, was ein großer Teil der Skepsis in Neugier gewandelt hat", erklärt der Schweizer. Die Sorgen seiner Musiker hat er aber natürlich trotzdem ernst genommen. „Wir haben deshalb von einem Geigenbauer ein Gutachten machen lassen und bereits vor einem Jahr zwei Konzerte im Kammermusik-Format in der Therme durchgeführt. Weiter werden wir für die Proben und die Aufführungen das Klima verändern können, die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur wird reduziert werden können, so dass der Unterschied zu einer „normalen" Situation deutlich und merklich geringer sein wird", sagt Beat Fehlmann.

Ein Kreuzlinger steht mit auf der Bühne bei diesem aberwitzigen Projekt

Mit auf der Bühne steht bei den Aufführungen der Kreuzlinger Kevin Broger. Er studiert eigentlich Angewandte Informatik an der HTWG. Seit mehreren Semestern ist er aber auch Teil der Theater-Hochschulgruppe. Warum er bei dem Projekt mitmacht, erklärt er so: „Ein Punkt ist für mich die Zusammenarbeit mit der Südwestdeutschen Philharmonie. Es ist einfach ein grossartiges Gefühl, auf der Bühne zu stehen während neben einem ein vollständiges Berufsorchester spielt. Zudem bin ich klassischer Musik generell nicht abgeneigt und man findet durch solche Projekte einen viel besseren Zugang zu der Musik, als wenn man sich zuhause auf YouTube irgendwelche klassischen Werke anhört", erklärt der Student. er übernimmt im Stück die Rolle des Schwimmmeisters, die an jene des Fürsten von Verona aus dem Originalstück angelehnt ist.

Neben dem Zusammenspiel mit dem Orchester hat Broger auch der Spielort gereizt: „Ich muss zugeben dass ich anfangs eher skeptisch war als ich gehört habe, dass das Stück in der Therme gespielt wird. „Wieso überhaupt in der Therme?", „Will man einfach einen möglichst exotischen Spielort?" und „Klappt das überhaupt, wenn zusätzlich noch ein gesamtes Orchester dabei ist?" waren Fragen die ich mir zu Beginn gestellt habe. Hinter solchen Fragen steckt aber natürlich eine Neugier, die gerne gestillt werden will", so Broger.

Für den Philharmonie-Intendanten Beat Fehlmann ist das Projekt auch ein weiterer Mosaikstein der Öffnung des Orchesters. „Wir müssen auch dahin gehen, wo uns die Leute nicht erwarten", findet Fehlmann. Die Rechnung ging auf - seit seinem Amtsantritt steigt die Zahl der Abonnenten und Zuschauer stetig. Die Beliebtheit des Klangkörpers in Stadt und Region war selten so hoch wie aktuell.

Sein eigenes Bade-Outfit für die Premiere hatte Beat Fehlmann vor Weihnachten noch nicht parat. „Vielleicht hilft mir in dieser Frage sogar das Christkind", hatte er damals noch gescherzt. Ob und was das Christkind ihm gebracht hat, auch das können alle Zuschauer von „LIEBE MACHT NASS" am 11., 13. und 14. Januar sehen.

Karten für die Aufführungen gibt es über die Internetseite der Südwestdeutschen Philharmonie

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