von Brigitta Hochuli, 23.03.2014
Bohumilov am Seerhein
Brigitta Hochuli
Nicht in Gottlieben, sondern im tschechisch benannten Bohumilov findet die Hotel Performance „Hecht an der Grenze“ statt. Die zahlreichen Eröffnungsgäste aus der Urschweiz bis nach München liessen sich von Orts- und Schiffsanlegeschild aber nicht beirren. In Gesprächen interessierte sie neben der witzigen und tiefgründigen, anregenden und andersartigen Ausstellung mit Videos und Performances in den alt belassenen Hotelzimmern viel mehr der daran vorbeifliessende Seerhein. Wie gelangt man hinüber ins Wollmatinger Ried? Gibt es eine Fähre? Braucht es einen Pass?
Versöhnung und Mahnmal
Bohumilov verwirrt wohl eher die Einheimischen. Der neue Name des 300-Seelen-Dorfs auf Zeit ist die Idee des Künsters und Performers Martin Chramosta, der väterlicherseits Tscheche ist. Als er erfahren habe, dass Jan Hus in der Burg Gottlieben vor seiner Hinrichtung festgehalten worden sei, habe er Gottlieben umbenannt. „Die simple Übersetzung erzählt von Versöhnung, posthumer Reklamierung christlicher Werte wie Gnade und Vergebung, aber auch von temporärer, territorialer Inbesitznahme: als Mahnmal, Irritation, Erinnerung - diesmal in die andere geografische Richtung“, schreibt er in der Ausstellungszeitung, die bis zum Ende des Projekts am 30. März täglich erscheint.
Der Ort als Protagonist
Im Sinn von Bohumilov, Ort des Gottlieb, wollen die Organisatorinnen Cécile Hummel, Dagmar Reichert und Andrea Saemann ihr Konzept denn auch verstanden wissen. Der liebliche Ort sei Protagonist, beschreiben sie ihr Projekt. Sie wollten in den Arbeiten unterschiedlichste Bezüge zur Welt herausdestillieren und zurück an den Ort vermitteln. „Solche Bezüge gab es seit jeher: Die Schiffanlegestelle und das Hotel erlaubten ein Andocken und Ankommen der Fremden in der Fremde. Die Grenze im Blick.“
Das Hotel Hecht, wie es Evi, Nic & C verstehen (oben li), Notizen aus dem Empfangszentrum Kreuzlingen von Annatina Caprez & Nistiman Erede (oben re), Aussenrauminstallation von Claudio Moser (im Hintergrund das Hotel Hecht (Mitte li), Bambuszimmer von Laetitia Reymond (Mitte re), Tagblatt-Redaktion „Der Hecht“, in der Mitte Hauptinitiantin und Hotelierstochter Cécile Hummel (unten li), Skelett von Sabian Baumann & Kristin T. Schnider (unten re). Bilder: Brigitta Hochuli
Erik Satie und mehr
Teil der Eröffnungstage vom 22. und 23. März waren auch die Vexations von Erik Satie, nicht nur organisatorisch beigesteuert von forum andere musik. Mehr dazu hier.
Mehr zu den Künstlerinnen und Künstlern erfahren Sie im angefügten Text, liebe Leserin, lieber Leser. Alles zu den Veranstaltungen im Rahmen von „Hecht an der Grenze“ erfahren Sie auf der Webseite zum Projekt und im Vorbericht der „Thurgauer Zeitung“.
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