von Sascha Erni, 07.12.2014
Der lange Abschied
Am 28. August 2012 verstarb der Thurgauer Fotograf Dieter Berke. Nun löst seine Tochter Nahani Berke das Atelier in Pfyn auf. Ein zartbitterer Abschied von einem unterschätzten Künstler.
Sascha Erni
Ein Räucherstäbchen verkohlt, der Wasserkocher steht neben Instant-Kaffee und Kräutertees. Die Besucher unterhalten sich angeregt, es wird gelacht, man tauscht Erinnerungen aus. Als wir am Sonntag im VSP-Areal in Pfyn Berkes Atelier betreten ist die Stimmung freundschaftlich und gelöst. Dieter Berke ist tot, aber das ist er bereits seit zwei Jahren. In der Zwischenzeit ist die Trauer der Erinnerung gewichen, sein Werk steht im Zentrum.
Dieter Berkes Atelier in Pfyn wird aufgelöst. (Bilder: Sascha Erni)
Aber immer schwingt auch die Person «Dieter Berke» mit, dieser Fotograf mit Ecken und Kanten, Künstler und Macher, der Grosses leistete aber ausserhalb des Thurgaus kaum Beachtung gefunden hat. «Nicht einmal die Fotostiftung in Winterthur hat sich wirklich für die Hinterlassenschaft interessiert», sagt uns ein Gast hinter vorgehaltener Hand. Dann sinkt die Hand, denn alle Anwesenden kennen Berkes Geschichte.
Vom Handwerk zur Kunst
Mit der Werbe- und Sportfotografie habe er Geld verdient, aber es hätte ihn gelangweilt, meint etwa Berkes ehemaliger Foto-Assistent Bernhard Blaser. Die einzige Herausforderung sei damals die technische Perfektion gewesen, gutes Licht, keine Fehler. Es ging nicht um Kreativität, nicht um eine Idee, nicht um deren Umsetzung. Handwerk. Dann der Bruch, Berke setzt alles auf eine Karte. Und verliert, indem er sich treu bleibt.
Im Atelier: In der Mitte eine Doppelbelichtung Berkes mit Tochter Nahani.
Die Besucher studieren Berkes Werk.
Seine Werke haben wenig mit Werbefotografie gemein, mit der er seinen Kühlschrank füllen musste. Viel Schwarzweiß, hunderte von Polaroid-Aufnahmen. Bewusst verwackelt, Mehrfachbelichtungen, grafische Arbeiten, Serien. Emotionen, gebannt in Silberhalide oder gebunden in Büchern wie «Die Thur» oder «Slow Motion». Sein letztes Bild hängt im Treppenhaus, gleich neben der Tür zum Atelier. In düsteren Farben versucht es, Krankheit und Tod fassbar zu machen. Eine Visualisierung der Krebserkrankung? Oder der pragmatische Versuch, sie zu begreifen, weil Berke selbst betroffen war?
Austeilen und Einstecken
Wir trinken Tee. Man dürfe gerne rauchen, wenn es keinen der Besucher störe, sagt Nahani Berke. Die Schaffhauserin, selbst Künstlerin, löst das Atelier aus praktischen Gründen auf. Mal kurz an einem Nachmittag in Pfyn zu arbeiten sei unmöglich, hin und zurück ist sie drei Stunden unterwegs. Zeit und Miete ist in der Nähe besser investiert. Sie habe Hemmungen gehabt, den Schritt früher zu tun, aber ihr Vater habe auch immer betont: Materie ist nichts. Das sind nur Dinge, nicht wichtig.
Auch das Handwerkzeugs des Fotografen steht zum Verkauf.
Nahani Berke kennt jedes seiner Werke, kann zu jedem eine Anekdote erzählen, Kontext liefern, das jeweilige Bild einordnen.Sie ist dabei nicht unkritisch, nicht beschönigend. Ihr Vater war Perfektionist, und er konnte Kritik vertragen, wie auch Bernhard Blaser betont: Dieter Berke konnte austeilen, aber auch einstecken. Vielleicht hätte man ihm zwischendurch mehr austeilen müssen, sinniert Blaser. Dann lächelt er.
Selbstporträt, entstanden während einer Amerikareise: Ohne Titel, S/W-Polaroid. (Bild: Dieter Berke/Quelle Kunstmuseum Thurgau)
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Dieter Berke – der nach der verdichteten Zeit suchte - thurgaukultur.ch vom 4.09.2012
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Offenes Atelier: Dieter Berke. Pfyn, VSP-Areal. Weitere Termine: 13. Dezember und 14. Dezember 2014, jeweils von 10 bis 17 Uhr.
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