22.11.2011
Indisch angehaucht

Das forum andere musik lädt ab 2. Dezember zu „Aufwirbelungen von Gedanken“. Inspiriert ist die Veranstaltungsreihe von der Plattform „manthan“ in Delhi.
Brigitta Hochuli
Das forum andere musik konzentriert sich im elften Jahr des Bestehens längst nicht mehr auf Neue Musik; es spielt „anders“ im übertragenen Sinn. Der Anspruch ist hoch. Im Programm unter dem Titel manthan[west] geht es um nichts weniger als um den Prozess des kreativen Entwickelns in Kunst, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft.
Seit vier Jahren ist Nicole Gsell Hohl Geschäftsführerin des forums. Die 43-Jährige ist studierte Cellistin und Kulturmanagerin mit Wurzeln im Thurgau. Der Kerngedanke des neuen Programms beruhe auf Einblicken der früheren Präsidentin Claudia Rüegg in das kulturelle Leben der Riesenmetropole Delhi, erklärt sie. Die Weitläufigkeit und Grösse dieser Stadt erschwerten die Pflege von Kontakten unter Gleichgesinnten. So sei, aus dem Bedürfnis nach professionellem Austausch über die eigenen Fachgrenzen hinweg die Plattform „manthan“ entstanden.
Projekt Unsterblichkeit
Claudia Rüegg war 2009 auf Einladung der Pro Helvetia in Delhi. „Die Distanzen in dieser Stadt sind immens, Delhi erstreckt sich über eine Fläche von knapp 1500 Quadratkilometern“, schrieb sie im Blog von thurgaukultur.ch. „Kleine Abschnitte auf dem Stadtplan bedeuten schnell Strecken von acht, vierzehn oder zwanzig Kilometern.“ Da könne der Weg von A nach B zu einem langwierigen und erschöpfenden Unternehmen werden.
Gut zu wissen also, dass es eine auffindbare Plattform gibt. „manthan“ ist Sanskrit und heisst „aufwirbeln, schwingen, aufwühlen“. Nicole Gsell präsentiert dazu die Sage des Samudra Manthan. In der Geschichte trifft ein König einen Weisen. Sie geraten in einen Streit, der in Schlachten zwischen Himmelswesen und Dämonen mündet. Als das Böse zu obsiegen droht, greift der Gott Vishnu ein und rät zu einem gemeinsamen Projekt: mit vereinter Kraft soll das Milchmeer aufgewirbelt und so Unsterblichkeit gewonnen werden.
Selbstläufer
Dieses Aufwirbeln habe man der neuen forums-Reihe manthan[west] zugrunde gelegt, sagt Nicole Gsell. „Wir möchten Persönlichkeiten zusammenführen, deren Denkweisen, Methoden und Strategien gebündelt und sich möglicherweise gegenseitig befruchten können.“ Im besten Fall soll dies „zu neuen Visionen und Perspektiven verführen“, wie der Flyer verspricht. Wichtig sei, betont die Geschäftsführerin, dass aus der gegenseitigen Öffnung zwischen beispielsweise Manager und Musikerin neue Verbindungen entstehen könnten. Was sich aus diesem Austausch entwickle, sei unkontrollierbar. Das seien Selbstläufer.
Je fünf Personen
An den Veranstaltungen sollen jeweils fünf Personen in einer je 13-minütigen „Performance“ Einblicke in ihre Arbeit gewähren und von aktuellen Projekten, Plänen oder Produkten berichten. Am 2. Dezember sind der Architekt Beat Consoni, der Autor und Journalist Stefan Keller, der Biotechniker und Betriebswirtschafter Christoph Meili, der Musiker Tobias Preisig und die Künstlerin Katja Schenker eingeladen. Die Beiträge der Geladenen werden von Ernst Thoma fortlaufend auf der Webseite des forums präsentiert werden. Wie beim indischen „manthan“ solle ein Pool von Personen und Projekten zugänglich gemacht werden, aus dem jederman schöpfen und den er weiterverlinken könne.
Infrastruktur für die Neugierde
„manthan[west]“ sei keine offene Diskussionsrunde wie etwa die Debatten der Kulturstiftung. Auch sei die Reihe nicht in der Absicht konzipiert, konkrete Lösungen zu entwerfen. „Mit ,manthan[west]‘ soll eine Plattform für Berichte aus der kreativen Praxis interessanter Zeitgenossen geschaffen werden“, sagt Nicole Gsell. Die Runde sei offen gegenüber allen Sparten, Berufsgruppen und gesellschaftlichen Bereichen, offen für Menschen, die in ihrem Wirkungsbereich überraschende und innovative Lösungen gefunden hätten. Sie sollten ausfindig gemacht und vorgestellt werden. „Es geht um Neugierde und Begeisterung, in einem zweiten Schritt allenfalls um Vernetzungen. Wir bieten dazu die Infrastruktur.“ Im Sinn der „Aufwirbelungen“ begrüsst sie Hinweise auf spannende Projekte und Persönlichkeiten. - Sich melden und in der Kreuzlinger Seeburg Plätze reservieren kann man bei look@forumanderemusik.ch.
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Begeisterte Seglerin
Nicole Gsell Hohl ist 1963 in Herisau geboren und dort aufgewachsen. 1987 zog sie nach Winterthur, um Violoncello zu studieren. Nach dem Studium unterrichtete sie acht Jahre Violoncello an der Musikschule Wil. Parallel war sie beim Musikkollegium Winterthur zuständig für PR und Jugendarbeit, betreute Konzertreihen und leitete Projekte. An der ZHAW hat Nicole Gsell zudem Kulturmanagement studiert. Heute ist sie als Geschäftsführerin für Kulturorganisationen vorwiegend im Bereich der zeitgenössischen Musik tätig, organisiert Konzerte oder sichert die Finanzierung von Anlässen und Veranstaltungsreihen. Auch erteilt die Mutter von drei Kindern wieder vermehrt Cello-Unterricht. Ihre Thurgauer Wurzeln reichen nach Zihlschlacht, das Nicole Gsells Bürgerort ist. Als Kind habe sie jedes segelbare Wochenende und alle Ferien auf dem Bodensee verbracht. „Ich bin noch heute eine begeisterte Seglerin.“ (ho)