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von Brigitta Hochuli, 24.05.2011

Kulturforum Amriswil: Förderbeiträge übergeben

Kulturforum Amriswil: Förderbeiträge übergeben
Die Förderbeiträge des Kantons Thurgau 2011 bekamen in Amriswil: Massimo Buonanno, Andrea Gerster, Judit Villiger, Leopold Huber, Johannes Gees und Sarah Hugentobler (v.l.). | © Brigitta Hochuli

Künstler sind heute auf der ganzen Welt zu Hause. Den sechs, die 2011 vom Kanton gefördert werden, ist der Thurgau aber nicht zu eng. Wir haben sie dazu befragt.

Brigitta Hochuli

Aus 42 Bewerbungen hat eine Fachjury des Kantons folgende Künstlerinnen und Künstler für einen Förderbeitrag von je 25‘000 Franken ausgewählt: Massimo Buonanno, Musiker, Egnach; Johannes Gees, bildender Künstler, Zürich; Andrea Gerster, Autorin, Freidorf; Leopold Huber, Regisseur, Altnau; Sarah Hugentobler, bildende Künstlerin, Bern, sowie Judit Villiger, bildende Künstlerin, Steckborn.

Sie alle äussern sich exklusiv für thurgaukultur.ch zur Bedeutung ihrer Herkunft. Angaben zu den Biografien, zur Jury und zur Feier finden Sie danach folgend.

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Sie sind entweder im Thurgau aufgewachsen oder haben heute einen starken Bezug zum Kanton. Was bedeutet Ihnen vor diesem Hintergrund die Tatsache, dass dieser Förderbeitrag aus dem Thurgau kommt? Fühlen Sie sich dadurch in einer besonderen Weise geehrt oder in der Verwendung des Geldes allenfalls heimatlich verpflichtet?

Massimo Buonanno: Ich fühle mich natürlich sehr geehrt, diesen Förderbeitrag zu bekommen. Es zeigt auch einmal mehr, dass dem Kanton Thurgau sehr viel an der Kultur liegt und sie sehr stark unterstützt wird.

Johannes Gees: Ich freue mich natürlich darüber, dass der Kanton Thurgau meine Arbeit anerkennt; ein Beschäftigung mit dem Kanton ist für mich überhaupt kein Müssen, sondern pure Lust. Ich leide nicht am Thurgau. Wenn ich leide, dann an der Welt.

Andrea Gerster: Der Förderbeitrag vom Kanton Thurgau, in dem ich lebe und arbeite, freut, ehrt, motiviert, bestätigt und erfüllt mit grosser Dankbarkeit.

Leopold Huber: Zuerst kommt immer der Einsatz für eine Sache. Als überzeugter Provinzler bin ich aber stolz, wenn der Thurgau Gutes aufzuweisen hat: Eine gute Firma, eine gute Theateraufführung, eine gute Schule etwa. Ich möchte zum Ansehen des Kantons beitragen. Wenn der Kanton das anerkennt, freut mich das natürlich.

Sarah Hugentobler: Ich bin im Kanton Thurgau aufgewachsen. Ich habe meine Wurzeln im Kanton Thurgau. Diese Verbindung spüre ich, wenn ich die Landschaft sehe, im Wald oder am See bin. Auch meine Familie, mit deren Geschichten ich mich beschäftigt habe, hat weitreichend ihre Wurzeln im Thurgau.

Judit Villiger: Der Förderbeitrag ist eine Bestätigung, dass der Thurgau an mein Potential glaubt. Er ist mir ein Ansporn, meine Arbeit weiterzuentwickeln.

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Bedeutet Ihnen der Thurgau Heimat? Und wenn ja, in welcher Hinsicht? (Wir haben gerade ein Max-Frisch-Jahr!)

Massimo Buonanno: Für mich ist der Thurgau meine Heimat.Obwohl ich viel im Ausland bin, komme ich immer wieder gerne nach Hause und geniesse die Schönheiten des Thurgaus.

Johannes Gees: Ich atme nicht auf, wenn ich im Zug zwischen Winterthur und Frauenfeld die Kantonsgrenze überquere. Ich fühle mich an vielen Orten zu Hause. Der Thurgau ist sicher einer davon. (An der Feier in Amriswil sagte Gees: "Im Thurgau hatte ich das erste Mädchen und den ersten Rausch, vom Thurgau aus habe ich die erste Reise gemacht. Mehr kann Heimat nicht sein.")

Andrea Gerster: Frisch hin oder her, im Kanton Thurgau lebe ich seit 30 Jahren und auf den Bodensee habe ich mittlerweile sogar einen Besitzanspruch entwickelt.

Leopold Huber: Die Heimat ist immer eine Frau. So kam ich in den Thurgau. Wenn ich die Autobahn Zürich-St.Gallen verlasse und in den Thurgau komme, habe ich das Gefühl, jetzt bin ich daheim. Mit dem Wachsen meiner Kinder verblasste meine ursprüngliche Heimat Österreich; dieser Verlust ist mit einer leisen Wehmut verbunden. Hamsun hat das formuliert: „Die sich aus den Bindungen frei gemacht hatten, zogen überall, wo sie sich herumtrieben, abgerissene Wurzeln hinter sich her.“

Sarah Hugentobler: Mich verbindet vor allem meine Familie, meine Kindheit und die Landschaft mit dem Thurgau. Dies sind Themengebiete, die in meiner Kunst vorkommen können und schon vorgekommen sind. Sie können mich für eine Arbeit inspirieren. Nun wohne ich aber in Bern, wo mein Lebensmittelpunkt ist, ich Kunst studiert habe, und mein Atelier und meine Kontakte zu anderen Kunstschaffenden habe. In Bern arbeite und lebe ich.

Judit Villiger: Ich bin im Thurgau aufgewachsen (Stettfurt und Kreuzlingen, wo ich das Lehrerseminar besuchte) und fühle mich von der Sprache her mit dieser Region verbunden. Ausserhalb des Kantons werde ich oft auf meinen Dialekt angesprochen. Emotional fühle ich mich mit der Landschaft des Kantons Thurgau verbunden. Es schmerzt mich zusehen zu müssen, in welchem Tempo diese sich verändert, respektive zubetoniert wird. Vielleicht muss man weggehen, um beim Zurückkommen zu merken, was man an der Heimat hat.

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Vier von Ihnen verwenden den Beitrag für einen Aufenthalt im Ausland. Oder Sie haben früher im Ausland gearbeitet. Ist der Thurgau doch etwas eng für die Kunst?

Massimo Buonanno: Ich denke: überhaupt nicht. Schlussendlich kann man überall Künstler sein. Ich sehe einfach mehr Möglichkeiten in einer Stadt wie New York für das, was ich musikalisch machen will.

Johannes Gees: Ich bin Gedankenarbeiter. Ob ich in Sommeri oder Sydney bin, spielt doch überhaupt keine Rolle.

Andrea Gerster: Ich denke nicht, dass man weggeht, weil es zu eng ist, sondern weil man Neues sehen und erleben will.

Leopold Huber: Kunst stösst überall an Grenzen. Ich denke nicht, dass man in Berlin mutiger sein kann als im Thurgau. Wenn ich eine Sache richtig finde, dann verwirkliche ich diese im Thurgau genau so, wie ich sie in Wien verwirklichen würde. Für meine künstlerische Entwicklung, die auch mit 55 Jahren noch nicht abgeschlossen ist, sind die Arbeiten an Theatern in Deutschland, Österreich, Italien wichtig. Nur wer über seinen Gartenzaun hinaussieht, behält seine Innovationskraft.

Sarah Hugentobler: Ich besuche den Thurgau, um zurückzukehren in meine Kindheit, in die Nähe von Geschichten und Figuren, die noch immer meine Phantasie bevölkern. Ich nehme sie mit in mein Atelier, wo sie vielleicht auf eine Art und Weise in einer Arbeit auftauchen oder auch nicht.

Judit Villiger: Ich brauche die Pole Stadt (momentan Zürich) und Land (Steckborn Thurgau), um mein Kultur-Netz aufbauen und pflegen zu können. Ich hatte und habe immer wieder den Drang nach Grossstädten, um unbeschränkt Kultur aufzunehmen zu können. Der Thurgau ist mir dabei der Rückzugsort, wo ich Platz und Ruhe zum Arbeiten habe.

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DIE BIOGRAFIEN

Massimo Buonanno, Schlagzeuger, Egnach

Massimo Buonanno, geboren 1984, ist im Thurgau aufgewachsen. Nach dem Vorkurs an der Jazzschule in St.Gallen 2004/05 studierte er am Drummers Collective in New York. Mit dem Thurgauer Förderbeitrag 2007 hatte er die Möglichkeit einer Weiterbildung am Berklee College of Music in Boston, die er 2010 erfolgreich mit dem Bachelor of Music abgeschlossen hat. Ab 1999 gewann der Egnacher mehrfach den «Schweizerischen Drummer- und Percussionisten-Wettbewerb» und spielte mit zahlreichen nationalen und internationalen Bands an renommierten Jazzfestivals. Er ist Bandmitglied bei der Claude Diallo Situation und bei Blizz Rhythmia. Den Förderbeitrag des Kantons Thurgau wird er für die Weiterentwicklung seiner künstlerischen Fähigkeiten in der Musikmetropole New York verwenden.

Johannes Gees, bildender Künstler, Zürich

Johannes Gees, 1960 in Romanshorn geboren und aufgewachsen, lebt und arbeitet in Zürich. Während seines Ethnologie- und Geschichtsstudiums an der Universität Zürich 1980 –1985 spielte er in verschiedenen Bands und näherte sich der bildenden Kunst an. Er ist als freischaffender Künstler tätig und machte sich in den 1990er Jahren mit interaktiven Installationen einen Namen. Thematische Schwerpunkte in seiner aktuellen Arbeit sind die Religionen und ihre Symbole, die Macht, die Freiheit des Künstlers und dessen Beziehung zur Gesellschaft. In den vergangenen fünf Jahren konnte er an zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen und Biennalen im In- und Ausland teilnehmen (u. a. «Interfacing Landscapes» 2006, Kunstraum Kreuzlingen; «Final Fantasy» 2010, mobiles Ausstellungsprojekt in der ganzen Schweiz). Den Thurgauer Förderbeitrag wird Johannes Gees in die Schaffung neuer Werke investieren und in Arbeitsaufenthalte im Ausland.

Andrea Gerster, Autorin, Freidorf

Andrea Gerster, geboren 1959 in Schaffhausen, lebt und arbeitet in Freidorf bei Arbon. Nach einer Ausbildung zur Journalistin ist sie seit 1994 als freie Autorin und seit 1995 als freie Journalistin tätig. Andrea Gerster hat neben zahlreichen Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften verschiedene Werke, darunter zwei Romane, veröffentlicht («Schandbriefe» 2010; «Dazwischen Lili» 2009). Dafür ist sie mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet worden (u. a. Berner Kurzgeschichtenpreis 2010, Finale Biennale Floriana Linz 2006). Ausserdem erhielt sie einen Förderpreis des Kantons St.Gallen. Den Thurgauer Förderbeitrag wird Andrea Gerster für die Realisation des Romanprojekts «Ganz oben» einsetzen.

Leopold Huber, Regisseur, Altnau

Leopold Huber, geboren 1955 in Österreich, lebt und arbeitet in Altnau. Nach ein paar Semestern Psychologie- und Psychiatriestudium an der Universität Wien absolvierte er an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst am Max Reinhardt-Seminar in Wien ein Regie- und Schauspielstudium. Leopold Huber hat zahlreiche Theater-Inszenierungen realisiert, u. a. am Stadttheater Konstanz, am Landestheater Linz und am Landestheater Salzburg. Aktuell ist er Intendant des See-Burgtheaters Kreuzlingen. Für seine Arbeit in den Bereichen Theaterregie, Filmregie, Übersetzung, Textarbeit und Produktion wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Förderpreis des Max Ophüls Filmfestivals Saarbrücken. Den Thurgauer Förderbeitrag wird Leopold Huber für eine musikalische Weiterbildung im Bereich Musiktheater in Berlin verwenden.

Sarah Hugentobler, bildende Künstlerin, Bern

Sarah Hugentobler, 1981 geboren und aufgewachsen in Frauenfeld, lebt und arbeitet in Bern. Nach der Ausbildung zur Kindergärtnerin und dem Vorkurs an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich (HGKZ) 2003/04 erlangte sie 2009 den Bachelor in Fine Arts an der Hochschule der Künste in Bern (HKB). Ausserdem wirkte sie seit 2000 in verschiedenen Theaterproduktionen mit. Ihre Werke wurden in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt (u. a. «timeless – zeitlos» 2010, Kunsthaus Grenchen; «clins d’oeil» 2007, Schauraum Bern). 2010 wurde Sarah Hugentobler mit dem Eidgenössischen Kunstpreis ausgezeichnet. Den Thurgauer Förderbeitrag wird sie für geplante Videoarbeiten sowie für den technischen Support im Bereich Schnitttechniken einsetzen.

Judit Villiger, bildende Künstlerin, Steckborn

Judit Villiger, 1966 geboren in Luzern, ist in Stettfurt aufgewachsen. Zurzeit lebt und arbeitet sie in Steckborn und Zürich. Nach der Ausbildung am kantonalen Lehrerseminar in Kreuzlingen studierte sie 1991– 1996 an der Hochschule für Gestaltung & Kunst Luzern. 1998 erlangte sie den Master of Fine Arts an der School of Visual Arts, N. Y. C. Judit Villiger ist mit ihrer künstlerischen Arbeit in verschiedenen Publikationen vertreten und hat an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen teilgenommen. Aktuell sind ihre Arbeiten im Kunstraum Kreuzlingen zu sehen. 2010 erhielt Judit Villiger das Atelierstipendium von visarte.ch in der Cité Internationale des Arts in Paris. Den Thurgauer Förderbeitrag wird Judit Villiger für die Recherche in Berlin zur Entwicklung eines «rhizomorphen Museums», einer Sammlung von fiktiven Fragmenten zur Ergänzung beschädigter antiker Exponate, verwenden.

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DIE FEIER IN AMRISWIL

Zur Feier der Übergabe der Förderbeiträge am 24. Mai 2011 in Amrisiwil referierte Regierungsrätin Monika Knill. Der musikalische Beitrag kam von Lina Button, der aus dem Thurgau stammenden Sängerin und Songwriterin, deren Debütalbum «Homesick» Anfang März 2011 erschienen ist. Einen Erfahrungsbericht gab's von den letztjährig geförderten Olga Titus und Ute Klein.

Die aktuell Geförderten wurden wie folgt gewürdigt:
Ursula Badrutt sprach zur Arbeit von Sarah Hugentobler, Pat Kasper zur Arbeit von Massimo Buonanno, Alexander Meszmer zur Arbeit von Judit Villiger, Cornelia Zecchinel zur Arbeit von Leopold Huber, Elisabeth Tschiemer zur Arbeit von Andrea Gerster und Katharina Ammann zur Arbeit von Johannes Gees.

Die Feier wurde vom Kulturamt ausgerichtet und war in jeder Beziehung interessant und schön!

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DIE JURY

Der diesjährigen Jury gehörten an:
- Katharina Ammann, Konservatorin Bündner Kunstmuseum

- Ursula Badrutt, Kulturred. Tagblatt, Kuratorin
- Anja Bühnemann, Musikkritikerin
- Pat Kasper, Tonstudio-Supporter
- Astrid Künzler-Büchter, Tänzerin, Choreografin
- Markus Landert, Leiter Kunst- und Ittinger Museum Thurgau
- Alexander Meszmer, Kunstschaffender
- Martin Preisser, Kulturjournalist, Musiker
- Andreas Schweizer, Leiter der Jugendmusikschule Weinfelden
- Paul Steinmann, Autor, Regisseur
- Christof Stillhard, Kulturbeauftragter Stadt Frauenfeld
- Katharina Tanner, Autorin, Buchhändlerin
- Elisabeth Tschiemer, Verlegerin
- Cornelia Zecchinel, PR-Beraterin/Fachreferentin Kulturamt
- Monika Schmon, Wiss. Mitarbeiterin des Kulturamts (Vorsitz)

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