Ein Ritt durch die Jahrhunderte
Gerappte Worte vereinen sich mit philharmonischen Klängen, Texte toter Poeten treten gegen die Wortkunst heutiger Dichter an, Mittelalter trifft auf 21. Jahrhundert: Was zunächst völlig gegensätzlich klingen mag, das kommt bei „Minne meets Poetry“ zusammen. Das fünftägige Festival mit 18 Veranstaltungen findet vom 7. bis 11. März an 16 Orten in Konstanz im Rahmen des Konziljubiläums statt, kuratiert von Urs Heinz Aerni und veranstaltet vom städtischen Kulturamt.
Von Julia Christiane Hanauer
Oswald von Wolkenstein ist „Schirmherr“ des ganz im Zeichen der europäischen Kultur stehenden letzten von fünf Jahren Konziljubiläum. In seinem Amt als Diplomat im Dienste von König Sigismund kam er damals, vor 600 Jahren, herum in Europa. Er lernte Menschen und deren Kultur kennen. Wenn der Staatsmann nicht im Dienste war, so widmete er sich der Dichtkunst, dem Singen und der Musik. In seinen Werken seien die europäisch-kulturellen Einflüsse, die er bei seinen Reisen kennenlernte, spürbar, berichtet Ruth Bader von der Konzilstadt Konstanz während der Medienkonferenz zum Festival "Minne meets Poetry", das am 7. März startet. „Das, was das Konzil vor 600 Jahren war, wird ins Heute übertragen“, erläutert sie. Es sei „ein Ritt durch die Jahrhunderte“.
Jeder der fünf Tage steht unter einem bestimmten Motto, angefangen bei Weltgedanken und Heimatliebe über Klangspiel und Wortakrobatik bis hin zu Tonwechsel. Höhepunkt des Festivals dürfte sicherlich „Tonwechsel Unlimited“ am 11. März werden, ein Projekt, bei dem Rapper Curse, Violinist Miki Kekenj und die Südwestdeutsche Philharmonie aufeinandertreffen. Statt deftiger Beats vereint sich Rap mit klassischer Musik und auch Miki Kekenj versteht es, Geigenspiel mit HipHop zusammenzubringen. Eine ähnliche Kombination gibt es am selben Tag bei „Tonwechsel im Kirchenschiff“ zu hören. Bei dieser Veranstaltung trifft Organist Martin Weber in der Sankt Gebhard-Kirche auf Beatboxer und Vokalartist Sebastian Fuchs.
Video: Wenn Rap auf Klassik trifft
Mit „Klangspiel damals“ tauchen die Besucher am 9. März mit Alan Julseth ein in die musikalische Welt des Mittelalters. Er spielt mit seiner Harfe im Pulverturm auf und bringt Werke von Walther von der Vogelweide, Neidhardt von Reuenthal und natürlich Oswald von Wolkenstein zu Gehör. Ein weiterer Solokünstler ist Sergio Vesely, der am 11. März ein Konzert gibt. Eine Übersetzung der spanischen Liedtexte ermöglicht es dem Publikum, die Poesie von Veselys Werken zu verstehen.
Wettstreit zwischen toten und lebenden Dichtern
„Heimatliebe in der Weinstube“ am 8. März ist eine Veranstaltung, bei der sicherlich auch Oswald von Wolkenstein seine Freude gehabt hätte. Immerhin liebte er es, in Konstanzer Weinstuben den Saft der heimischen Reben zu geniessen: „Denk ich an den Bodensee, tut mir gleich der Beutel weh.“ Vier Weinstuben sind Bühne für die beiden Konstanzer Poetry Slammer Meral Ziegler und Marvin Suckut, den Künstler und Filmemacher Jeremias Heppeler und den Autor, Philosophen und Konzilexperten Henry Gerlach. Einen Dead or Alive-Poetry Slam unter dem Titel „Wortakrobatik in der Arena“ gibt es am 10. März zu erleben. Dann treten acht Wortkünstler auf – vier präsentieren die Texte verstorbener Dichter und vier Peotry Slammer buhlen mit ihren eigenen Werken um die Gunst des Publikums. Ebenfalls einen Wettstreit, allerdings im Singen, tragen am selben Tag der Singer-Songwriter Place und Rapper Störte in „Wortakrobatik Late Night“ gegeneinander aus.
Auch Gesprächsrunden, in denen es um Poesie, Mundart sowie um Gedicht und Performance geht, gibt es während des Festivals. In der Auftaktveranstaltung „Weltgedanken – Sag mir, wohin zieht es dich?“ sind Nora Gomringer, Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg, die Dichterin und Übersetzerin Safiye Can sowie der Schriftsteller José F.A. Oliver am 7. März zu Gast bei Moderator Urs Heinz Aerni. In „Heimatliebe von den Lippen abgelesen“ (8. März) gehen der Autor Olaf Nägele, der Dichter und Schriftsteller Markus Manfred Jung und der Schweizer Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart gemeinsam mit Moderator Urs Heinz Aerni dem Thema Mundart und Dialekt nach. In diesem Kontext stehen auch zwei Konzerte. Mit Todisco&Messerli stehen bei „Weltgedanken mit Musik“ ein Beatboxer und ein Liedermacher auf der Bühne. Marco Todiscos Songs sind ein Sprachgemisch zwischen Schweizer Mundart, Italienisch und Deutsch.
„Eingeborenenmusik vom Bodensee“ gibt es in „Heimatliebe“ mit Heizmann, Banholzer, Homburger am 8. März zu hören. Und am 10. März heisst es „Wortakrobatik aus Südwest“. Hier gehen die Autoren Carolin Callies, Tim Holland, Maren Kames und Hans Thill mit Moderatorin Claudia Gabler unter anderem der Frage nach, ob Baden-Württemberg eine Inspirationsquelle für Lyrik ist und sie beschäftigen sich mit Gedicht und Performance.
Video: Liedermacher trifft auf Beatboxer:
Auf poetischer Spurensuche
Kindern Lyrik näher zu bringen, das ist das Anliegen von Arne Rautenberg, der mit „Wortakrobatik für Klein und Gross“ (10. März) eine Kinderlesung gibt – zu der auch Erwachsene geladen sind. Yannick Zürcher hat die Regie von „i never meant to heart you, babe / anticrescendo“ inne, einem „Kurzen Stück der Reue in fünf Bewegungen des Brustkorbes“ von Barbara Marie Hofmann. In der Theateraufführung vereinen sich Lyrik und Dramatik. Ebenfalls um Lyrik geht es bei Max Prosa in „Klangspiel jetzt“ (9. März), der Text und Musik vereint. Wer einmal ungewöhnliche Orte in Konstanz entdecken möchte, der ist bei „Klangspiel in den Gassen“ (9. März) richtig. Stadtführer Daniel Gross und Buchhändler Daniel Widmaier begeben sich mit ihren Besuchern auf „poetische Spurensuche in der Konstanzer Altstadt“.
Zum prall gefüllten Programm haben die Macher des Festivals zudem ein Rahmenprogramm auf die Beine gestellt. „Gewalt, dass du so ganz allmächtig bist“, heisst die Installation, die der Künstler Jeremias Heppeler und Designerin Ines Fiegert ab 7. März im Innenhof des Wessenberghauses zeigen – eine intermediale Sound-Literatur-Collage. Auch Studierende der Universität sowie der HTWG Konstanz beteiligen sich an „Minne meets Poetry“:„Costnitz tanzt“ ist ein Lichtkunstprojekt über Reichtum und Gewalt, das vom 8. bis 10. März ab 19 Uhr am Haus zur Katz zu sehen sein wird. In „(w)ortverliebt in Konstanz“ werden anhand von Installationen ausgewählte Dichtungen Oswalds von Wolkenstein im Turm am Kulturzentrum gezeigt. Last but not least zeigt Pablo Walser vom 23. Februar bis 22. April im Gewölbekeller des Kulturzentrums am Münster sein Werk „Die Abwesenheit der Liebe“, einen Film, der sich mit der Hermeneutik und dem Entwickeln einer eigenen Symbolsprache befasst.
Weitere Informationen zu „Minne meets Poetry“ gibt es unter www.minne-meets-poetry.de
Eintrittskarten gibt es ab sofort im Vorverkauf.
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