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von Inka Grabowsky, 30.06.2017

Ohne Punkt und Komma...

Ohne Punkt und Komma...

...aber mit Sinn und Verstand: Jochen Kelter stellt seinen jüngsten Gedichtband „Wie ein Feder übern Himmel" vor. Damit ist der letzte Band seiner Trilogie veröffentlicht.

Von Inka Grabowsky

Der Tag ist glänzend hell/die Kegel der Vulkane weit/entfernt die Blätter fallen braun/und leise drei Boote stehen/still im Hafen nicht Ruf noch/Schläge hallen das Jahr ist/Durchgezogen der See hat alle/Krisen Kriege sanft verschlafen/Der Tag ist leicht wie Laub/als wäre er von alle Sommerlast/befreit dass du dich kaum noch/spürst und gleich jener weit/entfernten weissen Wolke wie/eine Feder übern Himmel führst (Jochen Kelter)

Kelter erweist seinen Zuhörern im Bodmanhaus in Gottlieben einen grossen Dienst: Er trägt seine neuen Gedichte selbst vor und schafft damit Zusammenhänge, die Leser sonst zunächst selbst herausarbeiten müssen. „Der Leser hat das Recht, Sinneinheiten herauszulesen", erklärt Jochen Kelter. „Da stolpert man durchaus einmal. Das geht auch mir so, wenn ich meine Texte nach einiger Zeit wiederlese." Die Wendung „Wie eine Feder übern Himmel" ist zum Titel des dritten Bands seiner Gedicht-Trilogie geworden. „Die Zeile gefiel mir einfach", sagt der Autor. „Es ist ein schönes Bild. Und es klingt schön."

Pessimistisch oder realistisch

Nicht alles klingt schön bei Jochen Kelter. „Man ist, was man erlebt, bedacht, bedauert hat, und was zur eigenen Geschichte gehört." Beim 70-jährigen gebürtigen Kölner, der lange unter anderem in Paris gelebt hat und nun in Ermatingen zuhause ist, machen nicht nur harmonische Erinnerungen das Bewusstsein aus. Der deutsche Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit vermischen sich mit aktuellen Kriegen, mit persönlichen Erinnerungen und verlorenen Lieben. Er trennt in seinem Werk politische Ansichten nicht von privaten Einsichten. „Imprägniert von den Revolutionsjahren der sechziger Jahre" nennt es Kathrin Zellweger, die Leiterin des Literaturhaus-Programms bei ihrem letzten Auftritt als Moderatorin und spielt dabei auf das Berufsverbot an, das Baden-Württemberg in den siebziger Jahren über den dezidiert linken Literaturwissenschaftler verhängt hatte. Als Dozent an der Uni durfte er nicht mehr arbeiten. Also wurde er freier Journalist und politischer Essayist. Über zwei Jahre hat er an der aktuellen Gedichtsammlung gearbeitet. Das frisch gedruckte Werk sei ihm noch ein wenig fremd, räumt er ein. „Vorher war es allein meines, jetzt ist es veröffentlicht und gehört quasi jedem", meint er bei der Buchvernissage im Bodmanhaus, dessen literarisches Programm er in der den Gründungsjahren von 2000 bis 2004 selbst verantwortet hat.

Gedichte immer und überall

Jochen Kelter hat nicht nur einen poetischen Zugang zu Gedichten, sondern auch einen pragmatischen: „Lyrik kann man immer und überall schreiben", sagt er, „im Zug, auf der Wiese – wann immer man zwei Stunden Zeit hat. Bei einem Prosatext geht das nicht." So kamen in den vergangenen Jahrzehnten insgesamt 14 Gedichtbände zusammen. Trotzdem glaubt der Autor nicht an einen Siegeszug von Lyrik: „Der Zeitgeist beflügelt die Poesie nicht unbedingt. Die Welt ist laut und giert nach Events in schneller Folge. Da bleibt nicht viel Zeit für Ruhe und Besinnlichkeit." Natürlich gäbe es Moden, die Gedichte ins Gespräch brächten, aber das sei ihm egal. „Ich schreibe meine Sachen trotzdem." Irgendwann werde es zur 'déformation professionelle': „Was immer man erlebt, hört oder sieht: Man ertappt sich dabei sich vorzustellen, es in einem Gedicht zu verwenden."

Das Buch ‹Wie eine Feder übern Himmel› von Jochen Kelter ist bei Weissbooks erschienen und kostet 16.90 Euro. ISBN-10: 3863371240, ISBN-13: 978-3863371241

Zuhören: Jochen Kelter liest aus seinen Texten


 

Das Bodmanhaus beschliesst am Samstag, 1. Juli um 11 Uhr  die diesjährige Saison mit der Matinee für Kinder und ihre Erwachsenen „Rigo und Rosa"  von Lorenz Pauli

Claudius Graf-Schelling, der Präsident des Stiftungsrats der Bodman-Stiftung bedankt sich bei Kathrin Zellweger nach ihrer letzten Moderation als Programmleiterin. Bild: Inka Grabowsky

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