von Michael Lünstroth・Redaktionsleiter, 03.04.2017
Neue Ideen in Museumsdebatte
Der Regierungsrat hat erklärt, wie es aus seiner Sicht mit Kunstmuseum und Historischem Museum weitergehen soll. Aber ist das der Weisheit letzter Schluss? Wir haben uns umgehört.
Manchmal kann es auch helfen, Dinge noch mal ganz neu zu denken. In der Debatte um die Zukunft von Kunstmuseum und Historischem Museum hat der Medienwissenschaftler Kurt Schmid jetzt einen interessanten Denkanstoss gegeben. In einem Kommentar auf thurgaukultur.ch erinnerte er an eine alte Idee - der Kulturfahrplan habe mal den Gedanken gehabt, eine multimediale Kunsthalle im urbanen Raum zwischen Kreuzlingen und Konstanz zu bauen. "Als Ergänzung zum Kunstmuseum im Sinne einer Aufgabenteilung: Museum (zeigt Bewährtes) hier und Kunsthalle (wagt Experimente) dort. Keine Chance - und keiner weiss eigentlich warum", fragte Schmid. Tatsächlich gibt es ja durchaus Argumente, die für eine solche Lösung sprächen. Ernsthaft verfolgt wurde sie aber offenbar nie.
Andrea Vonlanthen, SVP-Kantonsrat aus Arbon, hält auch einen anderen Standort für das Kunstmuseum für möglich: "Aufgrund der vergangenen politischen Diskussionen um die Kartause Ittingen wäre es auch durchaus angebracht, den Standort des Kunstmuseums nochmals zu überdenken", erklärt er auf Nachfrage von thurgaukultur.ch. Wenig Verständnis hat er hingegen für den Marschhalt beim Historischen Museum: "Noch vor wenigen Wochen hatte Kulturministerin Monika Knill im Rahmen der Debatte über den Legislaturplan dargelegt, bis zum Jahre 2020 werde der neue Standort des Historischen Museums bekannt sein. Ein Standortentscheid muss ja noch nicht bedeuten, dass beide Museums-Projekte gleichzeitig abgewickelt werden. Wäre der neue Standort bekannt, könnte allenfalls mit der Realisierung auch zugewartet werden. Doch eine Standortgemeinde wüsste dann, wie lange sie selber noch über ein entsprechendes Objekt verfügen könnte. Der Eindruck verstärkt sich einmal mehr, die Regierung wolle mit diesem Marschhalt einfach zuwarten, bis die Stadt Frauenfeld auf dem Kasernen-Areal eine neue Lösung präsentieren kann." Andrea Vonlanthen hatte im vergangenen Jahr gemeinsam mit seinen Arboner Kantonsratkollegen Patrick Hug und Jakob Auer auch eine Einfache Anfrage an die Regierung in der Sache geschrieben. Die Antwort fiel schon damals nicht sonderlich ermutigend für Arbon aus.
Doch den Umbau des Historischen Museums vorziehen?
Das will Vonlanthen nicht einfach so hinnehmen. Der Oberthurgau habe überzeugende Argumente für sich, schreibt er. Und: "Sinnvoll wäre angesichts der ungeklärten Situation um beide kantonalen Museen ohnehin, die Prioritäten neu festzulegen: zuerst das Historische Museum, dann das Kunstmuseum", fordert er gerade eine Umkehrung der jetzt vom Regierungsrat vorgenommenen Priorisierung. Seine Begründung dafür: "Das Historische Museum könnte in Arbon in wenigen Jahren relativ kostengünstig und an idealem Ort realisiert werden. Eine neu eingesetzte Arboner Arbeitsgruppe will in absehbarer Zeit ein entsprechendes Konzept vorlegen. Bis ein neues Kunstmuseum nur schon abstimmungsreif ist, werden hingegen noch sehr viele Jahre vergehen. Worauf will die Regierung beim Historischen Museum wirklich warten?", so Vonlanthen.
War auch mal als neuer Standort fur das Historische Museum im Gespräch: Das Schloss Arbon. Politiker aus Arbon fordern nun, die Idee genauer zu prüfen. Bild: Archiv
Unterstützung bekommt Andrea Vonlanthen in der Sache von Patrick Hug, CVP-Kantonsrat und Arboner Vize-Stadtpräsident. "Die Wahl des Standortes hat absolut nichts mit der finanziellen Situation des Kantons, aber sehr viel mit der Planungssicherheit der sich bewerbenden Gemeinden zu tun. Diese können nicht sämtliche geeigneten Objekte über Jahre hinaus blockiert halten. Wenn der Regierungsrat in seinen Legislaturzielen 2016-2020 betont, er wolle die kantonalen Museen stärken, ist es mehr als befremdlich, dass er den Standortentscheid für das Historische Museum offenbar auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben möchte", erklärt Hug gegenüber thurgaukultur.ch. Aus seiner Sicht ist Eile geboten: "Damit die betroffenen Gemeinden weiter planen können, sollte dieser Entscheid möglichst rasch gefällt werden. Die konkrete Umsetzung dagegen kann durchaus zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. So liessen sich die kantonalen Investitionen für das Historische Museum und das Kunstmuseum auf mehrere Jahre verteilen", meint Patrick Hug.
Frauenfeld will um das Historische Museum kämpfen
In Frauenfeld sieht man die Sache - wenig überraschend - etwas anders. Nachdem bereits der Stadtrat im Februar erklärt hatte, man wolle das Historische Museum in der Stadt halten, erklärt nun Stadtpräsident Anders Stokholm auf Nachfrage: "Ich habe Verständnis für die Prioritätensetzung des Kantons, zumal beim Historischen Museum kein dringlicher Handlungsbedarf besteht. Es liegt zentral, wird gut geführt, hat zunehmenden Zuspruch und verfügt in gut erreichbarer Gehdistanz beim Staatsarchiv über zusätzlichen, individuell bespielbaren Ausstellungsraum. Die Stadt Frauenfeld bietet zudem für die längerfristige Entwicklung der kantonalen Museen gute Entwicklungsmöglichkeiten. Auf diese kann der Kanton jederzeit zurückkommen - wir sind gesprächs- und verhandlungsbereit." Hiermit spielt Stokholm vor allem auf die geplante Entwicklung des Kasernenareals an. Hier könnte ein Neubau des Historischen Museums unterkommen
Anders als die Politiker aus Arbon sieht Stokholm in der jetzigen Marschhalt-Entscheidung auch keinen Vorentscheid für Frauenfeld. Er betrachte diese Entwicklung ganz neutral. "Weder für noch gegen irgend einen Standort. Ich denke, das ist auch die Meinung des Regierungsrates", so Stadtpräsident Stokholm. Zuletzt hatten sich übrigens auch nicht nur Frauenfelder Politiker, sondern auch Gabriele Keck, die Direktorin des Historischen Museums, für den Standort Frauenfeld ausgesprochen. In einem Interview mit thurgaukultur.ch erklärte sie im Januar 2017 unter anderem: "Frauenfeld hat den Hauptstadtcharakter und ich kenne im Land kein anderes kantonales Museum, welches nicht in der Hauptstadt wäre. Hier sind auch andere Museen sowie das Staatsarchiv. Es wäre gut, wenn man das beieinander liesse", so Keck damals.
Medienwissenschaftler stellt Standort Frauenfeld in Frage
Medienwissenshaftler Kurt Schmid hat übrigens auch zum Historischen Museum eine dezidierte Meinung: "Warum denn um alles in der Welt muss es ein Neubau und eine Erweiterung sein? Und zwar so, dass die Mittel nicht für zwei Bauten reichen? Und aus welchen Gründen soll die Region Frauenfeld nochmals zum Zuge kommen?" Allesamt spannende Fragen über die sich zu reden lohnte.
Eine Leserreaktion - auf nach Diessenhofen!
Einen ganz anderen Ansatz brachte per E-Mail noch Franz Fritz Vogel ins Gespräch. Er schrieb: "Es gibt in jedem Kanton ein Historisches Museum. Oftmals ähneln sich die Inhalte. Wenn der Kanton Thurgau ein Museum hat, das es tatsächlich so anderswo nicht gibt und damit ein Alleinstellungsmerkmal darstellt, dann ist es die üppige landwirtschaftlich-volkskundliche Sammlung im Schaudepot St. Katharinental. Diese generiert nicht nur fast mehr Besucher als das Historische Museum in Frauenfeld, es ist auch einfach interessanter aufgemacht und hat einen begnadeten Erzähler-Kurator. In diesem Sinn: Schliesst (aus Trotz und Ärger) das Historische Museum in Frauenfeld. Öffnet das Historische Museum Kanton Thurgau an der Peripherie. Das Städtchen Diessenhofen empfängt euch mit allen Fahnen...
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