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von Brigitta Hochuli, 29.04.2016

Neuanfang am alten Ort

Neuanfang am alten Ort
Ausstellungsräume des Kunstmuseums Thurgau im Norden der Klosteranlage Kartause Ittingen | © Brigitta Hochuli

In der Antwort auf eine Interpellation legt die Regierung das Vorgehen in Sachen Kunstmuseum dar. Mit einem neuen Projekt und einer neuen Projektorganisation soll ein Neuanfang am bisherigen Standort lanciert werden.

Brigitta Hochuli

Seit einem Bundesgerichtsentscheid vom April 2015 sind Sanierung und Erweiterung des Kunstmuseums Thurgau gestoppt. Ursprünglich hätten für die Erweiterung 11,3 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds entnommen werden sollen und waren für die Sanierung 4,6 Millionen Franken vom Grossen Rat bewillgt worden.

Im Mai 2015 wollten die Thurgauer Kantonsräte Peter Dransfeld, Kurt Egger, Alex Frei, Hans-Peter Grunder, Hermann Lei, Urs Martin und Klemenz Somm in einer Interpellation vom Regierungsrat wissen, wie es mit dem neuen Kunstmuseum weitergehe. Unter anderem verlangten sie Auskunft über bereits getätigte Zahlungen und künftige Finanzierung, über den Zeitplan, den Standort Ittingen, Architektur und Wirtschaftlichkeit sowie über ein künftiges Verhältnis zur Kartause Ittingen.

Bisherige Zahlungen

Insgesamt seien an die Stiftung Kartause Ittingen bisher 581‘458 Franken bezahlt worden, rekapituliert die Regierung in ihrer Antwort, und zwar 2011 für die Machbarkeitsstudie zur Erweiterung des Museums und 2012 für das Vorprojekt. Von der Stiftung vorfinanziert worden seien 869‘528 Franken. Diesbezüglich habe sich der Regierungsrat kürzlich mit dem Stiftungsrat geeinigt, dass diese Summe im Verhältnis von zwei Dritteln vom Kanton (579‘685 Franken aus dem Lotteriefonds) und von einem Drittel von der Stiftung (289‘842 Franken) bezahlt werde. Damit sei der Weg für einen Neuanfang geebnet.

Für ein Gutachten zur Submission und Anwaltskosten sowie für Aufwendung im Zusammenhang mit dem bundesgerichtlichen Verfahren sind insgesamt 70‘432 Franken bezahlt worden.

Neues Projekt mit öffentlichem Architekturwettbewerb

Der Neuanfang soll nach dem Willen der Regierung mit einem neuen Projekt und einer neuen Projektorganisation erfolgen. Erweise sich der Erweiterungsbau als nicht machbar, werde das Projekt auf die unumgängliche Sanierung des Museums reduziert. Vorgesehen ist ein neuer Projektwettbewerb. Sollten die Vorarbeiten für einen Erweiterungsbau erfolgreich sein, werde im Zug der weiteren Planung ein öffentlicher Architekturwettbewerb durchgeführt, so der Regierungsrat. Die Projektorganisation wird in den kommenden Monaten eingesetzt. Sie werde Qualität und Wirtschaftlichkeit garantieren

Standort Ittingen bewährt

An der Einbettung des Kunstmuseums in der Kartause Ittingen hält der Regierungsrat fest. Die Standortfrage des Kunstmuseums sei in den vergangenen Jahren fundiert geklärt worden. Alle Gremien (Groupe de réflexion, Steuergruppe, Beirat) seien immer wieder zum gleichen Schluss gekommen.

Verantwortung für Neubau beim Kanton

Im Zusammenhang mit einem neuen Museumsprojekt sollen die Eigentumsverhältnisse und die Rollen der involvierten Parteien rechtlich, finanziell und kompetenzmässig neu und klar geregelt werden. Bei einer allfälligen Erweiterung des Kunstmuseums mit mehrheitlich kantonalen Finanzmitteln würde die Hauptverantwortung für den Bau beim Kanton liegen. Mit Blick auf die bestehende Infrastruktur des Kunstmuseums sei geplant, die bisherige „Gebrauchsleihe“ in ein neu zu vereinbarendes Mietverhältnis zu überführen.

 

DEK: „Weg geebnet“

In einer Medienmitteilung schreibt das Departement Erziehung und Kultur (DEK) zum "Neustart für Planungsarbeiten Kunstmuseum Thurgau": Die Kosten für die Vorfinanzierung durch die Stiftung Kartause Ittingen in Höhe von 869'000 Franken seien deshalb entstanden, „weil die Baukommission der Stiftung, die zusammen mit dem Kanton die Grundlagen für den Erweiterungsbau erarbeitet hat, die Projektierung über das Vorprojekt hinaus entwickelt hat. Dies war notwendig, weil zum einen für die Budgetbotschaft möglichst genaue Planungsgrundlagen gefragt waren und zum anderen eine rasche, koordinierte Realisierung des Projekts das Ziel von Stiftung und Kanton bildete.“ Mit der Zahlung aus dem Lotteriefonds von 579 700 Franken an die Stiftung sei der Weg für einen Neuanfang geebnet.

 

Eine Gesamtlösung «Erweiterungsbau und Sanierung Kunstmuseum» sei weiterhin das gemeinsame Ziel von Kanton und Stiftung Kartause Ittingen. Die Sanierung der bestehenden Ausstellungsräumlichkeiten des Kunstmuseums sei aus raumklimatischen und energetischen Gründen unerlässlich. „Ohne Sanierung verliert das Kunstmuseum das Gütesiegel für Leihgaben anderer Museen und damit seinen bisherigen Stellenwert. Die Erweiterung ist ebenfalls nötig, um dem Kunstmuseum eine zukunftsgerichtete Entwicklung zu ermöglichen.“ (ho)

 

Urs Martin: „skandalträchtig“

Für Interpellant Urs Martin (Kantonsrat, SVP) ist in der Antwort des Thurgauer Regierungsrats „eine gewisse Einsicht immerhin spürbar“. So werde die Transparenz im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen zum Thema deutlich gesteigert und eine Entflechtung der Rollen sei angedacht. „Dennoch bleiben die Vorgänge um das Kunstmuseum skandalträchtig. Ein Meisterwerk Thurguischer Filzkultur“, kommentiert Martin.

 

Über eineinhalb Millionen Franken seien in den Sand gesetzt und nach wie vor keine Transparenz hergestellt, wohin das Geld gesickert sei. „Ich fordere daher vom Regierungsrat und der Stiftung, dass auf den Tisch gelegt wird, wie viel Geld wohin bereits geflossen ist und wie viel Geld noch zu fliessen droht. Nur so kann die Sache aufgearbeitet werden.“

 

Für eine weitere Zahlung des Kantons an die Stiftung im Umfang von fast 580‘000 Franken fehle zudem jede gesetzliche Grundlage. „Denn das Kulturgesetz ermächtigt den Kanton nicht, in Bauruinen zu investieren, bei welchen er nicht einmal Bauherr war. Dies darf nicht passieren.“ (ho)

 

Markus Schär: „fordern Aufklärung“

Im Namen der Beschwerdeführer zuhanden des Bundesgerichts in Sachen "Neubauprojekt für das kantonale Kunstmuseum in der Kartause Ittingen" schreibt Markus Schär in einer Stellungnahme:

 

"Wir begrüssen, dass der Regierungsrat beim Kunstmuseum einen Neuanfang machen will. Es ging uns nie darum, ein überzeugendes, zukunftsweisendes Projekt zu verhindern." Man bekämpfe aber weiter jedes Projekt, das sich "allenfalls auf frühere Planungs- und Projektierungsgrundlagen abstützt", wie dies der Regierungsrat andeute. Und die Beschwerdeführer verlangen, dass der neuen Projektorganisation keine Protagonisten des bisherigen Projekts angehörten.

 

Die Absicht des Regierungsrates, nochmals 579'685.70 Franken aus dem Lotteriefonds für das rechtswidrige Projekt zu bezahlen, verurteilen die Beschwerdeführer. "Wir stellen fest, dass es für die Arbeiten der Stiftung Kartause keinen Auftrag und für die Beschlüsse des Regierungsrates keine Rechtsgrundlage gab, und fordern die Aufklärung dieser Vorgänge durch das Parlament." (ho)

 

Monika Knill: „in keiner Weise rechtswidrig“

Regierungsrätin Monika Knill nimmt wie folgt Stellung zur Stellungnahme von Markus Schär:

 

„Der Regierungsrat vertritt mit dem Willen zum Neustart klar die Auffassung, dass dieser mit einer neuen Projektorganisation erfolgt. Damit werden die Vorarbeiten für einen neuen Erweiterungsbau in Angriff genommen, um für eine mögliche Realisierung einen öffentlichen Architekturwettbewerb durchzuführen. Ebenso wird die Hauptverantwortung für einen Bau beim Kanton liegen. Sofern der bisherige Standort Nordhof für einen öffentlichen Architekturwettbewerb in Frage kommt, könnten teilnehmende Architekturbüros zumindest Kenntnis nehmen von bisherigen Vorabklärungen. Damit ist nicht das bisherige Bauprojekt gemeint, sondern vielmehr bereits vorhandene technische, geologische oder archäologische Grundlagen.

 

Mit der Zahlung von 579‘685.70 Franken erfolgt die anteilsmässige Abgeltung von offenen Planungs- und Projektierungsleistungen für den Erweiterungsbau Kunstmuseum Thurgau, da diese Leistungen im Interesse des Kantons und zusammen mit ihm erbracht worden sind. Das Projekt Erweiterungsbau stützt sich auf drei Regierungsratsbeschlüsse (2011/2012) ab und wurde mit der Budget-Botschaft 2013 dem Grossen Rat präsentiert. Somit handelt es sich in keiner Weise um ein rechtswidriges Projekt. Der Regierungsrat hat es wie andere Bauprojekte im Rahmen des Budget-Prozesses vorbereitet.

Mit seinem Beschluss vom 26. April betreffend Abgeltung der offenen Planungs- und Projektierungskosten für den Erweiterungsbau Kunstmuseum stützt sich der Regierungsrat auf § 10 Abs. 2 des Gesetzes über die Kulturförderung und die Kulturpflege, wonach der Regierungsrat im Bereich der Kulturpflege in besonderen Fällen einmalige Beiträge aus dem Lotteriefonds gewähren kann. Der Regierungsratsbeschluss ist somit gesetzlich abgestützt und rechtens.

 

Der Regierungsrat hat mit der aktuellen Beantwortung der Interpellation 37/365 transparent aufgezeigt, wie viel Geld an die Eigentümerin Stiftung Kartause Ittingen, aber auch für das bundesgerichtliche Verfahren geflossen ist. Den Vorwurf der Intransparenz weisen wir mit aller Deutlichkeit zurück.“

 

*

 

Fragen zur Rechtmässigkeit des Regierungsratsbeschlusses oder zur Transparenz der Beiträge im Kommentar von Kantonsrat Urs Martin habe sie damit weitgehend beantwortet, so Regierungsrätin Monika Knill. Die Mitglieder des Grossen Rates und der Regierungsrat hätten die Möglichkeit, sich im Rahmen der Interpellationsdiskussion zu äussern. Auf einzelne Voten von Mitgliedern des Grossen Rates wolle sie deshalb nicht im Vorfeld detailliert Bezug nehmen. (ho)

 

Markus Landert: Kein Kommentar

Gefragt, was die neue Strategie des Regierungsrats für das Kunstmuseum bedeute, enthält sich Direktor Markus Landert eines Kommentars. Die negative Entwicklung der Besucherzahlen für das Kunst- und das Ittinger Museum von über 35‘000 zwischen 2002 und 2006 auf seither 25‘000 jährlich führt Landert auf die veränderten Ansprüche des Publikums zurück.

 

Es sei ein offenes Geheimnis, dass die Konkurrenz im Museumsbereich gross sei. Seit der Eröffnung des Museums in der Kartause 1983 habe sich vieles verändert. „Bregenz und das Beyeler Museum setzen heute die Standards, die erfüllt werden wollen. Das Ziel der ganzen Diskussionen der letzten Jahre, die auch zum Erweiterungsprojekt geführt haben, sollte eben gerade eine Attraktivitätssteigerung für das Publikum sein.“ (ho)

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