von Jürg Schoop (1934 - 2024), 16.11.2015
Dimanchée et Matinée (Video)
Was ist das eigentlich, eine Matinée? Und wieso ist sie so populär? Wir haben Passanten auf der Strasse und Heidi Hofstetter, die Leiterin des Museums Rosenegg gefragt.
Louis XIV, der Sonnenkönig, soll 1723, die Dimanchée, eine sonntägliche Morgenveranstaltung eingeführt haben, weil ihm die wochentäglichen Lustbarkeiten etwas gar karg bestückt erschienen. Aus Rücksicht auf die sich überall einmischende Kirche wurde auf deren Messe-Zelebrationen abgestellt und die königlichen Veranstaltungen, die sich hauptsächlich um Tanz und Gesang drehten, auf 11 Uhr mittags angesetzt.
Wenn Geist und Aufmerksamkeit noch frisch sind
Comte Henri Bourbon-Bouillabaise, dessen Briefwechsel mit Madame de Stael immer wieder Erstaunliches hervorgerufen hat, fand die Art der Veranstaltung eines vertieft gebildeten Standes nicht würdig. Es sollte nach seiner Meinung eher der Hunger nach Bildung und verfeinertem Genuss genährt werden. Die vormittägliche Stunde, in der Geist und Aufmerksamkeit noch frisch sind, erschien ihm richtig. Doch warum nur ausschliesslich am Dimanche?
Bourbon-Bouillabaise trommelte alle bedeutenden Musiker, Rezitatoren, Philosophen zusammen, die er kannte, auch solche, die am Hof nicht anerkannt waren, wie den Marquis de Sade. Die Kokotten waren an seinen Anlässen, die er im Gegensatz zu seinem wenig erbauten König Matinéen nannte und vozugsweise am Samstag durchführte, nicht mehr anwesend.Die Matinéen haben sich über Jahrhunderte gut erhalten und sich bis in die Verästelungen der europäischen Provinz und darüber hinaus festgesetzt.
Ma-Ti-Was?
Im Programm des Museums Rosenegg in Kreuzlingen, unter der Leitung der initiativen Kuratorin Heidi Hofstetter, haben sie seit der Gründung des Museums vor circa neun Jahren einen dauerhaften Platz eingenommen. Mit Vorliebe wird eine Kombination von Text und Musik geboten, wie etwa unter dem Titel «Guten Tag, Frau Eule!» ein literarisch-musikalisches Programm mit Texten von Wilhem Busch und dem Klinghoff-Duo.
Von ähnlicher Struktur war das literarische Menu mit Piano Häppchen unter dem provozierenden Titel «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». (Ehepaare wurden auf die Gefährdung hingewiesen und Haftung wurde kategorisch abgelehnt...)
Text und Musik in enger Allianz
Am 20. März 2011 stellte der Schauspieler Marcus Schäfer und der Akkordeonist Willi Häne Texte und Lieder des Kabarett-Urgesteins Hanns Dieter Hüsch vor. Pure Lust an der Musik konnte sich dazwischen immer wieder zeigen, sei es solo, im Duo oder Trio. Oder gar im Quintett mit der Gruppe MUYTANGO, die uns argentinische Komponisten vorstellte. Aber nicht nur strenge Klassik: Kürzlich überraschte uns das junge Duo Fabian Ziegler (ein Thurgauer) und Jonathan Salvi mit Marimba- und Vibraphon-Klängen von neuklassischen Inspiratoren wie Piazolla und Rosauro.
Auf die Frage, was denn der stupend versierte Marimbaspieler Ziegler in seinem Studium noch lernen könnte, meinte er bescheiden, es gäbe immer noch viel zu lernen. Das lieben wir doch alle: bescheidene, hochbegabte Jugendliche, die das etwas in Verruf geratene Bild der Jugend hervorragend aufmotzen! Vielleicht ist die Zeit nicht mehr ferne, in der auch Jugendliche Zuhörer die Matineen geil finden – wenn sie nur zwei Stunden später angesetzt wären...
Interview mit Kuratorin Heidi Hofstetter
Frau Hofstetter, wann wurde denn mit diesen Matineen begonnen und in welcher Absicht?
Denken Sie bei der Programmierung an ein bestimmtes Zielpublikum?
Warum fehlt denn die junge Garde, Kreuzlingen besitzt doch mit den Ausbildungsstätten ein grosses Reservoir? Ich habe z.B. beim letzten Konzert der beiden jungen Musiker keinen Erwachsenen unter 25 entdecken können...
Ich denke auch, dass die Jugend heute andere Prioritäten hat, dass da kulturell eine neue Gesellschaft im Entstehen ist und ein Auseinenderklaffen fast unvermeidlich ist.
Vielleicht Paukenschläge im Torkel-Keller?
Sind Sie denn zufrieden mit dem Ergebnis der Kollekten?
thurgaukultur dankt Ihnen für das Gespräch! |
***Mehr zum Thema:
MUSEUM ROSENEGG, Bärenstrasse 6, 8280 Kreuzlingen
www.museumrosenegg.ch – Tel. 071 672 8151
Nächste Matinée-Veranstaltung: Sonntag, 6. Dez. 11 Uhr
«Mozart und Saint Saens» - Musikalische Matinée mit
Johannes Mock, Violine; Hana Grubenko, Viola
Johannes Topius, Cello; Timon Altwegg, Klavier
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