Seite vorlesen

von Hans Gysi, 19.08.2015

reisen

reisen
was ich alles sehe verschwindet sobald ich mich von ihm abwende so flüchtig ist das kleine glück des hellen tags flüchtig die beschwernis der dunklen nacht wir wandern immerzu weg von uns selbst durch städte und landstriche wundern uns wo wir bleiben | © Hans Gysi

fahren, wegfahren, sich neu erfahren, sich mitnehmen, fremd in der fremde sein und die weite, die andern bauten, landschaften, die grossen plätze geniessen die losen strukturen, ein stück freiheit, bis es wieder heisst zurück ins eigene.

reisen

partir c‘est mourir un peu sagte
tante berthe und wirklich ich sah
sie nie wieder seit jenem tag in paris
was ich alles sehe verschwindet sobald
ich mich von ihm abwende so flüchtig
ist das kleine glück des hellen tags
flüchtig die beschwernis der dunklen nacht
wir wandern immerzu weg von uns selbst
durch städte und landstriche
wundern uns wo wir bleiben

revenir c‘est mourir un peu könnte
man getreu sagen sich wieder einpassen
in die hundert mal vermessenen grenz
abstände zurückkehren ins kartographierte
netz der sehnsüchte die einem irgendwann
wieder aufbrechen helfen da sind sie wieder
die häglein weglein und steglein
zurückdimmen die weiten horizonte
die grenzenlosigkeit vergessen und
wieder da sein

da sein c‘est vivre un peu könnte man
schliessen auch geborgen im eigenen
laken im eignen geruch und
sich daheim fühlen in einem land der
vertrauten stummen gesichter
und manchmal ganz zufrieden
hinterm ofen hocken der bald wieder
gezündet wird und sich fragen
ob er nun ausgeläutet hat der grosse sommer
von einzelnen vogelzügen wird schon berichtet

 

Hans Gysi (62) hat in Zürich eine Lehrer- und eine Schauspielausbildung gemacht. Als freischaffender Regisseur von Frühlingserwachen bis zur Kleinbürgerhochzeit inszeniert & als Schauspieler und Autor gearbeitet. Teilpensum in Berufsschule. Verschiedene Preise und Unterstützungen. Lebt über 25 Jahre im Thurgau. Unterhält das theaterbureau gysi. Veröffentlichungen „pocket songs“ und „generalprobe“ im Verlag edition 8.

 

***

Bisher erschienen:

wer weiss, wo der autor war? - thurgaukultur.ch. vom 04.08.2015

das grosse blou blou - thurgaukultur.ch vom 22.07.2015

sommer vorm balkon - thurgaukultur.ch vom 08.07.2015

here I am (hier bin ich) - thurgaukultur.ch vom 24.06.2015

 

***

Mehr zum Thema:

Lyrik für den Alltag - thurgaukultur.ch vom 13.05.2015

http://www.hansgysi.ch/

 

Kommentare werden geladen...

Kommt vor in diesen Ressorts

  • Kolumne

Kommt vor in diesen Interessen

  • Blog
  • Schauspiel
  • Lyrik

Werbung

Fünf Dinge, die den Kulturjournalismus besser machen!

Unser Plädoyer für einen neuen Kulturjournalismus.

Unsere neue Serie: «Wie wir arbeiten»

Unsere Autor:innen erklären nach welchen Grundsätzen und Kriterien sie arbeiten!

#Kultursplitter im Januar/Februar

Kuratierte Agenda-Tipps aus dem Kulturpool Schweiz.

"Movie Day": jetzt für 2025 bewerben!

Filme für das 12. Jugendfilm Festival können ab sofort angemeldet werden. Einsendeschluss der Kurzfilme für beide Kategorien ist der 31.01.2025

21. Adolf-Dietrich-Preis 2025

Bewerbungsschluss: 28. Februar 2025

Ähnliche Beiträge

Kolumne

Schluss mit dem Innovationstheater!

Mein Leben als Künstler:in (5): Wer heute als Künstler:in gefördert werden will, muss innovativ sein. Aber was heisst das schon? Simon Engeli über einen irreführenden Begriff. mehr

Kolumne

Vorausblicken mit Prometheus

Mein Leben als Künstler:in (17): Simon Engeli über die Angst vor Neuanfängen und seine künftige Aufgabe beim See-Burgtheater in Kreuzlingen. mehr

Kolumne

Der Lagerraum-Blues

Mein Leben als Künstler:in (9): Von glücklichen und wehmütigen Erinnerungen: Simon Engeli stöbert durch das Archiv seines Theaterschaffens. mehr