von Thomas Brütsch, 02.10.2014
Die jungen Wilden (kommentiert)
Am Mittwoch abend fand in den Clubs der Wechsel von den arrivierten und eher länger gedienten Jazzprofis zu den jüngeren statt. Mit vollem Erfolg. Die Clubs waren richtig gut besetzt.
Thomas Brütsch
Im Jazzclub Arco’s stand die Zuhörertraube bis aufs Trottoir hinaus. Zugegeben: Das Lokal hat keine Konzertsaalgrösse. Dennoch ist der Erfolg dem neu zu „generations“ hinzugestossenen Club zu gönnen. Einen grossen Anteil daran hat aber auch die „Nicole Herzog – Stewy von Wattenwyl Group“. Sängerinnen ziehen erfahrungsgemäss viel Publikum an – auch wenn sie keine Thurgauerinnen sind...
Karriere durch "generations"
Nicole Herzog hat vor genau zehn Jahren den „generations“-Förderpreis gewonnen. „Die Nomination war für mich die totale Überraschung“, sagt sie. „Ohne diesen Preis wäre meine Karriere nie gestartet.“ Parallel zu vereinzelten Auftritten mit namhaften Musikern schloss sie aber erst ihr Studium der Internationalen Beziehungen an der Universität Genf ab, möchte sich nun aber gezielter auf ihre Gesangskarriere fokussieren.
Mit Brütsch durchs "generations14"Jazz-Aficionado Thomas Brütsch ist unser Mann am "generations14". Er hat sich seine persönliche Konzertagenda zusammengestellt, die hier versehen mit vielen Tipps publiziert ist. (rom) |
Dass sie in diesem Jahr den „Swiss Jazz Award“ gewonnen hat, wird ihre musikalische Laufbahn sicher beflügeln. Kommt noch dazu, dass sie mit ihren Mitmusikern eine Combo gefunden hat, die perfekt harmoniert. Zu hören ist ein Repertoire mit Standards, Bossa novas, französischen Chansons und Eigenkomposition des Pianisten von Wattenwyl.
Bis am Samstag ist das Quintett also noch im „Arco’s“ zu hören. Ein früher Besuch des Lokals sei aus bereits erwähnten Gründen sehr empfohlen!
Preisträger des ersten „generations“
In der Pianobar sind zwei weitere ehemalige Preisträger von „generations“ zu hören. Der ungarische Pianist Robert Lakatos und der Schweizer Schlagzeuger Dominic Egli. Sie wurden im allerersten „generations“ im Jahr 1998 ausgezeichnet. „Weisst du“, sagt Robert Lakatos, „jeder Preis ist schön. Aber dieser war der erste.“
Und Dominic Egli bemerkt: „Ich habe hier in Frauenfeld sehr viele gute Musiker kennengelernt und spiele – wie man sieht – heute noch mit ihnen.“ Für beide, die heute als Profimusiker arbeiten, war die Auszeichnung allein wohl nicht massgeblich für ihre Profilaufbahn.
Das „Robert Lakatos Trio“ ist in der Pianobar zu hören. Von links: Dominic Egli (dr), Stephan Kurmann (b) und Robert Lakatos (p).
Im ersten „generations“-Konzept wurde den Preisträgern das Einspielen einer CD zugesprochen. „Die war gar nicht so gut“, schmunzelt Egli rückblickend. „Das heutige Konzept mit der Konzerttournée ist sicher viel besser“, lobt er. Lakatos spielt übrigens nicht nur Jazz, sondern auch klassische Musik. „Die Situation für mich als Zigeuner ist in Ungarn aber derzeit sehr schlecht“, gibt er zu bedenken und verweist auf die rechtspopulistische Politik in seiner Heimat, die ihn immer mehr diskrimiert.
Er lebt in Budapest und würde gerne nach Westeuropa übersiedeln, um einer sicheren Anstellung an einer Jazzakademie nachgehen zu dürfen.
Das „Robert Lakatos Trio“ wird vom Bassisten Stephan Kurmann begleitet, nachdem Isla Eckinger aus gesundheitlichen Gründen kurzzeitig absagen musste. Es stehen Standards auf dem Programm – entsprechend dem Pianobar-Label „Classic“. Ein Besuch des Trios ist ein absolutes „must“. Lakatos spielt ein verspieltes, quirliges Piano mit einem Ideenreichtum, der seinesgleichen sucht. Die bewundernden Blicke des Publikums auf die Tastatur des Flügels, sie sprechen Bände!
„Amtlicher“ Straight-ahead-Jazz
Im Dreiegg ist das „Vladimir Kostadinovic Quartet“ zu hören, das den in den USA lebenden, englischen Saxophonisten und Masterclass-Lehrer Seamus Blake am Tenorsaxophon featured. Das Quartett schneidet während der Auftritte übrigens mit für eine neue CD-Produktion – also: herzhaft applaudieren für einen Wiedererkennungseffekt auf dem heimischen Sofa... Der slowakische Drummer hat eine hervorragende Formation zusammengestellt, die unglaublich „amtlichen“ Straight-ahead-Jazz spielt. Das wurde am Mittwoch goûtiert, war der grosse Dreiegg Jazzclub denn auch richtig gut besetzt.
Ein Besuch im Dreiegg rentiert sich sowieso: Nach dem regulären Konzert kann man gleich an den Bartischen sitzen bleiben, wenn die Jam Session um halb zwölf beginnt!
Marko Crncec (p), Seamus Blake (ts), Joe Sanders (b) und Vladimir Kostadinovic (dr) machen im Dreiegg einen Live-Mittschnitt auf für ihre neue CD-Produktion (von links).
Was gibt’s sonst noch? Die Förderpreisträger wurden am Mittwoch bestimmt und werden am Freitag als „generations Unit 2014“ im Eisenwerksaal zu hören sein (19 Uhr). Auch der Hauptförderpreisträger wurde erkoren. Von all diesen jungen Musikern wird man mit Sicherheit auch in Zukunft noch zu hören bekommen.
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Programm und Informationen zum "generations14" hier
www.generations.ch
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