von Thomas Brütsch, 30.09.2014
Very saxy
Drei Tage lang kommen am „generations 14“ die Freunde des Saxophons zum Zug. Drei internationale Quartette mit insgesamt zwölf Profimusikern zeigen eindrücklich, wo Bartli den Saft holt.
Thomas Brütsch
Wäre ich Papst – ich würde Adolphe Sax nicht nur selig, sondern gleich heilig sprechen. Im Eiltempo. Sozusagen in Chefsache. Zwar weiss ich nicht, ob der Belgier römisch-katholischen Glaubens war – man kann aber fast davon ausgehen. Eigentlich schade, bin ich ein Pfarrerssohn der Konkurrenzfirma. Und sagen wir es pragmatisch: Adolphe Sax selber hat wohl keine Wunder vollführt. Aber er hat viele dazu angestiftet.
Vornehmlich "einfache Musik"
Dieser Lobgesang ist streng persönlich. Und es soll scheints auch Menschen geben, die dem Saxophon nichts abzugewinnen gewillt sein sollen. So stand in meinem 70er Jahre-Schulmusikbuch denn auch zu lesen, dass es sich um ein ordinäres Instrument handle, mit dem vornehmlich einfache Musik gespielt würde. Tanzmusik, Jazz und Dergleichen halt. Grund genug, mich dafür zu interessieren. Branford Marsalis sagte mir im Vertrauen: „Ich habe von der Klarinette zum Sax gewechselt, weil ich so mehr Frauen kennenzulernen hoffte.“ So what!
Der langen Einleitung kurzer Sinn? Von heute an spielen die Saxquäler (sic! Lieber Markus Schär, so nennst du sie ja auf unserer FB-Seite, gell?) im Eisenwerk. Pur. Also unbegleitet. Für Saxophobe eine Qual. Für Saxophile das Evangelium. Die Offenbarung der Luftsäule. Das Mekka des Erwerbsmessings. Das Endziel jeder Reise. Milch und Honig. Warmer Schnulzensound mit schneidenden Klangbrettern melangiert. Klang. Luft. Klappengeräusch. Alles, was ein Ohr braucht. Und irgendwie saxy halt.
„Spittin’ Horns“: Irrwitzige Staccati, lyrische Melodien
Den frohen Reigen der Saxophonie eröffneten am Montag im Vorstadttheater die „Spittin’ Horns“, ein Swiss Made Saxophone Quartett mit Bandleaderin Barbara Wehrli Wutzl (bs), Christoph Grab (ts), Reto Suhner (as) und Thomi Geiger (ss, as). Sie verzauberten den rappelvollen Konzertsaal mit wohlarrangierten Stücken. Vornehmlich aus der Feder des begnadeten Charles Mingus, den sie auf der aktuellen Tournée abfeiern. Da war es ein zusätzliches Erlebnis, dass sie gleich noch eine CD-Taufe ihrer neuesten Produktion „Moanin’ – Mingus Reloaded“* aus dem Hut zauberte.
Wer sich mit so einer Ansammlung von Saxophonen frei und mutig auf die Bühne wagt – und etwas zustande bringen möchte – der muss sein Fach verstehen. Und das ist der Dame und den drei Herren vollauf gelungen! Das Programm gestalteten sie sehr überraschend. Mit irrwitzig schnellen, verschraubten Staccati und lyrisch ziselierten Melodien. Da ist es fast schon obsolet, auf das individuelle Können der Vier hinzuweisen. Alle sind sie langjährige Profimusiker, die sich in diversen Bands einen Namen gemacht haben – vom Jazz bis zur Bluesmusik (ihre Homepage hilft Interessierten weiter). Und natürlich absolut eingespielt.
Mit Brütsch durchs "generations14"Jazz-Aficionado Thomas Brütsch ist unser Mann am "generations14". Er hat sich seine persönliche Konzertagenda zusammengestellt, die hier versehen mit vielen Tipps publiziert ist. (rom) |
Die „Spittin’ Horns“ sind aber beileibe nicht nur speiende oder spuckende Hörner. Viel mehr verstehen sie es, orchestrale, abwechslungsreiche, ideenstrotzende und witzige Musik auf die Bühne zu bringen. Auch hier haben Improvisationspassagen manchmal etwas Sakrales. Oder aber sie schreiten im Tempo des gehetzten Teufels in die Seelen der Zuhörer. Falls Sie im Hintergrund des Titelsongs „Moanin’“ übrigens ein hilferufendes Kind zu hören glaubten? Nein! Das alles kann man mit diesem wunderbar „ordinären“ Instrument machen. Jawohl!
Sax goes on
Wem jetzt in den Sinn gekommen ist, er habe etwas verpasst – halb so schlimm. Am Dienstag (30.9.14) treten die „Munich Saxophone Family“ (CH, D, USA), am Mittwoch das österreichische Quartett „Saxofour“ auf. Jeweils ab 19 Uhr für rund eine Stunde. Auch hier sind lauter Profis und Hochschulprofessoren anzuhören. Man bediene sich hier auf der Festivalpage bitte der Namen.
Schwaller auf der Bühne
Vielleicht noch dies: Der Erfinder und künstlerische Leiter von „generations“, Roman Schwaller (ts), spielt an diesem Festival nach Programm nur ein einziges Mal auf: Am Dienstag mit der Saxophone Family. Reto Suhner (as), Jürgen Seefelder (ts) und Thomas Zoller (bs), sind am Samstag auch noch in der Big Band zu hören.
Üben, üben, üben
Und auch noch dies: Ohne üben geht auch bei den Profis nichts. Tate, Seefelder, Schwaller und Zoller sind seit Sonntag täglich stundenlang am Schuften. Frei nach dem Motto: Üm, üm, üm. Oder: Wer übt, der fällt den anderen zwar in den Rücken. Aber nicht ab.
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