von Thomas Brütsch, 29.09.2014
"Jazz ist hartes Brot"
Jonas Vogelsang ist einer der 23 Masterclass-Teilnehmer am „generations14“. Er spielt gut, weiss aber, dass das viele andere Musiker auch tun. Ein Gespräch mit dem 24-jährigen Gitarristen aus Köln.
Thomas Brütsch
Er ist mit zwei Kollegen aus Köln angereist. Auf die Masterclass-Workshops an „generations“ wurden die drei in der Jazzabteilung der Hochschule für Musik und Tanz aufmerksam gemacht. „Wir haben uns sofort beworben“, sagt Jonas Vogelsang, „denn ‚generations’ ist eine gute Möglichkeit, um von Profimusikern zu lernen und vor allem, um Kontakte zu knüpfen mit guten, jungen Musikern.“ Es würden in Frauenfeld eigentlich nur gute Leute rumlaufen, lobt Vogelsang. „Und wenn ich es schaffe, mit drei, vier, fünf neu Kennengelernten in Zukunft Musik machen zu können – dann wären meine Erwartungen voll erfüllt.“
Als Jazzmusiker zu arbeiten ist hartes Brot. Vor allem, wenn man sich in der Startphase seiner Karriere befindet. Der 24-jährige hat sein Studium bereits abgeschlossen und befindet sich derzeit in dieser kritischen Phase. Sein Ziel ist es, von der Jazzmusik leben zu können. „Ich versuche das in den nächsten fünf Jahren intensiv“, sagt er und weiss, was auf ihn zukommt. „Falls ich es in dieser Zeitdauer nicht schaffe, dann muss ich mich umorientieren. Ich möchte ja auch einmal eine Familie ernähren können.“ Vogelsang unterrichtet wöchentlich während eines Tages an einer Musikschule und tritt regelmässig als Sideman und mit seiner eigenen Formation auf. So bestreitet er seinen Lebensunterhalt.
Masterclass-Workshop in der Kanti-Aula am Sonntagnachmittag. Don Friedman inmitten der jungen Musiker – ganz rechts: Jonas Vogelsang.(Bilder: Thomas Brütsch)
Traum verwirklichen
„Vielleicht tönt es arrogant“, lacht er, „aber ich weiss, dass ich gut spielen kann. Das Problem ist, dass es – nicht nur an ‚generations’ – viele Musiker gibt, die gut spielen.“ Der internationale Konzertbetrieb ist nicht einfacher geworden in den letzten Jahren, das sagen auch die Masterclass-Lehrer. „Es ist eine bittere Realität“, sagt Vogelsang, „aber versuchen möchte ich es dennoch, meinen Traum zu verwirklichen.“
„Wir haben hier richtig Spass miteinander“, erzählt er und sagt, dass der Konkurrenzkampf nicht im Vordergrund stehe. Aber klar: "Es wäre ein angenehmer Nebeneffekt, einen Preis zu gewinnen.“ Ausgeschrieben sind bei „generations“ in diesem Jahr nicht nur die Wahl in die Förderpreisband („generations Unit“-Konzert am Freitag und die Möglichkeit, 2015 eine zehntägige Tour unter der Leitung von Adrian Mears absolvieren zu können), sondern neu auch ein Hauptförderpreis (mit kompletter Studioproduktion und Plattenvertrag bei TCB).
Mit Brütsch durchs "generations14"Jazz-Aficionado Thomas Brütsch ist unser Mann am "generations14". Er hat sich seine persönliche Konzertagenda zusammengestellt, die hier versehen mit vielen Tipps publiziert ist. (rom) |
Profi-Inputs in den Workshops
Am Sonntagnachmittag absolvierte Jonas mit fünf Mitmusikern seinen zweiten Workshop bei Don Friedman. „Am Vormittag waren wir bei Seamus Blake.“ Die Workshops waren total unterschiedlich aufgebaut. „Während wir am Vormittag einen Standard einstudiert haben und Seamus Blake gleich mitspielte, übten wir nachmittags eine Eigenkomposition von Don Friedman.“ Friedman spielte nicht mit, gab aber wertvolle Anleitungen. „Wir konnten uns also nicht vorbereiten“, sagt Vogelsang, „aber Friedman hatte natürlich klare Vorstellungen von der Interpretatiion seines Stückes.“
Im Vordergrund der Workshops stehen die Gestaltung der Tunes, das Zusammenspiel, die Aufteilung auf die Instrumentenstimmen, die Kommunikation auf der Bühne und wichtige Tipps aus erster Hand. Dabei gehen die Masterclass-Lehrer Seamus Blake (ts), Adrian Mears (tb), Don Friedman (p) und Lewis Nash (dr) ganz individuell vor. „Das Klima ist sehr gut. Und ich kann viel profitieren“, meint Vogelsang. „Weisst du, das ist ein schwieriger Job. Jeder hat seine Vorstellungen, was und wie man spielen könnte.“ Darüber hinaus geniesst Jonas den Kontakt mit den arrivierten Profis: „Don hat uns Anekdoten aus dem New York der 50er-Jahre erzählt.“
Ambitioniert, aber pragmatisch: Jonas Vogelsang.
Es gibt nichts umsonst
Ob Jonas Vogelsang einen der Preise erhält? „Ich habe keine Ahnung, wie die Jury uns bewerten wird.“ Falls ihn ein Leser dieser Zeilen in den Fokus nehmen will: Jonas war bereits am Samstag im ersten Set der Jam Session im Dreiegg zu hören. Und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein. „Schliesslich sind wir, um zu spielen.“ Kostproben seines Könnens gibt es auch auf seiner Homepage. Dort sind auch Konzertdaten zu finden. Im kommenden Februar wird er mit seiner eigenen Band „Jonas Vogelsang Group“ eine CD produzieren – nachdem er natürlich schon als Sideman bei anderen Produktionen mitspielte.
„Die Stimmung unter den Teilnehmern von ‚generations’ ist sehr gut. Das Konzept ist ‚der Hammer’ und noch dazu umsonst! Das habe ich noch nie erlebt“, lacht Vogelsang. Er wohnt während dieser Woche bei einer „grosszügigen und sympathischen“ Gastfamilie und kann 2014 von der ersten Ausgabe von „generations“ profitieren, das den Teilnehmern keine Rechnung stellt. Auf jeden Fall hat er sich seine Teilnahme verdient. Denn er wurde von der Jury aus vielen Bewerbern ausgewählt. Einfach ganz umsonst - das gibt es auch hier nicht. Im Gegenteil.
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