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von Thomas Brütsch, 28.09.2014

Jazz mit Fleisch dran

Jazz mit Fleisch dran
Klassisches Trio: Lewis Nash (dr), Thomas Stabenow (b), Don Friedman (p). | © Thomas Brütsch

Jazzer sind eine Familie, man kennt die Musik. Über Jahre. Trotzdem ist man immer wieder gespannt, wie neue Kombinationen von Musikern miteinander harmonieren. - Ein Club-Streifzug am „generations14“.

Thomas Brütsch

François Rabelais hiess in seinem Buch „Gargantua und Pantagruel“ einen Lastträger, der in einer Gasse verbotenermassen gratis am herrlichen Bratenduft schnupperte, sich mit dem Klingeln eines Tourainer Philippstalers erkenntlich zeigen... Klingeln für Duft? So weit, so gut. Das Buch wurde 1532 veröffentlich und verkaufte sich sintemalen besser noch als die Bibel... Und was das mit dem Jazz von „generations“ gemein hat? Nun, es ist der Holzkohlengrill der Pianobar.

Pianobar: Hungrig auf Jazz und Fleisch

Mitten im wunderbaren Grillduft, just daneben, da stehen die Hungrigen. Hungrig auf Jazz. Denn die Essenden, die die feinen Entrecôtes und die anmächelig aussehenden Folienkartoffeln mit Quarkfüllung verzehren: sie sitzen. Auch sie sind hungrig auf Jazz. Einverstanden.

Einen Nachteil hat das, und einen Vorteil. Zuerst zum Vorteil: Die Jazzhungrigen stehen „in front of stage“. Mit dem Drink in der Hand. Mit dem Ohr am Piano. So, wie es der Name der Bar uns schmackhaft macht. Der Nachteil: Leider haben nicht alle Platz, die sich Don Friedman (p), Thomas Stabenow (b) und Lewis Nash (dr) anhören möchten. Zudem ist es immer relativ laut in der Pianobar. Aber wer gleich neben dem Set steht, der kann die Musik durchaus geniessen. Das Don Friedman Trio spielt noch bis Dienstag. Konzertbeginn ist jeweils um 21 Uhr – wie übrigens in allen Clubs.

Und es lohnt sich, hinzugehen. Gespielt werden Standards und Eigenkompositionen. Getreu dem Motto der Pianobar „Classic“. Also klassischer Triosound ohne Bläser. Friedman ist ein intellektueller Spieler. Er lässt seinen Mitmusikern aber Platz. Das lässt auch Stabenow und Nash brillieren. Vielleicht versuchen Sie, telefonisch einen Platz zu reservieren! Um gleichzeitig den musikalischen und den kulinarischen Hunger zu stillen.

Phänomenaler Sound: Jorge Rossy (dr), Andy Scherrer (ts), Stephan Kurmann (b), William Evans (p). (Bilder: Thomas Brütsch)

Dreiegg: Andy Scherrer - keineswegs old fashioned

Im Dreiegg durfte am Samstag geraucht werden. Da kommt fast schon eine sentimentale Stimmung auf deswegen... Am Samstag wich die Band Scherrer-Evans-Kurmann-Rossy wegen einer Hochzeitsfeier in die kleine Bar aus. Im Publikum sassen sehr viele Masterclass-Workshop-Teilnehmer, die der Musik konzentriert lauschten. Im Club herrschte also Konzertstille! Andy Scherrer (ts) ist ein Urgestein des Schweizer Jazzsaxophons. Aber keineswegs old fashioned! Sein Sound ist phänomenal, vom unteren ins oberste Register. Balladen von ihm sind traumhaft. Und der amerikanische Pianist William Evans spielt ein frisches, modernes und junges Piano. Er fügt sich toll in das Quartett ein und soliert wundervoll.

Da der erste Durchgang dieses Clubevents im Dreiegg (ebenfalls bis am Dienstag) in Zusammenarbeit mit dem 20-Jahr-Jubiläums des „Bird’s Eye Jazz Club“ Basel gestaltet wird, spielt dessen Gründer und musikalischer Leiter, Stephan Kurmann, auch mit. Bereits am Samstagabend spielte er wundervolle, schnelle und kraftvolle Bass-Soli. Unterstützt werden die drei vom Katalanen Jorge Rossy am Schlagzeug. Auch er ist ein international tätiger und äusserst erfolgreicher Jazzmusiker mit atemberaubendem Palmarès. Das Quartett ist extrem eingespielt. Und das hört man sofort. Auch hier gilt: Unbedingt hingehen!

Richtig beschäftigt: Bert Joris ist auch Bandleader der Festival Big Band.


Terrasse: „Belgian Moods“

Im Jazzclub Terrasse finden in diesem Jahr lediglich in der ersten Hälfte von „generations“ Clubkonzerte statt. Diesmal unter dem Motto „Belgian Moods“. Aber ein bisschen international sind diese Belgier dann doch... Nun, wir beginnen trotzdem mit dem Belgienblock: Bert Joris (flh, tp), Philippe Aerts (b) und Dré Pallemaerts (dr) kennen sich seit Jahren und spielen einerseits kräftige Kompositionen des Bläsers, andererseits auch Standards. Die meiste Freude an dieser Combo macht das verschmitzte Zusammenspiel. Zwei, drei Augenkontakte, und schon geht die Post ab. Das Zusammenspiel dieser Band ist phänomenal.

Zudem kann man in der Terrasse den Pianosound von allen Clubs am unmittelbarsten erleben. Das hängt sicher auch mit der guten Soundanlage zusammen. Dann aber auch mit Dado Moroni (p), dem italienischen Sahnehäubchen im belgischen Team. Moroni bringt den Karren zu Klingeln. Unglaublich fett, wie er die Sounds im Griff hat. Gerade, wie ihm beliebt. Die Band groovt unglaublich, ist atemberaubend abwechslungsreich und macht nur Spass.

Die Musik des Bandleaders Bert Joris kann man dann auch am Samstag an der Gala Night im Casino hören. Er ist übrigens richtig beschäftigt: Von Samstag bis Dienstag spielt er in der Terrasse (21.00 Uhr bis 23.30 Uhr). Am Montag und Dienstag unterrichtet er tagsüber zusätzlich an der Swiss Jazz School in Bern. Und ab Mittwoch bringt er eine Big Band zum Spielen. Wer hat sich das Musikantenleben nicht gemütlicher vorgestellt?

 

Mit Brütsch durchs "generations14"

Jazz-Aficionado Thomas Brütsch ist unser Mann am "generations14". Er hat sich seine persönliche Konzertagenda zusammengestellt, die hier versehen mit vielen Tipps publiziert ist. (rom)


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generations 2012 im Tagebuch - thurgaukultur.ch vom 4.10.2012
Bekenntnisse zum Jazz - thurgaukultur.ch vom 26.09.2012

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Programm und Informationen zum "generations14" hier

www.generations.ch

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