von Brigitta Hochuli, 29.05.2013
Neues Kulturprogramm in Münsterlingen

Unter dem Motto „Wir tauchen auf“ erfährt die Kultur in der Psychiatrischen Klinik eine Wiederbelebung. Mit „Rosa im Nebel“ am 18. September, mit Experten- und Künstlergesprächen und mit Hilfe der Patienten. Wir haben die neue Kulturbeauftragte Seraina Perini Allemann dazu befragt.
Interview: Brigitta Hochuli
Frau Perini, gerade wurde bekannt, dass der Hinterthurgauer Kleinkunstveranstalter Büx nach 29 Jahren eventuell aufgibt. Sie aber wagen in Münsterlingen einen Neustart. Woher nehmen Sie den Mut? Das kulturelle Angebot im Thurgau wächst ja stetig, die mögliche Zuschauerzahl eher nicht.
Seraina Perini Allemann: Wir sind überzeugt, dass Kultur und der offene Umgang mit Erkrankungen aller Art eine wichtige Rolle im Heilungsprozess spielen. So macht es aus unserer Sicht Sinn, weiter an der Öffnung der Klinik zu arbeiten und den Patienten, Angehörigen und der Bevölkerung Kultur in der Klinik anzubieten.
Für dieses Jahr planen Sie vier Veranstaltungen, für nächstes Jahr ein Kunstprojekt, Tanzprojekte, einen „Grenzgang“ und Angebote für Kinder. Wer trägt die Gesamtkosten?
Seraina Perini Allemann: Die Gesamtkosten sind, befristet auf zwei Jahre, bei der Spital Thurgau AG budgetiert.
Quasi als Alleinstellungsmerkmal bieten Sie nach den Veranstaltungen Gespräche mit Künstlern und Experten zum jeweiligen Thema an. Sind diese Gespräche öffentlich?
Seraina Perini Allemann: Auf jeden Fall!
Früher bot die Psychiatrische Klinik Kultur unter dem Motto „Grenzgänge“ an. Ihr Programm sieht für 2014 einen einzigen „Grenzgang“ vor. Ihr Motto heisst nun „Kultur in der Klinik“. Trotz „Auftauchens“ knüpft man demnach nicht an die bewährte Tradition an?
Seraina Perini Allemann: Doch, doch. Wir möchten mit den Grenzgängen genau an die bewährte Tradition anknüpfen, genauso wie das Signet das gleiche geblieben ist.
Frau Perini, Sie waren in der Leitung des Kreuzlinger Theaters an der Grenze tätig. Besteht da nicht die Gefahr, dass das Angebot in Münsterlingen eine ähnliche Handschrift trägt und somit zur Konkurrenz wird?
Seraina Perini Allemann: Ich sehe keinerlei Gefahr, sondern vielmehr eine grosse Chance darin. Ich kenne die Macherinnen und Macher gut, wir arbeiten zusammen und tauschen uns auch aus. So entsteht keine Konkurrenz, sondern es können vielmehr Synergien genutzt werden.
Unter anderem fällt auf, dass die Kerngruppe der neuen Kulturreihe aus klinikinternen Fachpersonen besteht, und dass Patienten in die Organisation miteinbezogen werden. Gibt es dafür Vorbilder, die sich bereits bewährt haben oder sind Sie diesbezüglich Pioniere?
Seraina Perini Allemann: Als Pioniere würde ich uns nicht bezeichnen, das Kulturprogramm unter Margret Meier-Ammann ist ebenfalls aus der Klinik und mit verschiedensten Personen entstanden. Da ich noch kein natürlich gewachsenes Netzwerk in der Klinik habe, haben wir die Kerngruppe ins Leben gerufen. Wir konnten engagierte und motivierte Personen dafür gewinnen, was mich persönlich sehr freut!
***
Die interdisziplinäre Kerngruppe
- Gerhard Dammann, Klinikdirektor
- Heidi Schänzle-Geiger, Leiterin Memory Klinik
- Thomas Meng, Leiter offenes Atelier
- Roland Badertscher, Stabsmitarbeiter
- Nicole Bühler, Leitung Hotellerie
- Urs Wolfender, Leiter Pflege Mutter Kind Station
- Seraina Perini Allemann, Kulturbeauftragte Psychiatrischen Klinik Münsterlingen
Das Programm 2013
- 18. September: interaktives Theater "Rosa im Nebel" zum Thema Demenz. Heidi Schänzle-Geiger wird im Anschluss unter dem Titel "Leben mit Demenz" ihre Expertenmeinung abgeben.
- 3. Oktober: Romantischer Gedichte-Abend "Die schöne Magelone" mit Liedern von Brahms, gesungen von Matthias Aeberhard, Tenor. Er ist national bestens bekannt von den "i Quattro". Im Anschluss findet ein Nach(t)gespräch mit Matthias Flückiger (Leser und Schauspieler) und Gerhard Dammann zum Thema "Romantiker - passé?" statt.
- 8. November: Stiller Has mit "böses Alter". Auch nach diesem Konzert findet ein Nach(t)gespräch mit Endo Anaconda und einer Fachperson aus dem Klinikumfeld statt.
- 1. Dezember: Kindermusical Michel von Löneberga. Anschliessend an die Veranstaltung findet ein Expertengespräch zum Thema "Wäre Michel heute längst im Heim?" statt
- 2014: ein Kunstprojekt, Tanzprojekte und ein Grenzgang - die Kinder werden auch da nicht vergessen.

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