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Von wegen alternativlos

Von wegen alternativlos
Nur schemenhaft erkennbar: Das neue Themenhaus Museum Werk Zwei soll jetzt erst 2037 in Arbon eröffnet werden. | © Canva/Michael Lünstroth

Die jetzt verkündeten Einsparungen bei den kantonalen Museumsprojekten klingen unausweichlich. Dabei wären sie mit einer vorausschauenden Kulturpolitik vermeidbar gewesen. Ein Kommentar. (Lesedauer: ca. 4 Minuten)

Es war einmal ein Kanton, der sich ehrgeizige Ziele in der Kulturpolitik setzte. Die kantonalen Museen sollten endlich saniert werden, zeitgemässer Museumsbetrieb sollte möglich werden und in Arbon sollte gar ein ganz neues Museum entstehen. Ich erinnere mich noch, wie ich damals schrieb, dass der Thurgau zu einem der aufregendsten Kulturorte der Schweiz werden könnte, sollten all die Pläne Realität werden. Das ist gerade einmal vier Jahre her. Und jetzt? Kriege, Krisen, Steuersenkungen und versiegende Einnahmequellen haben diese grosse Vision in den vergangenen Monaten zerstört. Unter finanziellem Druck gibt der Regierungsrat seine Ambitionen auf und will nur noch das Nötigste in die Museen investieren. 

Das ist auf mindestens vier Ebenen eine schlechte Nachricht: 1. Alles, was jetzt nicht gebaut wird, wird in zehn Jahren, zum geplanten Baustart, teurer sein. 2. Es ist entmutigend für die neuen und designierten Direktor:innen im Kunstmuseum und Historischen Museum, weil sie ihren Job unter anderen Bedingungen ausführen müssen als jenen, unter denen sie angetreten waren. Sie müssen jetzt vor allem den Mangel verwalten. 3. Für die Museen und die Teams, die sie gestalten, ist es ein Rückschritt, weil sie in ihrer Entwicklung ausgebremst werden. 4. Es ist für alle Museumsbesucher:innen eine schlechte Nachricht, weil es bedeutet, dass die Zugänglichkeit und Attraktivität der Thurgauer Museen auf absehbare Zeit nicht steigen wird.

Die Versäumnisse der Vergangenheit

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Wenn angesichts der aktuellen finanziellen Lage die Frage lautet, ob Schulen oder Museen gebaut werden, dann fällt es schwer, einseitig für Museen zu argumentieren. Schulen nicht zu bauen ist bei steigenden Schülerzahlen schlicht keine Option. Das Problem ist also nicht so sehr die aktuelle Entscheidung, sondern der Weg dahin.

Denn: Politik darf sich gar nicht erst in die Lage bringen, zwischen Schul- und Museumsbau entscheiden zu müssen. Dass dies nun eben doch passiert ist, ist nicht ausschliesslich, aber in Teilen schon auch selbst verschuldet. Die Versäumnisse liegen in der Vergangenheit und sind recht klar zu benennen: Die vom Kantonsrat 2021 durchgesetzte Steuerfusssenkung um acht Prozentpunkte hat dem Kanton finanziellen Gestaltungsspielraum geraubt. Das jahrzehntelange Aufschieben von Sanierungs- und Erweiterungsmassnahmen in den kantonalen Museen (und nicht nur dort, wie andere grosse Investitionsvorhaben zeigen) hat dazu geführt, dass die notwendigen Investitionen jedes Jahr grösser wurden. Man kann das „kaputtsparen“ nennen oder einfach: Nichtstun kann eben auch etwas kosten.

Wenn dann noch jahrelang als gesichert geltende Millioneneinnahmen, wie die Ausschüttungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB), ausbleiben, dann eskaliert die Lage, Handlungsspielräume schwinden und harte Einschnitte werden unausweichlich, wenn man an einem ausgeglichenen Staatshaushalt festhalten will.

 

Verwischte Erinnerung: Dieser unterirdische Ausstellungsraum sollte im Kunstmuseum entstehen. Jetzt zieht sich der Kanton aus der Finanzierung zurück. Bild: Keller Hubacher Architekten, BBK Architekten AG, Harder Spreyermann Architekten AG (bearbeitet durch Canva-Software)

Woher die Angst vor Museumsprojekten kommt

Dass diese Einschnitte jetzt gleich vier Museumsprojekte betreffen, hat natürlich eine Vorgeschichte. Die jahrzehntelangen Nichtinvestitionen in die museale Infrastruktur haben dazu geführt, dass die Häuser im Gleichschritt sanierungsbedürftig wurden und sich die verschiedenen notwendigen Projekte nun überlagern. Wer verstehen will, weshalb es jahrelang eine so grosse Scheu in der Politik gab, sich mit Sanierungsprojekten bei Museen zu beschäftigen, landet schnell bei einem früheren Versuch, das Kunstmuseum zu modernisieren.

Dieser Versuch wurde von allen Beteiligten - von Politik bis Stiftung der Kartause Ittingen - dermassen vermasselt, dass sich danach lange kaum ein Politiker mit weiteren Museumsprojekten beschäftigen wollte. Aus Sicht der Politik gab es in dem Gefilde kaum etwas zu gewinnen bei der Bevölkerung. Die Museen blieben weitgehend sich selbst überlassen und mussten sich in Improvisation üben.

Die Quittung dafür liegt nun auf dem Tisch: Sanierungsbedürftige Häuser, die den Anschluss an einen zeitgemässen Museumsbetrieb verloren haben. Genau dieser Zustand wird mit den Einsparungen und Schmalspursanierungen auf die nächsten Jahre eingefroren. Mehr sogar noch: Für die Museen gilt - bevor es besser wird, wird es erstmal schlechter. Die kantonalen Häuser sollen nun Zwischennutzungsprogramme in einem unbeheizten Raum des designierten neuen Themenhauses in Arbon umsetzen, der noch schlechtere Ausstellungsbedingungen bietet als ihre eigenen baufälligen Gebäude. Die Begeisterung darüber wird sich vermutlich in Grenzen halten.

 

In dieser rund 400 Quadratmeter grossen Halle soll ab Dezember 2024 die kulturelle Zwischennutzung in der Webmaschinenhalle stattfinden. Bild: Michael Lünstroth

Die Ideen zum Themenhaus sind richtig

All diese Entwicklungen sind umso bedauerlicher, da das grundsätzliche Konzept dieses neuen Museums in Arbon in die richtige Richtung geht. Weg von einem monothematischen Haus, hin zu einem diskursorientierten Ort, der aktuelle, gesellschaftlich relevante Fragen auf der Grundlage unserer Geschichte verhandelt. In dem aktuellen Abschlussbericht zur Ausrichtung des neuen Museums finden sich viele gute Gedanken, die genau beschreiben, wie ein anregender Kulturort heute sein sollte und wie man die Besucher:innen auf diesen Weg mitnimmt.

Das Problem an der Sache ist nur das Wort „heute“. Denn so stimmig das Konzept im Moment wirkt, so offen ist, was für ein Museum wir in 13 Jahren bei der geplanten Eröffnung des neuen Museums brauchen werden. Bis dahin braucht das Konzept eine ständige Aktualisierung. Es ergibt ja keinen Sinn im Jahr 2037 ein Museum zu eröffnen mit Ideen aus dem Jahr 2023. Und an der Stelle kann man sich dann schon fragen, wie nachhaltig dieser ganze Prozess bisher war.

Wer sagt, dass die Lage in zehn Jahren besser ist?

Ehrlicherweise müssten die Verantwortlichen in der Politik heute sagen: „Leute, wir wissen nicht, ob dieses Museum jemals kommen wird, unsere aktuellen Pläne beruhen auf vagen Hoffnungen, aber wir werden uns bemühen.“ Denn: Wer weiss schon, ob die Lage 2034, dem aktuell geplanten Baubeginn, wirklich besser ist als heute? Angesichts der weltpolitischen Lage kann man daran ja durchaus zweifeln.

Ehrlich wäre es auch zu sagen, dass viele inhaltliche und strukturelle Fragen bezüglich des neuen Themenhauses noch komplett ungeklärt sind. Wie genau soll die Zusammenarbeit der kantonalen Museen dort funktionieren? Wer entscheidet, welche Ausstellungen gezeigt werden? Braucht es eine übergeordnete Hierarchie-Ebene in dem neuen Haus, die alle Aktivitäten der Museen koordiniert?

Und vielleicht die grösste aller Fragen: Wie kann es gelingen, das Interesse an einem irgendwann dann nicht mehr ganz so neuen Haus über 13 Jahre wachzuhalten? Die Zwischennutzung in einem rund 400 Quadratmeter grossen Raum des insgesamt riesigen Gebäudekomplexes ist ein logischer Schritt, aber eine insgesamt neunjährige Zwischennutzung - von jetzt bis zum anvisierten Baubeginn 2033 - birgt eher die Gefahr der schleichenden Abnutzung und Gewöhnung. Es wäre kaum überraschend, wenn einige, tendenziell eher zur Genügsamkeit neigende, Thurgauer Politiker:innen irgendwann sagten: „Ach, jetzt haben wir doch diesen einen Raum. Sind weitere Ausgaben wirklich noch nötig?“

 

Die Webmaschinenhalle, Standort des geplanten «Themenhauses Museum Werk Zwei» in einer Luftaufnahme. Bild: Kanton Thurgau

Begegnung und Selbsterfahrung: Warum wir Museen brauchen

In diesem Moment sind dann klare Antworten gefragt. Dazu braucht es agile Museen, die mit einem aussergewöhnlichen Programm für sich werben. Es braucht ein engagiertes Publikum, das auch bereit ist, sich auf Experimente einzulassen und es braucht entschlossene Menschen in der Kulturpolitik, die immer wieder auf die Bedeutung von Museen für die Gesellschaft hinweisen.

Als kleine Merkhilfe: Gute Museen sind inspirierende und integrative Orte. Sie eröffnen den Raum für Begegnung, Austausch und Selbsterfahrung. So unklar die Zukunft sein mag, eines kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen: Genau solche Orte brauchen Gesellschaften immer. Jetzt und auch in 13 Jahren.

 

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