von Brigitta Hochuli, 22.10.2011
DREI FRAGEN AN...
... Hans Gysi zu seinem Lyrikband „pocket songs“ und zur Bewältigung schwerer Brocken wie Liebe und Jenseits mit Hilfe der Lyrik. Warum er nicht anders kann.
Herr Gysi, Ihre Schwerpunkte sind Theaterarbeiten und Lyrik. Was verbindet die beiden Sparten?
Hans Gysi: Die Lyrik ist ähnlich wie die Sprache in Theaterstücken: verdichtet und reduziert, das verbindet die beiden Sparten. Während bei den Gedichten mehr eine Stimmung skizziert wird, werden im Theater die Geschichten und Figuren wichtiger. Zudem geht's in den „pocket songs“ auch um Lieder oder kurze Monologe, die auch in einem Theaterstück vorkommen könnten. Bei beiden Formen ist mir eine Aussage wichtig, über die sich der Leser und die Leserin Gedanken machen können. Das Gedicht erlaubt manchmal noch eine subjektivere Sicht und kann noch reduzierter wirken.
Die „pocket songs“ sind ein Gedichtband, in dem es um Themen wie Liebe bis hin zum Jenseits geht. Sind solche Brocken leichter zu fassen in Lyrik als in Prosa?
Hans Gysi: "Die Brocken" wie Sie sagen, bezeichnen gut die Grenzen des Sagbaren: Liebe, Ängste, Sinnlosigkeiten und Hoffungen, wie soll man sie beschreiben? Ich bin überzeugt, dass die Lyrik dazu sehr geeignet ist, weil sie aus dem Hinhören und Schweigen entsteht. Ich bin durchaus kein Prosaverächter, doch denke ich, dass die Lyrik sehr gute Möglichkeiten hat, philosophische und banale Dinge auf den Punkt zu bringen. In zwei, drei Sätzen entsteht ein Bild, das mehr sagt als tausend Worte oder eine Melodie, die einen berührt. Dabei ist es mir wichtig, dass die Gedichte ihre Bodenhaftung und Realität behalten und nicht abgleiten in eine unverbindliche Wortspielerei oder in bedeutungsschwangeres Pathos. Zudem soll der Humor nicht zu kurz kommen.
Moderne Lyrik ist einem breiten Publikum aber meist schwer zugänglich. Sie wagen es trotzdem. Warum?
Hans Gysi: Ich kann nicht anders. Ich finde es besonders spannend, weil es eine Arbeit ist, in der Intuition und Unbewusstes zum Tragen kommen. Und bei den "pocket songs" gefällt mir besonders, dass sie das Thema des Sängers in moderner Form wieder aufnehmen und mit der Musik zusammen zu richtigen Songs werden können. Leider wird Lyrik oft unterschätzt, es gibt viele Buchhändler, die sie schon gar nicht im Sortiment führen oder sie mit Worten wie "herzig" oder randständig deklassieren. Auch glaube ich nicht so recht an die Unzugänglichkeit. Viele junge Dichter und Dichterinnen schreiben ausgezeichnete Texte, die auch schöpferisch mit der Sprache umgehen. Als ich in Berlin Leseabende von Lyrikern besuchte, waren die Säle voll mit jungen Leuten. Kurz gesagt, ich glaube an die Zukunft dieser Form, besonders in einem Jahr, da ein Lyriker den Nobelpreis bekommen hat. (ho)
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Hans Gysi: Pocket Songs. Edition 8, Zürich 2011. 144 Seiten, 23 Franken. Buchvernissage am Sonntag, 23. Oktober, 17.15 Uhr, im Theaterhaus Thurgau in Weinfelden. Mit dabei ist der Theatermusiker Daniel R. Schneider.
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Hans Gysi
Hans Gysi ist 1953 in Arosa geboren und dort aufgewachsen. Schulen und Ausbildung hat er in Arosa, Schiers und an der Uni Zürich gemacht. 1976 Sek.-Lehrer Phil I. Von 1982-85 Schauspielakademie Zürich. Seit 1985 zwei Jahre als Schauspieler tätig beim Kitz und später freischaffend als Schauspieler, Regisseur, Theaterpädagoge und Autor mit verschiedenen Theatergruppen (Theater Katerland; Theater Zwei-Ge). Inszenierungen vom Frühlingserwachen bis zur Kleinbürgerhochzeit, u.a. auch mit Andreas Schertenleib „Ich habe eine grosse Sache im Grind, ein Glauserabend“. Hat einen Förderbeitrag des Kantons Thurgau erhalten und einen Werkpreis der Pro Helvetia. Als Autor beteiligt an mehreren Stücken (z.B. Königskind, Regie: Béatrix Buehler, Theater Katerland; Kriegfeld Theater Bilitz. Regie Roland Löscher). Im Verlag Waldgut sind erschienen „Federkino“ und „Die dünne Krankenschwester“ 2002. Im Wolfau-Verlag 2004 „Morning Poems“. Seit Januar 2004 leitet Hans Gysi das theaterbureau gysi in Märstetten. (pd)
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