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von Brigitta Hochuli, 15.04.2014

Konzil Thurgau für Körper und Geist

Konzil Thurgau für Körper und Geist
Kulturamtchefin Martha Monstein und Tourismuschef Rolf Müller präsentieren im Historischen Museum Thurgau die Aktionen zum Konzil im Thurgau. | © Brigitta Hochuli

Pressekonferenz im Schloss Frauenfeld: Von hier ging mit der Mitra des Papstes alles aus und nach Konstanz, dessen Konzil (1414 bis 1418) ab 27. April auch im Thurgau nachgefeiert wird. Museumsvertreter und Touristiker bieten ein Thurgauer Gesamtpaket.

Brigitta Hochuli

Kümmern wir uns zuerst um das leibliche Wohl, schliesslich müssen wir für die Reise ins Mittelalter fit sein. Wir packen mittelalterlichen Proviant wie Trockenfrüchte, Quittenbrot und eine Flasche Elbling ein; dazu Verjus zum allfälligen sanften Schärfensowie Anisbrötchen samt Model. Schmackhaft gemacht wurden die Köstlichkeiten den Medienvertretern von Ingrid Wolf von der Agro Marketing Thurgau AG.

Speisen für Konzil

Agro Marketing Thurgau AG präsentiert für die Jubiläumsfeierlichkeiten sechs aussergewöhnliche Spezialitäten aus regionaler Produktion. Allen Produkten gemein ist, dass mindestens ein Aspekt aus dem Mittelalter stammt wie z.B. die Rebsorte, die Zubereitungsart oder die Verschönerungstechnik. Die wieder entdeckten Produkte werden von Thurgauer Unternehmen nach heutigen Massstäben hergestellt. Sie bieten sich als Mitbringsel an, sind aber zugleich auch wirksame Werbeträger für das Konzilsjubiläum. Die strenge Vergabe des Mitra-Siegels garantiert: Wo die Bischofsmütze drauf ist, sind nur Zutaten drin, die es schon im Mittelalter gab. (id)

 

Dann planen wir die Begehung des 200 Kilometer langen Konzilwegs an 61 Sehenswürdigkeiten unseres Kantons vorbei, die allfälligen Übernachtungen und die Einkehr in einen der 20 Gastronomiebetriebe mit mittelalterlicher Küche - und wir laden schon man die Thurbo-Freizeitapp auf unsere Phones und Tablets. Schliesslich wird der Weg nach 2014 noch weiter führen, verspricht Jasmine Forster von Thurgau Tourismus.

signet konzil

Dem Konstanzer Bürger und Konzilschronist Ulrich Richental ist der erste Konzilsweg gewidmet: die Richental-Route. Von Kreuzlingen, der «ersten Stadt der Schweiz», führt sie beispielsweise nach Gottlieben. Im malerischen Fischerdorf am Seerhein residierte der britische Erzbischof Robert Hallum von Salisbury, einer der wichtigsten Kirchengelehrten und Berater König Sigismunds. Unterhalb der «Rosenstadt» Bischofszell überspannt eine archaische Brücke aus dem 15. Jahrhundert die Thur. Staunend stellt man sich vor, wie die Konzilsbesucher über deren steinernen Bögen Richtung Konstanz strebten. Der Richental-Weg umfasst viele weitere Stationen und ist rund 200 Kilometer lang. Er kann – auch in Teilstrecken – erwandert oder mit dem Velo abgefahren werden, es gibt aber auch eine gute Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel. Eine Karte mit allen sehenswerten Zielen kann bei Thurgau Tourismus angefordert werden. Ein Konzils-Signet mit der Symbolik der Mitra kennzeichnet zudem sämtliche Thurgauer Konzils-Aktivitäten. Thurgau Tourismus vergibt, koordiniert und regelt die Verwendung des Labels für die interessierten Kreise. Die Website konzil-thurgau.ch führt alle im Thurgau geplanten Angebote, Ausstellungen und Veranstaltungen zum Konzilsjubiläum auf. (id)

 

Nun notieren wir uns einen ersten Termin. Am 24. Mai sollen zu Ehren von König Sigismund an einem 300 Meter langen Tisch beim Tägerwiler Zoll möglichst 1000 Gäste von selber mitgebrachten Speisen zehren. Ruedi Wolfender vom Freizeit-Departement der Stadt Kreuzlingen freut sich auf mehr als die bisher 350 Anmeldungen. Gut unterhalten von einem kulturellen Rahmenprogramm bis hin zu mittelalterlichen Gauklern soll vorallem „getafelt und geschwafelt“ werden. 2015 werden dann Seemuseum und Museum Rosenegg „thematische Säulen“ bauen.


Für das Jubiläum plant die Stadt Kreuzlingen noch weitere Projekte: Ein wichtiges Vorhaben ist das nachgebaute Stadttor in Originalgrösse. Es soll ab Herbst beim Hauptzoll Kreuzlingen–Konstanz als Treff- und Ausgangspunkt für diverse Aktivitäten dienen. (id)

 

Einen Tag zuvor, am 23. Mai, wird der erste von vier Bänden der Thurgauer Publikationsreihe „Der Thurgau im späten Mittelalter“ vernissiert worden sein, wie Hansjörg Brem vom Amt für Archäologie sagt. Die Buchhüllen gibt‘s, die Seiten sind aber noch leer... Der Regierungsrat hat für diese Arbeit 500‘000 Franken aus dem Lotteriefonds gesprochen. Geholfen hat auch die Ulrico Hoepli-Stiftung. Matchentscheidend war die Zusicherung des Verlags NZZ libro, die dem ehemaligen Huber-Verleger Hansruedi Frey zu verdanken sei.

Auch hier kommt die Kulinarik voll auf ihre Kosten, denn gemäss Hansjörg Brem hat der Inhalt der Bücher wirklich nur Fleisch am Knochen! Tatsächlich: In einem der ersten Buchkapitel, das uns als Separatum ausgehändigt wurde, geht‘s ans Eingemachte und um ein Rezept für „angelegte Hühner“: „Nimm alte Hühner und pflück sie der Länge nach auseinander und schneid das Fleisch davon, so dass die Knochen zusammenbleiben. Und zerhacke das Fleisch und tu Brot dazu und Speck und Gewürz und lege es wieder an die Knochen und koch das, so hast du angelegte Hühner...“

Buch Konzil

Die Bände zur Geschichte des Thurgaus im späten Mittelalter beleuchten politische und religiöse Entwicklungen sowie die Alltagsgeschichte im Bodenseeraum. Die Autorinnen und Autoren um die Herausgeberin Silvia Volkart stellen im ersten Band die Herrschaftsverhältnisse im Thurgau vor, die Reisebedingungen in jener Zeit, das Leben in der Stadt Konstanz sowie alltägliche Ereignisse am Konzil selbst. Zwei ausführliche Kapitel vertiefen die politischen Folgen sowie den kulturellen Einfluss, den das Konzil auf die Region hatte. Der erste Band befasst sich mit «Rom am Bodensee - Die Zeit des Konstanzer Konzils». (id)

 

Nach dem Fleisch am Knochen braucht der Mensch frische Luft. Die holt er sich am besten im bald fertiggestellten Modell-Patriziergarten beim Schloss auf dem „Narnberg“. Der Konstanzer Bürgermeister habe zur Zeit des Konzils dort eine Weingut mit Lustgarten besessen, erzählt Dominik Gügel vom Napoleonmuseum. Dieser Garten habe der Erbauung und philosophischen Diskussion gedient.

Patriziergarten

Bei Forschungen über die mittelalterliche Geschichte des «Narrenbergs» stiess die Leitung des Napoleonmuseums Thurgau auf den damaligen Garten des traditionsreichen Landsitzes. Als «Patriziergarten» wird er 2014, voraussichtlich bis Ende Mai, neu erbaut. Dabei erhält er den Zuschnitt eines klassischen mittelalterlichen Lustgartens, wie ihn etwa Albertus Magnus beschreibt. Der geplante Garten hat eine Fläche von rund 300 Quadratmetern, seine Wege führen vorbei an Rasenbänken, einem Brunnen und ungezählten Duft- und Nutzpflanzen. (id)

 

Schliesslich wollen wir uns geistig noch etwas anstrengen. Um die Mitra des unglücklichen Papstes Johannes XXIII. brauchen wir uns zwar nicht zu kümmern. Die habe die eigene Webseite und sogar eine Pressestelle, erklärt Gabriele Keck vom Historischen Museum Thurgau und blickt voraus ins nächste Jahr. Dannzumal wird die Mitra zurück in Frauenfeld sein und werden weitere Themen zur Thurgauer Konzil-Chronologie aufbereitet. „Bei uns geht es in erster Linie um Kunst!“

Schloss Frauenfeld

Die neue Sonderausstellung 2015 «Ohne Habsburger! 600 Jahre Thurgau–Schweiz» im Historischen Museum Thurgau führt kunstvoll und multimedial durch die turbulente Zeit des 15. Jahrhunderts: Es ist eine Schlüsselepoche für den Thurgau. 1414 beginnt das europaweit bedeutende Konzil in Konstanz, 1415 verlieren die Habsburger ihre Vorherrschaft im Thurgau und Aargau. 1460 wird der Thurgau von den Eidgenossen erobert, dann wütet der Schwabenkrieg ganz nah. Mit dem Einzug des Landvogts ins Schloss Frauenfeld 1534 wird der Umbruch besiegelt. Zum ersten Mal geht es in einer Ausstellung um Kultur und Geschichte des Thurgaus im 15. Jahrhundert. (id)

 

Man muss sich vor Augen halten: Das Konzil 1414 bis 1418 hatte seine Notwendigkeit in einer für das Volk sehr schweren Zeit. Auf den Strassen trieben Geissler ihr Unwesen, und es wütete die Pest. Auf dem Land gab es Raubzüge und Bauernkriege. „Es herrschte Endzeitstimmung“, sagt Dominik Gügel. Das damalige sakrale Streben nach Einheit und moralischer Aufrüstung der katholischen Kirche als Gegenmittel zur reformatorischen Bewegung sei vor diesem Hintergrund mehr als verständlich. Und für die Standortfrage schickte Johannes von Konstanz aus Exploratoren ins Thurgauer Land.

Ulrich Richental

Das Gebiet des heutigen Thurgaus war während dieses religiösen Grossereignisses Durchgangs- und Gastland für Tausende von Teilnehmern. Erst nachdem klar war, dass das südliche Umland der Stadt über genügend Kapazität an Verpflegung und Unterkünften verfügte, fiel die Entscheidung für Konstanz. Der Konzilschronist Ulrich Richental berichtet: «Papst Johannes XXIII. schickte zwei Männer nach Konstanz, die in Erfahrung bringen sollten, wie dies Land sei, ob man Herberge haben könne und ob auf eine Meile weit Städte und Dörfer lägen, die die Fremden beherbergen könnten. Daher befahl mir, Ulrich Richental, der Rat zu Konstanz, mit ihnen auf die Dörfer zu reiten, die an der Thur liegen. Das tat ich und ritt mit ihnen zwei Tage lang in den Thurgau.» (id)

 

Heute verantworten das Konzil-Programm unter anderen die Thurgauer Kulturamtchefin Martha Monstein als Präsidentin des Steuerungkomitees sowie Rolf Müller, Chef von Thurgau Tourismus. Martha Monstein erinnerte an der Pressekonferenz an den Regierungsauftrag und Rolf Müller an den wertschöpferischen Charakter des grossen Projekts. „Denn Historie und Tourismus passen nicht per se zueinander.“ Hier passt es, und dass das Zusammenspiel der Angebote für Körper und Geist auch die Seele erfreuen möge, hoffen wir im übrigen auch für das Programm in der Nachbarstadt.

 

www.thurgau-tourismus.ch

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