von Brigitta Hochuli, 11.07.2016
Empathisch, visionär, solid
Die Kulturstiftung des Kantons Thurgau feiert ihr 25-Jahr-Jubiliäum und zieht eine äusserst positive Bilanz. Hermann Bürgi war als Regierungsrat an der Gründung mitbeteiligt und spricht von einem Markstein.
Brigitta Hochuli
Claudia Rüegg, die heutige Stiftungsratspräsidentin, hätte das Jubiläumsjahr beinahe vergessen, gestand sie an einer Pressekonferenz in Frauenfeld. Aber dann vertiefte sie sich in den Stiftungszweck von 1991 und war erstaunt über die Ausgangslage, die auch heute noch gut funktioniere (siehe angehängte Datei). Drei Ziele nannte sie:
- fördern und unterstützen
- Leistung sichtbar machen
- Kulturszene und Bevölkerung vernetzen
Um die Ziele zu erreichen, brauche es:
- Zugänglichkeit (im Stiftungsbüro an der Lindenstrasse 12 in Frauenfeld bestens gegeben)
- transparent sein (mit jährlichen Jahresberichten)
- Unterstützung mit Werk- und Projektbeiträgen sowei Eigeninitiativen
Claudia Rüegg
Im Zentrum der Förderung durch die Kulturstiftung stünden, so Claudia Rüegg, zeitgenössische Formen und Inhalte. „Das sei der interessante Teil der Arbeit, manchmal auch der schwierige.“ Schwierig sei es immer dann, wenn man mit der Ablehnung eines Gesuchs jemanden enttäuschen müsse, räumte die Präsidentin ein.
Kind von CH 91
Hermann Bürgi, alt Regierungsrat und alt Ständerat, war aktiv an der Gründung der Stiftung beteiligt. Sie sei ein Kind von CH 91, 700 Jahre Schweizerische Eidgenossenschaft. Zur Vorbereitung der Feiern wurde 1989 ein Ressort Kultur gegründet, dessen Mitglieder befanden, es brauche eine neue Struktur für die Kulturförderung. Budgetiert seien 300‘000 Franken für zwei Jahre gewesen, aber bereits am 24. September 1991 sei die Stiftung dann unbefristet per 1. Januar 1992 definitiv gegründet worden. Heute - 2010 bis 2016 - erhält die Stiftung jährlich 1,1 Millionen Franken aus dem Lotteriefonds des Kantons Thurgau.
„Mit der Gründung der Kulturstiftung hat der Kanton Thurgau im Zusammenhang mit der Förderung des zeitgenössischen Kulturschaffens einen Markstein gesetzt“, sagte Hermann Bürgi an der Pressekonferenz. Vergleichbar mit der Pro Helvetia habe der Thurgau als erster Kanton eine Institution geschaffen, die für die Förderung von Projekten der Gegenwartskultur frei von direkter Einbindung in staatliche Instanzen oder Strukturen Entscheide fällen könne. „Die Erfahrung zeigt, dass im Bereich des ezitgenössischen Kulturschaffens eine direkte, unmittelbare politische Enflussnahme nicht zielführend ist.“
Während zur Gründungsezeit wegen der Fichenaffäre national zum Kulturboykott aufgerufen worden sei, habe man im Thurgau bahnbrechend die Zukunft gestaltet. Wir müssten unser Licht also nicht unter den Scheffel stellen. „Wenn es die Kulturstiftung nicht gäbe, müsste man sie erfinden.“
„Ein Juwel“
Stellvertretend für verschiedene Sparten schilderten Schriftstellerin Elisabeth Binder, Kurator und Künstler Richard Tisserand und Theaterleiter Philippe Wacker ihre positiven Erfahrungen mit der Kulturstiftung.
Elisabeth Binder, Philippe Wacker, Richard Tisserand
✗ Binders Buch „Ein kleiner und kleiner werdender Reiter“ (2015) hätte wohl ohne die aktive Hilfe der Stiftung keinen Verlag gefunden. Für die Autorin war neben den Finanzen die Empathie wichtig, die ihr widerfuhr. Die Kulturstiftung sei „ein schönes Beispiel für Förderung, die ein Projekt weiterträgt und diskret im HIntergrund für den Kulturschaffenden da ist.“
✗ Richard Tisserand, der heute den Kunstraum Kreuzlingen mit seinem Tiefparterre betreibt, lebte zur Zeit der Stiftungsgründung in Frankreich. Rasch sei ihm klar geworden, wie visionär der Zweck der reinen Projektförderung mit sofortiger Bezahlung sei. Ausserdem sei die Stiftung solid, weil im Stiftungsrat auch Politiker vertreten seien. Die Zusammensetzung garantiere Qualität. „Man kann nur gratulieren!“
✗ Philippe Wacker vom Phönix Theater Steckborn dankte der Stiftung aus der Sicht des Veranstalters. Die Unterstützung der Reihe tanz:now sei genial. „Wo sonst erhält man neben Geld so viel Fachwissen?“ Durch die Hilfe von Caroline Minjolle vom Stiftungsbüro habe man heute eine internationale Ausstrahlung und nicht nur Clowns auf der Bühne. Was ihn besonders freut: Junge Künstler, einmal unterstützt, kämen wieder zurück in den Thurgau. „Die Kulturstiftung ist ein Juwel, und ich freue mich irrsinnig, dass es sie gibt“, sagte Wacker.
Werkschau und Stipendium
Gioia Dal Molin, die neue Beauftragte der Kulturstiftung, berichtete von zwei stiftungseigenen Projekten. Vom 19. November bis 11. Dezember findet die Werkschau Thurgau 2016 statt. Die Homepage ist parat und wird bis zum Herbst die Porträts und künstlerischen Positionen der einzelnen Künstler zeigen und erläutern. Bei der Werkschau gehe es um Begleitung und Sichtbarkeit. „Im besten Fall ergeben sich nachhaltige Eindrücke oder eine kritische Debatte.“
Gioa Dal Molin
Neu bietet die Kulturstiftung ab 2017 ein Atelierstipendium für sechs Monate (Februar bis August) in Belgrad an. Viele Künstler hätten das Bedürfnis, wegzugehen. Dem wolle man Rechnung tragen, habe aber bewusst die Peripherie von Europa gewählt. Bewerbungen können bis zum 18. September 2016 eingereicht werden. (Details im Anhang und hier)
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P.S.: Zur Interpellation „Kulturstiftung des Kantons Thurgau: ein Selbstbedienungsladen?“ wollte Stiftungsratspräsidentin Claudia Rüegg an der Pressekonferenz nichts sagen. Eine Antwort der Regierung erwarte man im Herbst. Bis dahin gebe es keine Kommentare.
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