von Brigitta Hochuli, 05.06.2016
Kredit abgelehnt - verpasste Chance
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Der Kredit für die Planung der Expo27 in der Ostschweiz ist im Thurgau mit 46,6 Prozent zu 53,4 Prozent abgelehnt worden. Der Thurgauer Kulturkommissionspräsident Hansjörg Höhener und Kaspar Surber von SAITEN bedauern das. - Zwei Kommentare aus kultureller Sicht.
Brigitta Hochuli
Hansjörg Höhener, Präsident der beratenden regierungsrätlichen Kulturkommission des Kantons Thurgau, hatte im Vorfeld der Abstimmung den Expo27-Kredit in der Höhe von 3 Millionen Franken in einer offiziellen Stellungnahme befürwortet.
Neue Möglicheiten für Kulturschaffende
Für das kulturelle Leben in der Ostschweiz könne die Expo vielfältige Impulse geben, meinte Höhener. Diese könnten den Kulturschaffenden neue Möglichkeiten eröffnen und den kulturellen Institutionen Ansporn sein, bei der Vermittlung alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen und sie als ständiges und aktives Publikum zu gewinnen.
Erstaunt und enttäuscht
Nach der Ablehnung mit 46,6 Prozent Ja-Stimmen zu 53,4 Prozent Nein-Stimmen zeigt sich Höhener erstaunt und enttäuscht. „Eine verpasste Chance“, sagt er gegenüber thurgaukultur.ch und stellt fest, dass sich von Seiten der Kulturschaffenden im Thurgau niemand im Abstimmungskampf engagiert habe. Jeder koche halt sein eigenes Süppli; da sei der Sport wesentlich besser aufgestellt. Weitere Gründe für die Ablehnung seien spontan schwierig zu nennen. Aber sicher sei bei den Leuten das Geld ein Punkt. Das Resultat aber müsse man akzeptieren.
Keine Ostschweizer Expo 2027
2027 wird es in der Ostschweiz keine Expo geben. Die Thurgauer Stimmberechtigten haben das Kreditbegehren von drei Millionen Franken als Anteil des Kantons Thurgau für die nächste Phase (2016–2019) des Projekts «Expo2027 Bodensee-Ostschweiz» mit 30 812 Ja (46,6 %) zu 35 357 Nein (53,4 %) abgelehnt. Die Stimmbeteiligung betrug 41,1 %. (Staatskanzlei des Kantons Thurgau)
Kommentar von Kaspar Surber, Magazin SAITEN
2027 kommt bestimmt
Die Kantone St.Gallen und Thurgau lehnen einen Expo-Planungskredit ab. Fehlende Leidenschaft und Selbstzufriedenheit haben zum Resultat geführt. Was von der Expo-Idee trotzdem für die Zukunft bleibt.
Dass die Kantone St.Gallen und den Thurgau den Expo-Planungskredit ablehnen, ist keine Überraschung. Das könnte das Resultat bloss sein, wenn man es hätte voraussagen können, und es nun nicht eingetroffen wäre. Doch das war bei dieser Abstimmung nicht möglich. Abgesehen von wenigen Leserbriefen und mässig besuchten Podien gab es keine richtige Debatte. Die Idee einer Expo lockte offensichtlich niemanden hinter dem Ofen hervor, nicht einmal in der sonst fortschrittlichen Stadt St.Gallen, die auch knapp Nein sagt. Das ist denn wohl auch der Grund für die Ablehnung: Die fehlende Leidenschaft.
Den Befürwortern gelang es nicht, prominente PolitikerInnen für eine Expo zu mobilisieren, bereits jetzt eine Frau oder einen Herr Expo für das Projekt zu präsentieren. Auch die Anschlüsse in die Kulturszene, die am ehesten die Leidenschaft, die Sprache, die Bilder dafür hätte entwickeln können, fehlten. Das liegt auch an den Kulturschaffenden selbst. Sie merkten erst spät, was für eine Chance die Expo bieten könnte. Das ist denn auch die Folge dieses Nein: Eine verpasste Möglichkeit.
Die St.Galler und Thurgauer Stimmberechtigten sehen offenbar keinen Bedarf, die eigene Identität in einer Landesausstellung auf den Prüfstand zu stellen. Das von den Gegnerinnen und Gegnern vorgebrachte Argument, eine Expo brauche es in globalisierten Zeiten nicht mehr, mag ein Argument gewesen sein. Weit wichtiger waren in der sparsamen Ostschweiz wohl die zu erwartenden Kosten, auch wenn sich die Investitionen in Zukunft mehrfach ausgezahlt hätten. Darin liegt denn auch das tieferliegende Problem des Neins: Die Selbsteinschätzung.
Mit dem Nein gibt sich eine Mehrheit der Stimmbevölkerung, wie das der St.Galler Kantonsrat Session für Session vorexerziert, mit der Situation der Ostschweiz zufrieden. Auch wenn der Landesteil zunehmend abgehängt wird. Wohin sich die Ostschweiz politisch, wirtschaftlich, kulturell entwickeln soll, im Verhältnis zur Schweiz wie im Dreiländereck am Bodensee, wird viel zu selten diskutiert. Man ist offenbar, und das ist niederschmetternd, nicht einmal bereit, die Zukunft mit einem bescheidenen Planungskredit für die Expo auszuloten.
Einmal mehr zeigt sich: Der Ostschweizer, die Ostschweizerin weiss schon im vornherein, dass etwas im nachhinein nicht funktioniert haben wird. Wer je an einem kulturellen Projekt beteiligt war, kennt diese destruktive Skepsis zur Genüge. Wenigstens das Jammern, dass man ständig von der Restschweiz übergangen wird, entbehrt künftig der Grundlage. Es gelingt offenbar nicht einmal, ein Projekt zu formulieren, das vom Bund allenfalls finanziell unterstützt werden könnte.
Die Idee einer Expo ist weg, doch das Jahr 2027 kommt bestimmt. All jene, die an einer Diskussion über die Zukunft der Ostschweiz interessiert sind, könnten sich das Jahr 2027 dennoch zum Horizont nehmen. Welche konkreten Projekte, gerade in der Kultur, aber auch in der Bildung und in der Wirtschaft, könnten bis dann realisiert werden? Wenn es schon keine offizielle Expo gibt, dann hoffentlich eine inoffizielle.
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