Kulturasylanten mit Blockflöten im Blätterwald

Lösungen fürs Ladensterben in Kreuzlingen, Blockflöten-Traumata und Kulturasylanten aus dem grossen Kanton: Am Samstag Abend eröffneten die Thurgauer Kabarettisten KellerSchuran, Jan Rutishauser und Thomas Götz das Festival Kabarett in Kreuzlingen (KiK). In der bunten Mischung aus Politsatire, dem einen oder anderen Flachwitz und vielen verschiedenen Charakteren sticht der Newcomer in der Runde am meisten hervor.
Den Anfang des Abends machen die beiden Theaterschaffenden Markus Keller und Uwe Schuran. Ende Februar beendeten sie die 6. Staffel ihrer Frauenfelder Late-Night-Show KellerSchuran. Die Show am KiK war die (vorerst) letzte Aufführung – Zukunftspläne bestehen bisher noch keine. Und sie war die erste KellerSchuran-Aufführung in einem etwas grösseren Rahmen. Und der passt gut.
Bummeln im Blätterwald
Die Show von KellerSchuran ist grundsätzlich vergleichbar mit Giaccobo/Müller. Nur werden hier Regierungsrats-, statt Bundespräsidenten gefoppt – auch wenn diese selbst im Publikum sitzen. Das Programm stammt aus der Gerüchteküche der Kleinstadt-Stammbeizen: Die beiden durchforsten den lokalen Blätterwald mit einer Detailverliebtheit, wie man sie ansonsten nur von Wutbürgern und Rechtschreibnazis kennt. Und ist die Geschichte an sich noch nicht absurd genug (so wie Ueli Fischs Maskottchen, welches wie wandernde Gartenzwerge durch die Fasnacht reist), wird sie schlicht auf den Kopf gestellt.
Uwe Schuran (links) und Markus Keller ackern sich mit viel Spontanität durch Geschichten aus der Gegend.
Das heisst die Themen sind: Das «Parkhaus Seestrasse», das Durchgangsheim (Integrationsvorschlag: «Dene mues mer eifach mal zeige, wo de Bartli de Most holt»), oder die «unheimlich spannenden» Regierungsratswahlen. Und auch für das Kreuzlinger Ladensterben kennen KellerSchuran eine Lösung: Mehr Glühweinstände – natürlich nach Vorbild des Frauenfelder Glühweinkönigs Hanspeter Meier. «Die Leute kaufen dann nicht unbedingt mehr, aber sie saufen mehr», sagt Schuran. «Und das hilft doch auch schon etwas.»
Von Blockflöten und rollenden Büschen
Als zweites übernimmt der Jungspund in der Runde: Der 28-jährige Jan Rutishauser aus Güttingen gilt mit nur dreieinhalb Jahren Kabaretterfahrung als Shooting-Star der Szene. Und das zurecht: Der studierte Pantomime und untermalt seine Show mit einer ausladend-fesselnden Gestik. Und während er Geschichten seines unsicheren Teenager-Ichs erzählt, wirkt er so unverschämt selbstbewusst, wie man es üblicherweise erst bei erfahreneren Kabarettisten sieht.
Ausdrucksstark: Jan Rutishauser ist schnell, sprachgewaltig und ausdrucksstark.
Nach dem KellerSchuran den lokalen Politikern auf den Füssen herumgetreten sind, stellt sich Rutishauser bevorzugt selbst ein Bein. Er zitiert den amerikanischen Comedy-Autoren John Vorhaus: «Komik ist Wahrheit und Schmerz» – und bricht sein Programm damit treffend auf einen Satz herunter. Er schildert seine grosse Jugendliebe im Stil eines Wild-West-Films: Da gibt es die Angebetete, den Helden, den Bösewichten… und dann gibt es eben noch Rutishauser: ein ausgetrockneter Busch, der im Hintergrund vorbeirollt.
Die «Rudolf-Steiner-Schule unter den Instrumenten»
Überhaupt sei seine Jugend nicht wirklich von Glück geprägt gewesen: Seine Eltern zwangen ihn zum Blockflötenunterricht. Und so wurde er ein Blockflötenkind: Ein «Verdingbube der musikalischen Früherziehung», der die «Rudolf-Steiner-Schule unter den Musikinstrumenten» spielt und in der ersten Unterrichtsstunde seinen Namen blasen musste.
Immerhin: Rutishauser hat mittlerweile etwas aus sich gemacht und war 2013 und 2014 Teil des «Who is who» der Thurgauer Zeitung. Als er seiner Freundin erzählte, er gehöre zu den 100 wichtigsten Thurgauern, meinte die nur: «Haben sie ansonsten niemanden gefunden?» Solch Understatement ist eben charmant – gerade wenn es so schmunzelnd präsentiert wird, wie von Rutishauser.
Viele Gesichter, viele Facetten
Zu guter Letzt übernimmt der renommierte Weinfelder Kabarettist Thomas Götz die Bühne. Nach dem hohen Tempo von Rutishauser wird's bei Götz wieder leicht gemütlicher und vor allem auch politischer. Den Anfang macht eine seiner Charakteren: Sabine Schnyder, eine tratschfreudige SP-lerin aus Herdern, die sich darüber nervt, dass sie Konstanz seit dem Frankenschock auch mit Aargauern teilen muss. Und die eine oder andere Lebensweisheit auf Lager hat: «Als Frau muss man nicht den richtigen Mann heiraten», sagt sie. «Man muss sich nur vom richtigen scheiden lassen.»
Thomas Götz als SP-Frau Sabine Schnyder aus Herdern.
Götz hat – so wie alle Auftretenden diesen Abend – ebenfalls im Theater begonnen. Während Rutishauser durch die Gestik glänzt, überzeugt Götz durch ausgeprägte und gut gespielte Figuren, die (trotz starker Pointiertheit) über die üblichen Klischées hinausreichen. Dank diesen ist das Programm von Götz an diesem Abend das facettenreichste.
Der Einmarsch der Kulturasylanten
Sein parteiloser Kantonsrat Arnold Schnyder («das kleiner Übel für Bern») plaudert zwar, wie man es sich von Politikern gewohnt ist, ist aber um einiges individueller als der durchschnittliche Volksvertreter. Für diese hat Götz an diesem Abend wenig gute Wörter übrig und erzählt wie Doris Leuthard, die «Trudi Gerster der Energiewende», sich Solaranlagen auf die Nordseite ihres Hauses baut. Schliesslich brauche sie auch kaltes Wasser.
Der parteilose Kantonsrat Arnold Schnyder: «Nach der Krise der SVP flüchteten die einten in die BDP. Die anderen in den Alkohol.»
Zwischendurch steht Götz auch zivil auf der Bühne. Dann ist er am frechsten und fragt sich, wieso kaum jemand (ausser der Journalisten-Legende Niklaus Meienberg) darüber nachdenkt, welche abwegigen Neigungen der Alp-Öhi denn so gegenüber dem Heidi hat. Und am Beispiel von Schuran fragt er sich, wie man mit den Kulturasylanten umgehen soll, die reihenweise in Booten über den Bodensee rudern. Die Lösung: Mit dem unerschöpflichen Lotteriefond soll der Thurgau präventiv das Theater Konstanz unterstützen, damit die Deutschen nicht im Phönix Theater einmarschieren.
Repräsentativer Eröffnungsabend
Als Eröffnung des KiK passt der Thurgauer Abend mit der grossen Vielfalt gut: Von KellerSchurans stark improvisierter Lokalshow über Rutishausers charmante Geschichten zu Götz' Charakteren demonstriert der Abend, was es am KiK zu sehen gibt. Am meisten überzeugt hat dabei aber der Newcomer: Rutishausers Programm ist frisch, hat mit seiner Jugendliebe einen roten Faden, und fesselt dank beeindruckender Ausdrucksstärke.
Der Schlagersänger Roy Schwarz (Thomas Götz) bittet singend um Asyl in der Schweiz.
Die Organisatoren des KiK wollten den Thurgauer Abend bereits früher realisieren – auch um die lokale Szene den vielen Gästen aus dem grossen Kanton vorstellen zu können. Aber, so wie es Götz festgestellt hat: Selbst der Thurgauer Abend kommt nicht ohne Deutsche aus. Vielleicht braucht es also doch den einen oder anderen Kulturasylanten im Kanton.
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Weiter geht's...
... Thomas Götz startet diesen Donnerstag, 18.2.2016 mit seiner aktuellen Ausgabe von Ergötzliches im Theaterhaus Thurgau, Weinfelden. Mehr dazu in unserer AGENDA.
... Jan Rutishauers nächste Termine.
... mehr zum KIK-Festival gibt es in unserem MAGAZIN nachzulesen:
"Kabarett ist wie Slalomfahren", Interview vom 12. Februar 2016
"Professinonell schräg", Artikel 20. Januar 2016
weitere Infos und Termine zum Festival:
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