von Hans Gysi, 02.10.2015
herbstmilch 2
man stellt sich etwas widerwillig auf den herbst ein, holt den pullover hervor, entdeckt den lichtzauber, die kühlen winde, das spektakel in den bäumen und sieht mit etwas wehmut den abflug der vögel
verschmissene aufgelöste gesichter
segeln durch den nebel und rötliche
gepunktete früchte fallen
die kathedralen haben wieder offen
in ein segment kobaltblau gerückt
die lichtschnitte durch ihre orangenen
rostbraunen blätter sind
gesplittete flächen siehe braques
wer baute sie und die stare
vergnügt ihr zwitschern
wir füttern sie auf für
den weg durch die lüfte
sehnen uns mitzufliegen
tische werden gerückt für
wintergedanken schwerer ist es
zurückzubleiben ecken werden mit
brennholz gefüllt und seltsam diesiges
licht dringt ein oder prismatisch
scharfgestellte farbgeometer
locken nach draussen
was verbirgt sich hinter
diesem helldunkeln blinken
verkrümmte träume eingedickter
sirup vom apfelmost und eigen
tümliches hoffen dabei
zu sein sie ziehen nach süden
während andere züge nicht wissen
wie ziehen sie knien vor den knüppeln
der grenzer überwinden mit mühe den
stacheldraht schlüpfen durch zäune
wollen nach norden
den winter im nacken
Hans Gysi (62) hat in Zürich eine Lehrer- und eine Schauspielausbildung gemacht. Als freischaffender Regisseur von Frühlingserwachen bis zur Kleinbürgerhochzeit inszeniert & als Schauspieler und Autor gearbeitet. Teilpensum in Berufsschule. Verschiedene Preise und Unterstützungen. Lebt über 25 Jahre im Thurgau. Unterhält das theaterbureau gysi. Veröffentlichungen „pocket songs“ und „generalprobe“ im Verlag edition 8.
***
Bisher erschienen:
Wähle Liste 24 - thurgaukultur.ch vom 16.9.2015
grüüün - thurgaukultur.ch vom 02.09.2015
reisen - thurgaukultur.ch vom 19.08.2015
wer weiss, wo der autor war? - thurgaukultur.ch vom 04.08.2015
***
Lyrik für den Alltag - thurgaukultur.ch vom 13.05.2015
Ähnliche Beiträge
Späte Erweckung
Freitag starten die 15. Frauenfelder Lyriktage. Das lässt unseren Kolumnisten Michael Lünstroth an seine ersten Berührungen mit Gedichten denken. Sie waren, nun ja, nicht ganz einfach. mehr
Unterm Sternenhimmel
Museums- und Muttertag in einem sind wahrlich geeignet, aus dem Thurgauer Angebot etwas Besonderes zu wählen. Omama, Tochter und Enkelin haben sich in Kreuzlingen unter die Sterne begeben. mehr
„Kinderunterhaltitis“
Omama war mit den Enkeln im Theater und in einer Bilbliothek. Vor dem Theater warb eine Versicherung mit „einer Krankheit, die auch wir haben“; in der Bibliothek spürte die Grossmutter den Rücken. mehr