18.05.2015
So könnt's gewesen sein
Mittelterliche Zeugnisse über Kreuzlingen sind rar. Doch eine neue Ausstellung im Museum Rosenegg nähert sich dem einst ländlichen Leben vor den Toren von Konstanz an. Und handfestes Handwerk gabs zum internationalen Museumstag am 17. Mai 2015 auch zu sehen.
Manuela Ziegler
Wie gestaltet man eine Ausstellung über das ländliche Leben zu Zeiten des Konstanzer Konzils, wenn es keine konkreten Zeugnisse gibt? Dieser schwierigen Frage musste sich die Museumsleiterin des Rosenegg Heidi Hofstetter stellen. Im Rahmen der kantonalen Jubiläumsaktivitäten zum Konstanzer Konzil sollte die Versorgerrolle des thurgauischen Umlands in den neu renovierten Räumlichkeiten des Hauses beleuchtet werden..
Multimediale Präsentationsformen
Für die Ausstellung wurde auf Exponate, Bilddarstellungen und historische Texte im erweiterten Bodenseeraum zurückgegriffen. 15 Monate Arbeitszeit stecken drin. Im April wurde die Schau „Ländliches Leben im späten Mittelalter“ eröffnet. Gleich zu Beginn gerät der Besucher mitten hinein in die Szenerie von Bischofszell um 1500. Die Fotografie zeigt einen bestickten Wandteppich, das kostbare Original hängt im Historischen Museum Basel. Es besticht durch seine für die Zeit ausserordentliche Realitätsnähe: Bauern bei der Feldarbeit, Söldner auf dem Weg, eine Frau mit der Sense, im Hintergrund die Stadt. Alltagsszenen.
Dem gegenüber geben vier Textbanner Aufschluss über die historischen Hintergründe. So gab es damals keine Landesgrenze und die Besitztümer des Konstanzer Bischofs, die Bischofshöri, reichte ein gutes Stück in den Thurgau hinein. Prägend im Alltag waren Glaubensvorstellungen und der Jahreslauf. Auf dem iPad im nächsten Raum kann sich der Besucher historische Darstellungen bäuerlichen Lebens ansehen. Wegen der spätbarocken Wandmalerei verzichtete man hier bewusst auf zusätzliche Exponate, so Hofstetter.
Eine Besucherin sieht sich historische Darstellungen bäuerlichen Lebens auf dem iPad an. (Bilder: Manuela Ziegler).
Handwerker auch live erlebt
Die beiden folgenden Räume zeigen detailliert die vielen Facetten des bäuerlichen Alltags und Handwerks. Zeugnisse liefern u.a. die Monatsblätter des Dichters Heinrich von Laufenberg aus Freiburg im Breisgau. Er gab Hinweise zur Feldarbeit wie auch Gesundheitstipps. Reprints wurden in Form von Stelen entlang der Wände angeordnet. In Glasvitrinen mittig ausgestellt, hölzerne Daubenbecher, u.a. Leihgaben vom Archäologischen Landesmuseums Konstanz. Sie verraten einiges über früheres Essgeschirr, aber auch über die hölzerne Handwerkskunst. Auch Schmiedearbeiten sind zu sehen; Zangen, Heugabeln, Nägel aus der Region.
Über den hohen Stellenwert des Berufs, erzählt der angereiste Schmied Marek Krähenbühl unten im Hof. „Der Schmied war der Dorfkönig, der Streit schlichtete, wenn Kirche und Staat ausfielen.“ Mit riesigem Blasebalg und glimmender Kohle demonstriert er anlässlich des 38. Internationalen Museumstages sein Handwerk. „Wenn einer richtig gut war, kam er früher auf 100 Nägel in der Stunde, ohne Pause.“ Er selbst schaffe es auf 20 bis 30.
Ausgehöhlte Lärchenstämme dienten als Wasserleitungsrohre.
Superlative auch bei den mittelalterlichen Teuchelbohrern, die bis zu sechs Meter lange Lärchenstämme aushöhlten, als Wasserleitungsrohre. Ein Leitungsnetz transportierte einst das kühle Nass von Kurzrickenbach bis zu Konstanzer Brunnen. Zum Drehen des Bohrers allerdings brauchte es die Kraft von zwei Männern.
Attraktivität gestiegen
Solch anschauliches Handwerk zog zahlreiche Besucher an. Knapp 200 Gäste zählte man bei Schliessung, die Museumsleiterin ist sehr zufrieden. Die Sonderaktionen sowie die die insgesamt gut besuchte Ausstellung zum 90. Geburtstag von Anton Bernhardsgrütter seien gute Zugpferde gewesen. Ausserdem öffnete das Haus als einziges in Kreuzlingen am Internationalen Museumstag seine Pforten. Einen weiteren Magnet bildet sicher die neue Ausstellung. Sie macht das einst ländliche Leben im thurgauischen Umland nachvollziehbarer.
Dank multimedialer Präsentationsformen wie Hörtexte und Videofilmen kann Vergangenheit „lebendig“ werden. Gut täte sicher auch eine Art schriftliches Handout – mit Bezügen zum Konstanzer Konzil. Es soll folgen. Noch sind die Arbeiten in den Räumlichkeiten nicht abgeschlossen. Kloster- und Siedlungsgeschichte der Stadt gehören zusammen, was noch weiterer Erarbeitung bedürfe, meint Hofstetter.
Museum Rosenegg: Wieder ein Stück modernisiert
Die dreiteilige Anlage des Museums Rosenegg erbaut zwischen dem 17. Und 18. Jahrhundert beherbergt verschiedene Dauerausstellungen zur Stadt Kreuzlingen und Region. Früher Privatbau, war es bis 1995 Schule. Inzwischen ging es in eine Stiftung über. Seit 2006 werden die historischen Räume und Sammlungen schrittweise modernisiert.
Jüngst renovierte man im ältesten Gebäudetrakt, dem Altbau aus dem 17. Jahrhundert 7 Räume. Einst war dort das Heimatmuseum untergebracht. Die barocken bis klassizistischen Räumlichkeiten bestechen vor allem durch ihre historischen Türen, Wandmalereien und Deckenstuckarbeiten. Zu sehen sind nun die Ausstellung „Ländliches Leben im späten Mittelalter“ bis voraussichtlich 2017, Kloster- und Siedlungsgeschichte der Stadt Kreuzlingen, eine Porträtsammlung namhafter Kreuzlinger Bürger, sowie eine Historische Küche.
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In Kreuzlingen durchs Mittelalter - thurgaukultur.ch vom 14.04.2015
Konzilfeier: Das zweite Jahr - thurgaukultur.ch vom 24.03.2015
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