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von , 01.03.2015

Mit Sang und Klang

Mit Sang und Klang
Methode zur Seelenläuterung: Die Peter-Sloterdijk-Entspannungstasche. | © David Nägeli

In einem vollen Theater an der Grenze bot Erwin Grosche am Samstagabend eine gelungene Show: Ohne politischen, philosophischen oder hohen Anspruch - dafür mit vielerlei musikalischem Spielzeug.

David Nägeli

"Der erste Eindruck ist das Wichtigste", predigt Erwin Grosche zu Beginn seines Programmes. "Wenn der stimmt, kann man auch gleich heiraten." Der Kleinkünstler gab sich deshalb alle Mühe, am Kabarett in Kreuzlingen (KIK-Festival) einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen und liess - ganz Mann von Welt - eleganterweise den dritten Jacket-Knopf offen.

Grosches Solo-Programm "Der Abstandhalter – Annäherung an Menschen, Tiere und Dinge" ist durchwegs unaufgeregt: Er führt das Publikum in langsamem Tempo Schritt um Schritt von Alltagssituationen aus seiner Heimatstadt Paderborn hinein in Skurrilitäten. Zum Beispiel zum Aufgeben der eigenen Todesanzeige, nur so aus Spass. Oder zu Grosches Alters-Test: Regelmässig hört er den (eher uncoolen) Radiosender WDR4 - wenn der ihm noch nicht gefällt, kann er noch nicht so alt sein.

Ausgehend von Alltagssituationen hinein in die Skurrilitäten: Erwin Grosche in Kreuzlingen. (Bilder: David Nägeli)

Gesichtstraining nach Sloterdijk

Auf den Plakaten des KIK wurde Grosches Programm als philosophisches Kabarett beworben. Doch - genau so wie die Politik - blieb die Philosophie bei Grosche beinahe ausschliesslich aussen vor. Nur beim Highlight des Programmes gab es eine kleine Philosophie-Stunde.

Grosche hat nämlich eine kleine, aber feine Methode zur Läuterung der Seele entwickelt: Die Peter-Sloterdijk-Entspannungstasche. Diese funktioniert so: Man nehme einen Stoffbeutel, packe nacheinander die Hauptwerke von Sloterdijk und C.G. Jung hinein und hängt sie sich um die Stirn. Mit gekonntem Spiel der Gesichtsmuskulatur (Grosche ist darin ein Meister!) manövriert man die Träger der Tasche danach über das ganze Gesicht, so dass sie nacheinander Ohren, Augen, Mund und Hals bedecken.

KIK-Festival 2015: So geht es weiter

Rolf Miller, 5.3.; Oropax, 6.3.; Alfred Dorfer, 10.3. (ausverkauft); Urban Priol, 12.3.; Günter Gründwald, 14.3.; Christine Prayon, 20.3.

Für die Veranstaltungen des KIK 2015 sind Tickets im Vorverkauf erhältlich: Bei Starticket (print@home, Vorverkaufsstellen) und in der Geschäftsstelle von Kreuzlingen Tourismus an der Hauptstrasse 39, 071 672 38 40. (rom)

 

Man durchläuft also die Stufen "Nicht hören", "Nicht sehen", "Nicht sprechen" und zu guter Letzt - wenn einem die Tasche den Hals würgt - "Sich für das Leben entscheiden". Eine gute Übung, die neben der Gesichtsmuskulatur auch den Lebensgeist trainieren soll.

Mit Daumenklavier und Abflussrohr

Weitere Highlights der Show bot Grosches mit seiner Sammlung an Songs. Der Kleinkünstler schleppt zu seinen Auftritten diverse Instrumente mit: Ein Mini-Piano, mehrere Ziehharmonikas, ein Daumenklavier, eine Mundharmonika mit eingebauten Becken und ein Abflussrohr mit daran befestigten Metallstangen, welche er mit einem Geigenbogen bespielt.

Dazu singt und erzählt Grosche gekonnt Geschichten vom Ausrutschen im Bad, von Allwetterzoos oder Stinkkäse. Seine Mimik und der starke Ausdruck in der Stimme sorgen dafür, dass die Absurditäten aus Grosches Welt für einen kurzen Moment zu witziger Wahrheit werden können.

Grosche bot auch musikalisch gekonnt Geschichten vom Ausrutschen im Bad, von Allwetterzoos oder Stinkkäse.


Stilistisch ähnelt der Humor von Grosche demjenigen von Joachim Rittmeyer, der ebenfalls am KIK-Festival zu Gast war (hier Kritik lesen). Nach Rolf Millers Empfehlung (hier lesen) bleibt der Nachgeschmack aber ein klein wenig fahl: Trotz der breitgefächerten musikalischen Untermalung war Grosches Programm nicht ganz so vielfältig, wie man es hätte hoffen können. Die Skurrilität als beinahe einziges humoristisches Stilmittel und die Abwesenheit von Politik, Philosophie, Zynismus (trotz Sloterdijk in der Tasche) oder weiteren Ernsthaftigkeiten bieten Raum für weiteren Witz.

Dennoch ist Grosches aktuelles Programm durchaus sehenswert - schon alleine auf Grund seiner äusserst kunstvollen Verwendung der Gesichtsmuskulatur.


***

Bisher erschienene Kritiken und Beiträge zum KIK 2015:

Joachim Rittmeyer - thurgaukultur.ch vom 8.02.2015
Christoph Sieber - thurgaukultur.ch vom 7.02.2015
Jochen Malmsheimer - thurgaukultur.ch vom 6.02.2015
Interview mit Rolf Miller - thurgaukultur.ch vom 15.01.2015
Vorschau mit Micky Altdorf - thurgaukultur.ch vom 29.11.2014

kik-kreuzlingen.ch

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