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von Inka Grabowsky, 17.01.2014

Es ging nicht ohne den Thurgau

Es ging nicht ohne den Thurgau
Ansgar Frenken mit einer Abbildung aus der Konzil-Chronik. | © Inka Grabowsky

Die Fachtagung des Historischen Museums Thurgau zum südlichen Bodenseeraum zur Zeit des Konstanzer Konzils stärkt das Selbstbewusstsein der Thurgauer.

Inka Grabowsky

„Der Thurgau wurde von den meisten Teilnehmern des Konzils wahrscheinlich nur als Transitland wahrgenommen“, sagt der Ulmer Historiker Ansgar Frenken, einer von 17 Referenten beim zweitägigenKolloquium, das das historische Museum Thurgau organisiert hatte. Im vollbesetzten Seminarraum im Staatsarchiv in Frauenfeld lauschten über achtzig Geschichtswissenschaftler aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. „Die wenigsten Konzilbesucher dürften sich bewusst gewesen sein, dass die Versorgung der vielen tausend Teilnehmer von Thurgauer Bauern abhing.“

20‘000 Besucher zu versorgen

Wie viele Fremde zum Konzil kamen, ist schwer zu sagen. Der zeitgenössische Chronist Ulrich Richental sprach von über 70‘000. „Aus heutiger Sicht vermuten wir, dass niemals so viele Menschen gleichzeitig in der Stadt waren“, so Frenken. „Einige dürften nur für ein paar Wochen oder Monate gekommen sein.“ Ursprünglich war man von einem dreimonatigen Treffen ausgegangen. Dass es schliesslich bis zur Einigung dreieinhalb Jahre werden würden, konnte niemand ahnen. „Zu bestimmten Höhepunkten wie der Wahl von Papst Martin V. waren aber bestimmt 20‘000 Besucher zu versorgen.“ Für eine Stadt, in der normalerweise 8000 Einwohner lebten, war das eine gewaltige Herausforderung.

Besser als Italien!

Offenkundig aber ist alles gelaufen wie am Schnürchen. Ein päpstlicher Sekretär schrieb an seine Bruder: „Allen, die sich hier aufhalten und es selbst miterleben, erscheint es fast unglaublich, wie dieser kleine Ort so viele Gäste mitsamt ihren Pferden unterbringen kann. Italien muss ganz zurücktreten; dort gibt es kaum eine Stadt, welche die Last einer derartig zahlreichen Einquartierung ertragen könnte.“ Nun war der kleine Ort eben nicht ganz allein. Davon zeugt die prunkvolle Kreuzlinger Mitra, die ein ideales Symbol für die Mithilfe des Thurgaus bei der Organisation des Konzils darstellt. Der anreisende Papst Johannes XXIII. verlieh dem Abt des Klosters Kreuzlingen das Recht sie zu tragen - der Legende nach als Dank für dessen Gastfreundschaft. Genau betrachtet war das nicht mal besonders grosszügig – der Papst reiste mit einer Delegation von 600 Personen an (und Wochen später ohne Gefolge und als Knappe verkleidet wieder ab).

„Ohne den Thurgau kein Konstanzer Konzil“, wiederholt dann auch plakativ Dominik Gügel vom Napoleonmuseum das Motto, mit dem Thurgau Tourismus seine Veranstaltungen zum Konzilsjubiläum bewirbt. Er moderierte die zweite Sektion der internationalen Tagung des Historischen Museums Thurgau und stellte gleich in seiner Vorstellung klar, dass „sein“ Arenenberg – damals noch unter dem Namen „Narrenberg“ - als Landsitz vor den Toren der Stadt ebenfalls zur Versorgung beigetragen hat. Allerdings lieferte er mutmasslich weniger Agrar-Erzeugnisse als vielmehr Zerstreuung. Konstanzer Patrizier besassen damals den Narrenberg und dessen Lustgarten. Sie dürften hier oft Gäste empfangen haben. Wer weiss, welche geheimen Absprachen die lustwandelnden Delegationsvertreter dabei getroffen haben!

Saurer Thurgauer Wein

Schon immer hatten die Produkte aus dem Thurgau den Weg nach Konstanz gefunden. Die Stadt lebte im Mittelalter von der Textilproduktion. Der Flachs für das Konstanzer Leinen kam aus dem Thurgau. Er wurde von Thurgauer Handwerkern auch schon zu Tuch verarbeitet, nur die Veredlung – das Bleichen – und der Handel blieben in der Stadt. Von 1414 bis 1418 kamen nun noch erhebliche Mengen an Getreide, Brennholz und Wein dazu. „Nun müssen wir zugeben, das der Thurgauer Wein aufgrund der klimatischen Bedingungen als nicht besonders edel galt“, so Ansgar Frenken. „Er soll recht sauer gewesen sein. Aber als Knechtwein wurde er gerne gekauft.“ Wein war in einer Zeit, als das Wasser oft schmutzig oder verkeimt gewesen ist, eher ein gesundes Lebensmittel als ein Genussmittel.

Für die Herrschaften aus allen Ecken des christlichen Abendlandes wurden auch erheblich luxuriösere Waren von weit her herangeschafft. Die Zeichnungen in der Konzilchronik von Ulrich Richental geben uns einen Eindruck von Froschschenkeln und exotischen Salzheringen. „Das Angebot war auch ein reizvolles Spektakel für die Thurgauer“, sagt der Konzil-Experte. „Wir hatten damals sicher auch schon Einkaufstouristen in Konstanz, die von hier Waren in den Thurgau gebracht haben.“ Manche Dinge ändern sich eben nie.

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