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von Christine Forster, 07.11.2013

„Gut, dass es jetzt los geht“

„Gut, dass es jetzt los geht“
Der Kunstraum der Thurgauischen Kunstgesellschaft im Kreuzlinger Schiesserareal | © Brigitta Hochuli

Im Kreuzlinger Rathaus trafen sich Menschen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Erziehung und Kultur zu einem grenzüberschreitenden Gedankenaustausch über das geplante Kulturzentrum im Schiesser-Areal. Paul Roth, Generalsekretär des Departements für Erziehung und Kultur brachte den Unterstützungswillen des Kantons auf den Punkt.

Christine Forster*

Stadtamman Andreas Netzle betonte zu Beginn der Sitzung, dass diese Veranstaltung kein Tribunal gegen irgendetwas sein solle. „Kreuzlingen will ein Kunstmuseum in Ittingen nicht verhindern und auch kein zweites Kunstmuseum in Kreuzlingen errichten.“ Seit 2007 die ersten Gespräche zu einem Kulturcluster und einer Kunsthalle in Kreuzlingen auf dem Wolfsberg stattgefunden hätten, sei Kreuzlingen nicht untätig geblieben, so Netzle weiter. „Im Moment laufen Abklärungen für ein städtisches Kulturzentrum. Nachdem unterschiedliche Standorte geprüft worden sind, soll nun aus dem Kern im Schiesser-Areal heraus aufgebaut werden. Auch die benachbarte Molkerei wäre eine Möglichkeit für die Erweiterung des Kulturzentrums oder gar einer Kunsthalle. Wir wollen nun an Exekutive und Legislative im Kanton erste Signale senden und belegen, dass ein Projekt in Kreuzlingen unterstützenswürdig ist.“

Schönenberger: „Nicht falsch investieren!“

Toni Schönenberger, Präsident der Stiftung Think Tank Thurgau (TTT), hatte zusammen mit Andreas Netzle zur Sitzung in Kreuzlingen eingeladen. Die Meinungen zwischen Kreuzlingen und dem TTT seien nicht unbedingt identisch, doch sei die ursprüngliche Idee des Kulturclusters nun aktualisiert worden. „Klar ist für den TTT, dass Ittingen der falsche Ort ist für einen Neubau. Nach dem juristischem Debakel will man nun davor warnen, dass öffentliche Gelder falsch investiert werden.“ Der TTT sei der Meinung, dass Ittingen sich auf seine Geschichte, auf Meditation und die Einbettung der Kunst in die Umgebung konzentrieren solle. Eine Sanierung des Museums sei daher angebracht, das Museum solle sich jedoch auf seine Sammlung fokussieren und auf die Skulpturen im Aussenraum. „Zeitgenössische Kunst muss in Kreuzlingen angesiedelt werden. Der Kunstraum kann grösser und mit mehr Mitteln ausgestattet werden. Kreuzlingen ist deshalb geeignet, weil hier Schulen und Bildungsinstitute angesiedelt sind, inklusive Exzellenz-Universität der Stadt Konstanz.“ Der Neubau in Ittingen ginge auf Kosten der jungen Generation, glaubt der TTT. Eine Kunsthalle würde einen Bruchteil der Kosten in Ittingen ausmachen und keine Konkurrenz zu Bregenz darstellen, da hier ein ganz anderes Modell umgesetzt würde, so Toni Schönenberger.

Raggenbass: Grobkonzept steht

Stadträtin Dorena Raggenbass beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der kulturellen Situation in Kreuzlingen. „Vor fünf Jahren hat die Stadt das Schiesser Areal gekauft mit der Idee des Kulturzentrums im Hintergrund.“ Der Kunstraum sei schon da, das Theater an der Grenze müsse vermutlich bald umgesiedelt werden, und ähnlich sei es beim Z88. Ausserdem suche das Seeburgtheater Proberäume. In Kreuzlingen werde also Raum gesucht, den man im Schiesser Areal zur Verfügung stellen könnte. Die Kosten für Sanierung, Umbau und einen eventuellen Neubau seien nun zusammengestellt. Sogar Künstlerwohnungen und Ateliers hätten Platz. Der Betrieb sei in einem Grobkonzept entworfen worden und könne verglichen werden mit dem Eisenwerk in Frauenfeld oder dem Kammgarn in Schaffhausen. Man sei bis jetzt kleine Schritte gegangen und habe viele Meinungen miteinbezogen. „Unser Konzept wird demnächst dem Stadtrat und der Geschäftsprüfungskommission von Kreuzlingen sowie dem Kanton vorgestellt“, so Raggenbass.

Osner (Konstanz): „wäre echte Innovation“

In der Folge wurde die Diskussion geöffnet. Dazu äusserten sich die Konstanzer Gäste aus Politik und Kultur sehr positiv über das Vorhaben in Kreuzlingen. Kooperationen über die Grenze hinaus wären durchaus denkbar. Eine produktive Nachbarschaft wäre eine echte Innovation, und die regionale Identität würde auch den Wirtschaftsfaktor ankurbeln. Die Kultur- und Kreativwirtschaft sei in vielen Kommunen noch unterbelichtet. Man müsse aber wohl länger darüber nachdenken, wie man die Zusammenarbeit über die Grenze hinaus gestalten könnte. Eine Unterstützung könne man sich sicher vorstellen. Konstanz habe ausserdem Engpässe im Raumbedarf, hier gäbe es operative Chancen mit einer Kooperation auf Augenhöhe, so Kulturdezernent Andreas Osner.

Rüegg: Mäzen aus dem TTT?

Auch teilnehmende Thurgauer Politiker äusserten sich wohlwollend gegenüber dem Vorhaben in Kreuzlingen. Allerdings hat man ein bisschen Angst, dass weniger Gelder zur Verfügung stehen könnten, wenn das Projekt in Ittingen so wie geplant durchgeführt wird. „Wir werden nein stimmen, wenn es im Grossen Rat im Dezember um die Gelder für Ittingen geht“, sagten Jost Rüegg (Grüne) und Peter Dransfeld (SP). „Wir sind nicht gegen den Bau, aber das Projekt soll richtig aufgegleist werden.“ Dransfeld ist grundsätzlich für eine Aufwertung von Ittingen und Kreuzlingen. Man wolle keinen Scherbenhaufen, da es im Thurgau Kunst und Kultur schwer hätten, so Jost Rüegg weiter. Er fragt sich, wo die angekündigten 40 Millionen im Kantonsbudget eingespart werden sollen. „Wird vielleicht aus dem Kreis des Think Tank ein Mäzen hervortreten?“

Knill: „Kreuzlingen/Konstanz prädestiniert“

Ein Schreiben von Erziehungs- und Kulturdirektorin Monika Knill habe beruhigt, so Nationalrat Christian Lohr. Da Kreuzlingen/Konstanz ein prädestinierter Ort für Kultur sei, wolle die Regierung ein Projekt in Kreuzlingen gerne unterstützen. Man solle nun nicht viel Energie in eine Streitsituation stecken, sondern Synergien für ein gutes Projekt nutzen und vorwärts machen.

Der Generalsekretär der Departements für Erziehung und Kultur, Paul Roth, bestätigt: Das Kunstmuseum Thurgau wird nicht in Frage gestellt und die Ausgangslage in Kreuzlingen sei ideal für eine gute Reifung, komplementär zusammengesetzt in einem ausgezeichneten Rahmen. „Hier kann etwas Bemerkenswertes entstehen“, so Paul Roth. Jetzt brauche man Beurteilungsgrundlagen und die Kriterien für die Rolle des Kantons. Dass man unterstützen wolle, habe man schon lange signalisiert. „Es ist gut, dass es jetzt losgeht.“

Tisserand: „Keine Konkurrenz zu Ittingen“

Der Kurator des Kreuzlinger Kunstraums, Richard Tisserand, betonte, dass man in Kreuzlingen keine Konkurrenz zu Ittingen aufbauen will, da man ein eigenständiges Konzept mit mehrheitlich jungen und unbekannten Künstlern habe. „Wir sind gut positioniert, geben gute Möglichkeiten, arbeiten mit Schulen und Hochschulen zusammen und sprechen auch ein junges Publikum an. Dieses Segment wird in der Schweiz weniger gepflegt.“

Landert: „sehr irritiert“

Sehr irritiert über die Aussagen des TTT ist Markus Landert, Kurator des Kunstmuseums Thurgau. Zwischen Kunstmuseum und Kulturzentrum in Kreuzlingen gebe es eine gute Zusammenarbeit, aber keine Konkurrenz. Der Kern in Ittingen sei die Sammlung, diese bestimme auch ein Ausstellungsprogramm. Kreuzlingen habe keine Sammlung und würde eine solche auch niemals anstreben. Ausserdem würde gerade der spezielle Ort der Kartause das Ausstellungsprogramm in Ittingen prägen und die Qualität gegenüber der wahren Konkurrenz in Zürich, Basel oder Bregenz ausmachen.

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*Christine Forster ist die Initiantin und Leiterin des im Frühling 2012 im ehemaligen Schiesser-Schnäppchenladen durchgeführten Projekts „Kultur im Shop“. Heute arbeitet sie in der Arbeitsgruppe von Stadträtin Dorena Raggenbass für ein Kulturzentrum Kreuzlingen mit.

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